Ich bin wieder in Sri Lanka
gelandet, bis jetzt klappt alles gut, wahrscheinlich werde ich in
der Naehe meines letzten Einsatzortes eingesetzt. Nur das es
wahrscheinlich keine Tsunamihilfe wird, sondern Fluechtlingshilfe,
durch den drohenden Krieg sind 5000 Familien aus ihren Doerfern im
Regierungsgebiet geflohen und ins Vanniland (Tamilengebiet) geflohen.
Oder sie wurden vertrieben, das konnt ich noch nicht herausfinden.
Auf jeden Fall benoetigen diese Menschen Unterkuenfte, anscheinend
fuer lange Zeit, denn es sollen die selben Haeuser sein, die wir im
letzten Jahr fuer die Tsunamiobdachlosen gebaut haben. Ich werde
Augen und Ohren offen halten, damit ich das richtige tue, wenn ich
eine Postadresse habe, werde ich sie hier mitteilen, dann koennnt
ihr mir schreiben wenn ihr wollt. (ein Brief dauert ca 1 Woche
hierher).Wie ich meine 6000 Euro an Spenden einsetzen werde, werd
ich hoffentlich in Kuerze erfahren, ich hab den Projektkoordinator
gebeten, mir Beispiele zu nennen. Wer uebrigens noch Spenden will,
kann das gerne auf mein Konto tun, ich hab ne Mastercard dabei und
kann es von hier abheben. Ich meld mich, wenns was neues gibt,
normalerweise alle 2 Wochen.
Machts gut, und habt nen
schoenen Winter, bei uns ist 30 Grad und 88 Prozent Luftfeuchte. Ich
waer ehrlich gesagt lieber bei euch, bei meiner Micha und unserm
Enjo, aber ich werd mich durchbeisen.
Bis dann, Martin
Dies ist mein Tagebuch Sri Lanka
2006. Im Moment schreibe ich auf einer Sri Lankischen
Tastatur, hier gibt es manche Buchstaben nicht, und manche sind
anders angeordnet, also entschuldigt bitte die Fehler (Meine
Rechtschreibung ist auch nicht die beste und der Computer verbessert
sich auf Englisch, aber im entgueltigen Tagebuch sind die Fehler
dann nicht mehr drin). Bei manchen Szenen, wenn ich etwas unsicher
schreib, was die Fakten und Zahlen angeht, dann moecht ich mich
entschuldigen, wenn ich nicht die genauen Zahlen sind, oder ich eine
falsche Einschaetzung der Dinge habe. Ich werde versuchen, Fakten so
genau wie moeglich zu erforschen. Manche Dinge widersprechen sich
vielleicht, (auch in Bezug zum letzten Tagebuch), auch dieses Bitte
ich zu entschuldigen, manches weis ich halt heute besser, oder
manche Meinung hab ich geaendert (der ist ein weiser Mensch, der
eine Entscheidung aufgibt, wenn er sich dazu gezwungen sieht).
Wieweit ich immer schreiben
kann, weiss ich nicht, die entgueltige Reinform gibt dann im
Fruehling als Buch mit Bildern
Frankfurt Flughafen 10.01.06
13.00 Uhr
So, nun gehts wieder los,
auf eine Reise ins 9000 km entfernte Sri Lanka. Da vielen Lesern
mein letztes Tagebuch so gut gefallen hat, werd ich euch natuerlich
auch diesmal auf dem Laufenden halten. Ich hoffe, ich hab wieder
viel zu berichten.
Diesmal wird die Reise
einfacher und doch schwieriger. Wenn alles klappt, werde ich bis
25.03.06 in Sri Lanka bleiben, mein Plan ist, mit der TRO zusammen
den Fischern beim Haeuserbauen zu helfen und sie auch finanziel zu
unterstuetzen und zwar mit den 6000 Euro, die ihr mir gespendet habt.
Ja, so viel ist zusammengekommen, durch meinen Tagebuchverkauf (200
Stueck) und durch freiwillige Spenden (meist nach Vortraegen.
Hoffentlich kann ich auch diesmal wieder so viele Bilder mitbringen,
um zeigen zu koennen, was ich erlebt hab. Das einfachere diesmal ist,
das ich das Land kenne, das Einchecken, denn ich weiss, wo ich
hingeh. Schwieriger wird es auf zweierlei Weise,
- Es droht wieder Krieg,
vor 3 Tagen bekam ich einen Anruf, dass Anfang Februar die ersten
Gefechte beginnen sollen, ein zweiterAnruf kam von Kanan (Tamile
aus der Schweiz). Er gab mir 3 Adressen in Sri Lanka, wo ich
moeglicherweise unterschlupfen kann. Also bin ich versorgt. Und
zur Not werde ich in den Sueden gehen und am Waisenhaus der
Familie Mueller (Markt Einersheim) mit anpacken. Und wenn es zu
gefaehrlich wird, was ich nicht denke, reise ich nach Hause und
reise wieder an, wenn der Krieg aus ist.
- Die zweite Schwierigkeit
fuer mich ist diesmal, dass ich was sehr wertvolles zuruecklassen
musste. Ihr erinnert euch vielleicht an das Maedel aus meinem
letzten Buch, “My likegirl Micha”. Sie ist inzwischen “My lovogirl”,
meine Freundin. Im Juni sind wir zusammengekommen, oder war es im
Juli? Egal. Sie und ihren 6 jaerigen Sohn Enrico, den ich
mittlerweile ein Wenig als meinen Kleinen anseh, die beiden hab
ich daheim lassen muessen, aber wir werden uns ja in 10 Wochen
wieder sehen, mal ueberlegen, ja, in 76 Tagen bin ich ja wieder da,
so Gott es will.
Unser lieber Gott. Letzte Woche war ich in meiner Werkstatt
gestanden (nachdem ich vom drohenden Krieg hoerte) und hab gebetet:
“Lieber Gott, ich lege mein Leben und vor allem diese Reise in deine
Haende. Ich werde versuchen, die Zeichen zu deuten, die du mir
sendest. Ich moechte deinen Befehlen getreu handeln, damit am Ende
alles gut wird.” Dazu gibt es natuerlich auch wieder einen passenden
Spruch aus meinem Handbuch des Kriegers des Lichts:
Wenn der Befehl kommt, woanders hin zu ziehen, sucht der Krieger
alle Freunde auf, die er auf seinem Weg gemacht hat. Einigen hat er
beigebracht, die Glocken einer versunkenen Kirche zu hoeren, anderen
hat er am Lagerfeuer Geschichten erzaehlt. Sein Herz ist traurig,
aber er weiss, dass sein Schwert geweiht ist, und er den Befehlen
dessen gehorchen muss, dem er seinen Kampf geschenkt hat. Dann
dankt der Krieger seinen Weggefaehrten, atmet tief durch und
schreitet aus, und ihn begleiten die Erinnerungen einer
unvergesslichen Wanderung.
Ja, ich werde versuchen den Befehlen Gottes getreu zu handeln, denn
fuer ihn arbeite ich. Er hat mich so gut durch das Jahr gefuehrt.
Hat der Micha gerade jetzt eine Arbeit gegeben, so dass sie weniger
Zeit zum Vermissen hat. Er hat gerade letzte Woche dem Friedo vom
Roemerhof anrufen lassen, dass dort der Donny Vox spielt, so das ich
mich dort von meinen Freuden verabschieden konnte (sucht der
Krieger alle Freude auf, die er auf seinem Weg gemacht hat) . Dies
sind nur 2 Beispiele auf meinem Lebensweg, die mir die Anwesenheit
des Allermaechtigsten beweisen.
So, mittlerweile sitze ich auf meinem Platz im Flugzeug. Sogar ein
Fensterplatz, schoen. Nun hab ich 4 Stunden Zeit, um mal einen
kurzen Rueckblick auf das vergangene Jahr zu geben, denn seit meiner
Rueckkehr in Deutschland am 17.04.05 ist doch einiges passiert, was
euch vielleicht interresiert. Zuerst hab ich mein Tagebuch der
Sybille W. und der Sabine W. uebergeben, sie haben es fuer mich
abgetippt. Danach hat Alexandra G. es in Reinform gebracht und mit
vielen Bildern ausgeschmueckt. Bei meinem Onkel (H+S) durfte ich es
drucken, bis ich mir selbst einen Farblaserdrucker gekauft hab.
Danke euch vieren fuer die grossartige Hilfe. Als alles fertig war,
hab ich sie noch geschnitten, sortiert un abgeheftet. Und dann
natuerlich verkauft und verschenkt. Soviel zu den Buechern.
Weiterhin hab ich ca. 20 Vortraege gehalten, in Schulen und auch
fuer Erwachsene. Eintritt war frei, Austritt nach eigenem Ermessen.
Dies war meine Arbeit fuer die Tsunamiopfer und die Verbesserung
unserer schoenen Welt. Ich hoffe, ich hab es geschaft, ein paar
Menschen zum Nachdenken anzuregen, das es besser ist nicht so viel
an sich zu denken. Aber nicht nur diese Arbeit gab es dieses Jahr.
Mit meinem Papa zusammen hab ich es auch geschaft, alle Rohbauwaende
in unserem Lehmhaus zu Stampfen. Wir bauen ja ein Haus aus Lehm,
unser eigener Lehm aus unserm Acker. Kurze Abschweifung: Bin jetzt
ueber Italien, es ist halb 4 und ich hab gut gegessen, (Fisch mit
Erbsen und Moeren, dazu Salat, danach Kuchen). Wenn ich mich da an
letztes Jahr erinner, da konnt ich gar nix essen, weil alles so
ungewiss war. Mein erstes Heimwehtief hab ich auch ueberwunden, mal
schaun, wie viele noch kommen! Ich darf halt nur nach vorn schauen,
dann ist dass kein Problem. So, zurueck: Also, wir bauen ein Haus
aus Lehm fuer meine Eltern als Altsitz. Vor 2 Jahren haben wir
begonnen den alten Stall abzureissen, im Juni 2004 wurde das neue
Haus aufgerichtet, die alten Balken haben wir soweit moeglich
wiederverwendet. Auf Beton wurde weitmoeglichst verzichtet,
Botonbodenplatte ist 7 cm dick, darauf Schweisbahn als
Feuchtigkeitssperre, Isolierschuettung aus Blaehglas (= aufgekochtes
Recyclingglas, hoher Isolierwert, ziemlich oekologisch) und dann ein
14cm dicker Vollholzboden. Die Giebelwaende sind die alten
Sandbruchsteinwaende geblieben, der Rest ist eine
Holzstaenderkonstruktion, ausgefuellt mit Lehm. Fuer die
Aussenwaende gemischt mit Blaehglas zur Isolierung, fuer die
Zwischenwaende gemischt mit Ziegelbrocken aus den Dachziegeln des
alten Stalles und Sand. Verputzen wollen wir dieses Jahr, auch mit
unserem eigenen Lehm, aber erst nachdem die Wandheizungselemente
eingebaut sind. Geheizt wird mit Holz, und zwar durch den Kachelofen
, in den ein Waermetauscher zur Speisung der Wandheizung eingebaut
ist. In der Kueche wird wieder ein Holzherd stehen. (Uebrigens, wens
interresiert, wir machen im Juni einen Tag der offenen Baustelle,
und auch sonst koennt ihr immer vorbeikommen, ruft halt kurz an, das
ich auch da bin) Wie schon gesagt, haben wir im vergangenen Jahr
2005 die Aussenwaende gestampft und den Kamin gemauert. Und dann
waren da noch die alljaehrlichen Arbeiten auf dem Hof: Rueben hacken,
Futter silieren, Disteln aus dem Weizenfeld schneiden, Ernte, Stroh
heimfahren (5000 Ballen), Arbeit im Weinberg, Lese,… (Fuer meinen
Papa noch die taegliche Stallarbeit. Dann hab ich noch 3 Wochen
ehrenamtlich in meinem alten Job gearbeitet. Ich hab geholfen, als
meine Bewohner vom Wohnheim wieder in ihr altes Wohnheim gezogen
sind. “Und weil er an die wahre Liebe glaubt, begegnet ihm diese
Liebe auch”. Ich, der kleine Krieger, hab daran geglaubt, und ich
behaupte mal, Gott hat mich diese Liebe begegnen lassen. Sie heisst
Michaela, und wie ihr schon gelesen habt, sind wir seit Juni oder
Juli zusammen (ein Monat mehr oder weniger, was macht das schon).
Schon bei meinem letzten Einsatz hat sie mir ganz viel Halt gegeben,
und dass ohne dass sie es wusste. Ich kannte sie auch kaum, aber
irgendwie war da was und wie gesagt, ich hab dran geglaubt. (Waehrend
meines ganzen Sri Lanka Aufenthaltes und auch die 2 Monate danach
wuste ich nur wie diese Frau von hinten ausschaut, ich hab sie mal
im Wohnheim die Treppe raufrennen sehen, ihr nachgeschaut und
gedacht, “hm, schoen, was fuer ne Frau”. Aufmerksam wurde ich auf
sie durch ne Freundin, danke Nico). Sie ist so ein unbeschreiblicher
Mensch, sie besitzt die Eigenschaften, die mir fehlen, ich fuehle,
das wir uns gut ausgleichen und anziehen. Sie schaut wie ich voll in
die Zukunft und lebt, ja, sie lebt einfach und jammert nicht, “Ach,
ich will diesen und jenes und alles ist so schlecht”. Ich hoffe,
dass ich fuer sie ebenso ein Glueck bin, wie sie fuer mich. Und fuer
unseren kleinen Enrico wuensch ich das natuerlich auch. So, das war
der kleine Rueckblick, aber bevor es nun mit Reiseberichten
weitergeht, moecht ich mich erst einmal bei allen bedanken, die mich
unterstuetzt haben und es weiterhin tun. Vielen herzlichen Dank,
ohne euch saehe das alles anders aus. Und dann mag ich mich noch
fuer etwas aus meinem letzten Tagebuch entschuldigen, naemlich, das
ich damals geschrieben hab, das Tamilen das Denken lernen muessen,
wie wir das Schreiben. Das war ein grober Fehler, den ich bereuhe,
ich hatte damals auch mehr das praktische Denken gemeint, und ich
habe im Nachhinein gemerkt, das es am Ende gepast hat. Also
entschuldigt bitte meine Tamilischen Freunde. So, und ab jetzt gehts
dann weiter mit Reiseberichten, mal schaun, ob dies Buch dicker oder
duenner wird als das letzte, und ob ihr es aehnlich interresant
findet. Gerade weiss ich nicht genau, wo wir sind, denke irgendwo
ueber dem Mittelmeer, ich werd nun etwas ruhen.
Aman Hotel Alia 11.1.06 8.30 Uhr
Es ist nun der Morgen danach, genau 4 Stunden sind wir hierher
geflogen, nach Jordanien. Im Flugzeug 24 Grad und 24 % Luftfeuchte,
sehr trockene Luft. Hier im Hotel sind’s nun 22 Grad und 40%
Luftfeuchte. Gerade hat es geregnet, nun kommt die Sonne raus. Nach
der Ankunft gestern hab ich gemerkt, dass ich mein Kriegerhandbuch
im Flugzeug vergessen hab, hab’s gemeldet und auch wieder bekommen,
sehr gut. Als ich auf den Bus wartete, hab ich mich mit einem
Ehepaar aus Goettingen unterhalten, sehr angenehm. Er war
Reiseleiter vor seiner Pensionierung und konnte mir viel ueber den
Sueden Sri Lankas erzaehlen. Er meinte auch, das es noch in den 70er
Jahren Ceylon geheissen hat, muss mal kucken, wann es dann umbenannt
wurde. Mit dem Bus gings ins Hotel, dort gabs noch ein Abendbuffet
und dann ging ich ins Bett, konnte aber anfangs nicht einschlafen,
hatte Heimwehgefuehl im Magen. Heute morgen dann bin ich um halb 8
aufgewacht, (halb 7 in Deutschland). Um diese Zeit hat meine Micha
gerade das Arbeiten angefangen und als ich dann beim Fruehstueck in
dem grossen Essenssaal sass, muste Enrico grad aufstehen. Hier in
Aman hat es uebrigens 7 Grad Aussentemperatur, also schon etwas
waermer als Zuhaus.
Aman Flughafen, 11.01.06 17.30 Uhr
Bin mal gespannt, wie warm es dann in Colombo ist. Hab heute schon
was erlebt. Nach dem Fruehstueck hab ich meinen zweiten Brief
geschrieben, seit ich weg bin. Von 9.30 Uhr bis 12.00 Uhr,
zwischendurch muste ich mein Handbuch lesen, den ich brauchte eine
Weisheit daraus, um einer Freundin bei ihren Beziehungsproblemen zu
helfen. Beim Mittagessen hab ich dann einen Barfussmann gesehen, “ob
er wohl auch immer barfuss unterwegs ist”, hab ich mir da gedacht.
Aber Pustekuchen, beim Auschecken kam er mir mit Schuhen entgegen.
Den Mittag ueber war Fernsehen und duschen dran, da ich keine Muse
hatte zum Lesen.
Colombo Meeting 12.01.06 11.45 Uhr
Um 16.00 Uhr bin ich aus dem Hotel ausgecheckt, war ein Fehler,
haette ne Stunde laenger warten sollen, den so hies es wieder lange
Warterei im Flughafen, bis unsere Maschine schliesslich um 20.10 Uhr
den jordanischen Boden verliess, mit einer Stunde Verspaetung und
jeder Platz besetzt. Am Vortag hatte ich da mehr Glueck, da war das
Flugzeug gerade mal halb voll und ich hatte meine Sitzreihe fuer
mich allein und konnte die Fuesse hochlegen. Ich ging zu meinem
Platz, und der Mann, der am Nebenplatz sass, fragte, ob ich den
Platz mit seiner Freundin tauschen wuerde, da sie 6 Reihen weiter
hinten sas. Na klar, bin doch eh alleine. Waren eh beides Sitze am
Gang, also keinerlei Komfortverzicht. Der Flug zog sich lange hin,
zuerst las ich in dem Buch “Servus Opa, sagte ich leise” ein
Kinderbuch von mir. (Ein 10 jaehriger Junge erlebt, wie sein Opa,
der Krebs hat, stirbt). Nach dem Abendessen hab ich das Buch dann
weggelegt, denn ich wollte unbedingt einen Brief an Micha schreiben.
Das tat ich auch, 3 Stunden dauerte dies, und einen fuer Enrico in
Druckbuchstaben hab ich natuerlich auch beigefuegt. Schlafen war
nicht, viel zu unbepuem, und es war eh nicht mehr allzulang bis zur
Landung. Diese hat auch super geklappt, und mein Gepaeck war dismal
auch alles da. Ich hab, glaub ich < noch gar nicht erzaehlt, aus was
dieses Gepaeck diesmal bestand. Da ich ja diesmal keine Saege
mitnehmen durfte (Am Frankfurter Flughafen haben sie mir gesagt:
“Ne, die Geschichte mit dem Herrn Schleyer, die kennen wir noch, und
dass er die Saege doch geschickt bekommen hat, war ein Versehen.
Diesmal geht das nicht”). Tja, da hat wohl irgendjemand Aerger
bekommen letztes Jahr, wenn sie den Herrn Schleyer nach 9 Monaten
immernoch an diesem grossen Flughafen kennen. Also hab ich halt
Teddybaeren eingepackt, und 3 Blutzuckermessgeraete hab ich auch
geschenkt bekommen und noch ein Blutdruckmessgeraet. Dann noch ein
paar Stifte fuer die Kids. Fuer mich selbst hab ich 2 Liter
Zwetschgenschnaps von meiner Oma, abgefuellt in Wasserflaschen,
damit es keine Probleme mit Zoll gibt. Ein paar CD’s, Diskman, ein
paar Buecher, 4 Hemden und 2 Unterhosen, weng Werkzeug, Badehose,
eine Hose (Die ich anhab) und natuerlich viel Briefpapier und 12
Tintenpatronen. Ja, das war so ziemlich alles, oh ja, nicht zu
vergessen die Digicam, die ich geschenkt bekommen hab. Das Taxi vom
Flughafen nach Colombo kostete dismal 13 Euro statt 10 wie im
letzten Jahr. Der Fahrer war nett und ich hab in weng was gefragt.
“Gibt es viele freiwillige Arbeiter im Moment in Sri Lanka?” “Ja,
ziemlich viele.” “Wie sieht es mit Touristen aus?” “Ja, voll.” “Wie
steht es mit dem Konflikt Tamilen gegen Singalesen?” Da wurde er
sehr aufgebracht. Er meinte, dass das eher ein Kampf zwischen den
tamilischen Rebellen (LTTE) und der Regierung ist, die normalen
Tamilen und Singalesen leben friedlich miteinander, und die Tamilen
waeren total verrueckt, dass sie einen eigenen Staat innerhalb Sri
Lankas wollen. Das ist sehr schlecht fuer das ganze Land und das
kann man nur verurteilen. Er meinte allerdings auch, dass von der
Regierung viele Fehler gemacht wurden, aber im Moment laege es an
den Tamilen, ob der Krieg startet oder nicht. Nach dieser Diskusion
wurde es still im Wagen, der Fahrer hoerte per Ohrhoerer Radio und
fuhr 3 Mopets beinahe ueber den Haufen, und ich schaute die Gegend
an und das in aller Ruhe, mich auf sein Fahrkoennen verlassend. Mir
fiel ein Slum am Stadtrand von Colombo auf, ein richtiges
Schauerbild. Heruntergekommene Haeuser mit Welldaechern, eins ans
andere gepfercht. Was muss das fuer ein Leben sein, einen Tag wie
den naechsten erleben, im Muell, ohne Aussicht auf eine bessere
Zukunft. Ein Leben im Dreck, von der Welt vergessen, kein Geld fuer
nichts, nicht mal fuer Buecher, um sich wenigstens ein bisschen die
Zeit zu vertreiben. (Wahrscheinlich konnen sie eh nicht lesen, da
sie nicht die Chance hatten, eine Schule zu besuchen).Man gehts uns
da gut, auch wenn wir uns vielleicht fuer arm halten. Als ich
darueber nachdachte, wurde mir richtig schlecht. Im Office der TRO
hat sich diese Laune ganz schrell geaendert, ich traf ein, sagte,
wer ich bin, wurde zum hinsetzen angehalten, und kaum sass ich, da
bin ich auch schon wieder aufgesprungen, den Selva kam um die Ecke (nicht
my Chelva, sondern ein Engeneer, den ich letztes Jahr am Anfang
schon mal getroffen hatte. Er fragte nach meinen Plaenen, und als
ich sagte, dass ich mich auf die TRO verlass, wo sie mich einsetzen,
sagte er, “dann geh nach Trincomallee, dort sind ueber 200
Toilettenhaeuschen zu bauen, die Gelder sind von der Unicef
bewilligt, ein Organicer ist vor Ort, es fehlt nur noch jemand, der
die Maurer einweist. Und dies waer mein Auftrag, und es muss
wiedermal schnell gehen. Die Haeuser sind wohl gebaut, nur die
Toiletten fehlen noc;h, damit die Menschen einziehen koennen. Da
hatte ich doch wirklich nach 5 Minuten schon meinen Auftrag fuer
lange Zeit. Mal schaun, ob das was wird. Ich schilderte ihm meine
Auftraege von Gabriel, von ihm hab ich 2200 Euro bekommen, die muss
ich Lawrence Christi in Kilinochchi geben. Sie sind fuer ein
Kinderheim in Batticaloa (Bau eines Kuechengebaeudes und eines
Brunnens) und eines in Puthukkudiyiruppu (Ueberdachung einer
Schlafhalle) gedacht.
Colombo Office, 12.1.06 20.00 Uhr
Um halb 10 war ein Meeting der Engeneers angesagt, dort durft ich
mit drin sitzen, Bin allerdings ein paarmal eingeschlafen, da ich ja
nun schon seit dem Vortag um 8.00 Uhr auf bin. Nach dem Meeting
wieder planen, es war dann veranschlagt, dass ich am naechsten Tag
nach Kilinochchi fahre, dann nach Mullaittivu. Dort will ich meine
Freunde besuchen, ist ganz wichtig, am Montag dann das Geld fuer die
Kinderheime wechseln und uebergeben, dann die Fotos in Batticaloa
machen und weiter auf Baustelle nach Trincomallee. Als alles klar
war, bin ich in die Stadt gelaufen, ich brauchte einen neuen Saram
und Batterien fuer Wecker und Diskman. Ausserdem Briefumschlaege und
Briefmarken. Beim Laufen durch die Stadt wurden viele Erinnerungen
wieder wach. Der Fahrradreifen, der in der Bullersroad eingeteert
war ist weg, die Menschen lachen einfach wieder, sie sprechen einen
auf der Strasse an, und den Verkaeufer des Sarams hab ich nach dem
Schneider gefragt, er hat mich hingefuehrt, der Schneider hat mich
nach meiner Frage nach Batterien in einen Laden gefuehrt, wo ich
welche bekommen hab. Dort hat mich ein Passant zu einem
Buchgeschaeft begleitet, wo ich Kuvere bekommen hab und von dort hat
mich, aufgrund meiner Frage nach Briefmarken, ein naechster ins Post
Office begleitet. Das wuerde einem Fremden bei uns in Deutschland
nicht so schnell passieren, hier ist das ganz normal. Nach meinen
Einkaeufen gings zurueck ins Office, dort wieder warten, mit Mama,
Oma und Micha hab ich telefoniert.
Mullaittivu Camp 13.01.06 19.30 Uhr. So, nun bin ich wieder zurueck
am Ort des Geschehens, zurueck im Camp, wo mein letztes Buch
entstand. Gerade sitzen my little Boy und seine Schwester um mich
rum, komisch, so zu schreiben. Aber ich fang einlfach mal an. Um 3
Uhr ging dieser Tag los, also sollte er wenigstens. Da sollte ich
naemlich im TRO Guesthouse abgeholt werde, aber um viertel nach 3
kam nicht mein Van, sondern der Boy, der hier wohnt. (Ca. 30
jaehriger Amerikaner, der im TRO Office Colombo arbeitet) mit seiner
Freundin, sie gingen ins Zimmer. Und dann durfte ich doch wirklich
noch mitanhoeren, was ich schon befuerchtet hab. Die beiden haben
schoen ihr Nuemmerchen geschoben, dem man bei den duennen Waenden
und Tueren halt zuhoeren muss, auch wenn man nicht will. Egal. Um 4
kam der Van, (Kurz nach dem Hoehepunkt) und wir haben wiedermal die
Reise nach Kilinochchi angetreten. Die ersten 4 Stunden hab ich
geschlafen und ab 8 dann aus dem Fenster geschaut. Sehr viele
Armeeposten an den Strassen, einige mehr als im letzten Jahr. Die
Grenze kein groesseres Problem, in einer Stunde waren wir durch, nur
dass sie diesmal alle Elektrogeraete ueberprueft haben: CD’s
reingehoert, die Mitfahrerin musste ihren Laptop anmachen, meine
Bilder auf der Digicam haben sie angesehen. Nach der Grenze dann
alles wieder ruhig, keine Armee mehr. Und alles gruen. Der Reis ganz
frisch, die Baeume teilweise in Bluete. Es hat auch die ganze Fahrt
geregnet, auch jetzt regent es wieder. Es hat uebrigens 28 Grad und
86% Luftfeuchte. Gestern in Colombo das Selbe. Es ist sozusagen eine
Luft zum Anfassen, da kann man gar nicht anders, die ist so prall,
da muss man einfach hinlangen. (Kleiner Scherz am Rande, hihi) In
Kilinochchi dann gleich lauter strahlende Gesichter. So viel Freude,
dass ist einfach Herzzerreisend. Ich war ganz geruehrt. Mr. Lawrence
und Mr. Ravi haben mich gleich im Hof empfangen (da waren sie grad),
ich hab ihnen erzaehlt, dass ich 2200 Euro fuer sie von Gabriel
dabeihab und auch von mir noch 6000 Euro, die sie verplanen duerfen.
Mr Lawrence meinte, dass sie vielleicht bei Kindern gut angelegt
sind, oder, und nun hoert, denn dass hat mich sehr geschockt, was er
mir dann erzaehlt hat. Oder fuer den Bau von Uebergangshaeusern im
Stil des letzten Jahres. Ja, und zwar, und jetzt kommt das Schlimme,
fuer Menschen, die aus Jaffna und Vavunija ins Vanniland (Tamilengebiet)
geflohen sind, weil dort der Krieg droht und sie von Armeetruppen
drangsaliert wurden. Da kommt einem doch das Kotzen, als ob es hier
nicht schon Leid genug gibt, da kommen nun auch noch 5000 Familien
als Kriegsfluechtlinge nach Tamil Vanni. Und die brauchen auch
Haeuser. Denn ausserhalb des Autonomen Gebietes fuehlen sie sich
nicht sicher oder wurden sogar vertrieben. (Was von beiden nun
zutrifft werd ich schon noch rausfinden). Tja, werd ich da
vielleicht nun gesammeltes Geld fuer Kriegsfluechtlinge einsetzen
muessen? Ich weiss nicht, ob das richtig ist. Mr Lawrence wird mir
Vorschlaege machen, am Montag, bis dahin hab ich Zeit zum Ueberlegen.
Denn ich hatte auch daran gedacht, die Betten fuer das Kinderheim in
Batticaloa zu finanzieren. Gabriel hat mir gesagt, dass sich die
Kinder dort nichts sehnlicher wuenschen als Betten, um in der
Regenzeit nicht auf dem nassen Fussboden liegen zu muessen. Aber hat
das nicht Zeit, wenn man bedenkt, dass vom Krieg fluechtende
Menschen Haeuser brauchen. Ich weiss es nicht. Ich werd mich Gottes
Ratschluss hingeben, er wird mir hoffentlich die richtige Antwort
zeigen. Mr Lawrence meinte auch, ich solle vielleicht an den
Haeusern mitbauen fuer die Fluechtlinge, da das wichtiger ist, als
die Toiletten. Wir werden sehen. Am Mittag bin ich mit dem Van nach
Mullaittivu gefahren worden. Dort hat sich einiges veraendert, der
Platz, wo sie damals die Reste der Stadt abgekippt haben (ihr
erinnert euch vielleicht an das Bild). Ueber diese
Begraebnissstaette der 10000 Existenzen ist nun Grass gewachsen,
auch ueber das Eck, wo die Menschen verbrannt wurden. In Mullaittivu
Stadt wird fleissig gebaut, da ruehrt sich was, es waren maechtig
viele LKW’s da und Baumaterialien. Bei Piragalathan (mein
Postmannfreund) hab ich mich absetzen lassen, er war allerdings
nicht zu Hause, also bin ich ins Camp gelaufen. Schon bald hoerte
ich “Martin, Martin”. Einige Kinder liefen herbei, My little Boy
pfiff, also bin ich hingegangen. Eine Freude ueberall. Schoen. Mit
my little Boy bin ich zu den Nurses Houses gelaufen. Auch da viel
Freude. Allerdings waren nur meine 3 Haeuser fertiggestelltworden,
neue wurden nicht gebaut. Halt stop. Doch, gleich nach dem Zaun
wurden noch 3 von der Unicef gebaut. Das Krankenhaus bekommt auch
ein neues Gebaeude, von einer Deutschen Organisation finanziert.
Beim Zuruecklaufen haben wir dann Piragalathan getroffen. Der war
natuerlich aus dem Haeuschen. Er ist befoerdert worden und es geht
ihm gut. Alle miteinander haben mir dann mein Fotoalbum von Zuhause
angeschaut und natuerlich mein letztes Tagebuch, das mit viel
Begeisterung begutachtet wurde. Nur gut, dass soviel Bilder drin
sind.
Mullaittivu Camp 14.01.06 8.00 Uhr bei my little Boy
Besonders die little tangatshy (kleine Schwester) meines little boy
war ganz fasziniert. Sie hat stundenlang ueber den beiden Buechern
gesessen und gekuckt und gekuckt. Ausserdem schaut sie mich die
ganze Zeit an wie so ein verliebtes Mondkalb. Dieses ca 12 Jahre
alte Maedel scheint ganz schoen vernarrt zu sein. Da ist es nur gut,
dass ich der Familie gleich von meiner Freundin vorgeschwaermt hab.
Die Nacht hab ich auf der ueberdachten Terrasse bei my little Boy
geschlafen, es hat wieder geregnet. Es waren sowohl am Abend als
auch in der Nacht immer wieder Schuesse zu hoeren und das ganz nah.
Erst dacht ich, die schlachten irgendwelche Tiere, bis ich drauf
gekommen bin, dass das Feuerwerksboeller sind. Denn es ist eine Art
Ernte Dank Fest. Das ist hier ein ganz besonderes Fest. Die Familie,
wo ich grad bin, hat am Morgen gefaltete Palmblaetter auf Seile
aufgehaengt ( im Rechteck von ca. 2 mal 2,5 Meter gespannt).
Darunter wurden am Boden mit Mehl Figuren aufgemalt (Planzen, Blumen),
und ein kleiner Altar aus einem Topf, Bananen, 3 Kokosnuessen, einer
kleinen Pflanze, Blueten, Asche zum Segnen und noch 2 andere
Segensgaben wurde aufgebaut. Neben dem Rechteck wurde der Sand etwas
ausgehoelt als Kochstelle und darauf ein Topf mit Wasser gestellt,
in dem dann Reis mit Kokosmilch gekocht wurde. Dies alles geschah
mit ungeheuerer Geduld und Lieblichkeit und dauerte von frueh um 4
bis halb 9
Mullaittivu Little Boy 14.01.06 18.30 Uhr
Als es dann fertig war gab’s Fruehstueck, von dem Reis, mit
Sultanienen, Nuessen, Zucker und Gewuerzen. Lecker. Nach dem Essen
war Erkundungstour angesagt. Zuerst zum Strand. In den Reisfeldern
war immernoch Wasser und Muell und auch Oel vom letzten Jahr, die
Bruecke, die Thomas und ich am 12ten Februar gebaut hatten war weg.
Der Strand sah aehnlich aus wie im April, bis auf 2 Grosse
Unterschiede. Die Krebse die im letzten Jahr zu hunderten am
Wasserrand entlang liefen sind fast ebensovielen Booten gewichen. Ja,
Krebse hab ich keine gesehen, statt dessen lauter Fischerboote, mit
Aufklebern verschiedenser Organisationen und Laender. (Wourld Vison,
Malteser Polen, TRO, Don Bosco, …) Da hat der Tsunami letztes Jahr
zwar viele Leben gekostet, aber hat er vielleicht nicht auch
ebensoviel oder mehr Leben gerettet, indem unzaehlige Krebse und
Fische am Leben bleiben durften. War er dann vielleicht ein Segen
fuer das Leben auf unserem Planeten? Wir Menschen koennen, glaub ich,
nicht so ganzheitlich denken, das kann nur einer, unser lieber Gott.
My little Boy, sein Bruder und 2 andere Kinder sind auch mit auf
meine Erkundungstour. Ja, sie trauen sich wieder ans Meer, an das
Meer, das vielen Menschen vor gut einem Jahr das Leben gekostet hat
und auch so viel Leid verursachte, das aber andererseits, wie ich
mir gerade herauskristallisiert habe, dadurch auch genauso vielen
Tieren das Leben gerettet hat, weil ihre Jaeger nun nicht mehr da
sind. (Man entschuldige meine Einstellung, aber ich versuche immer,
die Welt, das Leben als Gesamtheit zu sehen, und mich von der
Vorstellung zu loesen, das der Mensch das einzig wichtige und
bemittleidenswerte Lebewesen ist.) Sie trauten sich also wieder ans
Meer. Die Angst die sie im letzten Jahr noch hatten, ist einem
Scherzen ueber den Tsunami gewichen. Es stank graeuslich nach Fisch,
und es lagen auch immer wieder tote Fischreste am Strand. Wir gingen
die ca. 4 km bis Mullaittivu Town am Meer entlang. Dann Richtung
Schule. Der Tempel am Strand, von dem nach dem 26.12.04 nur der
Eingang uebriggeblieben war, ist wieder aufgebaut und in der Stadt
lagen ueberall Steinhaufen. Sie sind also bereit ihre Zukunft in die
Hand zu nehmen, und ihre Haeuser wieder aufzubauen. Vermessen war
wohl auch, denn ueberall steckten Vermessungspfaehle im Boden. Vom
Buergermeister erfuhr ich, dass die ersten 200 Meter am Meer nicht
mehr gebaut werden duerfen. Bis dies hier wieder wie eine normale
Stadt ausschaut werden noch mindestens 2 Jahre vergehen. Wenn nicht
mehr. Der Platz, wo die alte Stadt ”begraben” liegt, hat sich auch
veraendert. Es ist Gras ueber die Sache gewachsen. Wahnsinn,
innerhalb eines Jahres waechst ein Gruener Teppich ueber den
Schutthaufen der Stadt und laest es so aussehen, als waer nie was
passiert. Als wir um 2 Uhr nach fast 5 Stunden Laufen wieder daheim
waren, war erstmal schlafen angesagt. Ich war einfach hinueber. 2
Stunden auf die Matte. Und auch als ich mich danach zu den anderen
raus gesetzt hab, bin ich immer wieder eingeschlafen. Und dass war
auch wichtig.
Kilinochchi, 15.01.06 15.00 Uhr
Kilinochchi 15.01.06 15.00 Uhr
Irgendwann um 4 gab’s dann Tee und
Kekse von meiner Oma, die hatte ich naemlich noch dabei. Ja, und
danach war der Tag ziemlich gelaufen. Ich wollte zwar noch ins Camp,
das war aber schon zu spaet. Um 20.00 Uhr meinte my little Boy
“sleeping” und wir legten uns nieder. Zuvor verabschiedete sich noch
die Schwester von my little Boy mit ihren ca. 2, 4 und 5 Jahre alten
Maedchen. Denen hab ich vorher noch ein Kuscheltier geschenkt, dass
ich den strahlenden Kindern ueberreichen durfte. Jedem eins. Die
Nacht war unruhig, immer wieder wurde ich wach, Moskitos stachen
mich und Gedanken quaelten mich. Es waren nicht unbedingt schlimme
Gedanken, ich konnte halt meinen Kopf nicht freibekommen, wusste
nicht, ob ich wirklich Lust hab, die naechsten 2 Monate hier zu
arbeiten. Da bin ich oft schlimm, das wird dann besser, wenn ich
angefangen hab zu arbeiten. Irgendwann war diese Nacht dann auch
rum, um 8 Uhr und die Sonne schien. Zum ersten Mal, seit ich hier
bin, schien die Sonne. Also auf, Fruehstueck und ab ins Camp, weil
mir ja nur noch 3 Stunden bleiben, bis der Bus nach Kilinochchi
faehrt. My little Boy geht mit. Die Kinder rufen: “Hello Martin”.
Sie kennen mich noch. Wir muessen uns setzen und bekommen Gebaeck
und Wasser. Die Kidis und auch die aelteren wollen das Album sehen
und das Tagebuch. Sie schauen wie gebannt und freuen sich riessig,
wenn sie im Tagebuch ein bekanntes Gesicht sehen. Schoen, diese
Freude zu erleben. Ich muss die Bilder erklaeren, schwierig, weil
keiner Englisch kann. Aber mit meinen paar Worten tamil (ama=Mama,
appa=Pappa, tangatshy=kleine Schwester, aka=grosse Schwester,
ammama=Oma, girlfriend=Freundin, girlfriendson=Sohn der Freundin,
farm=Bauernhof, …) Nach ner halben Stunde gehen wir weiter. Das Camp
sieht veraendert aus. An die meisten Haeuser sind Daecher und Zaeune
angebaut. Die Palmblattdaecher sind verwittert. Einige haben auch
winzige Gaerten neben ihren Haeusern. Es lebt sich bestimmt recht
gut, nur dass es doch sehr eng ist. Wieder wurden wir angehalten zum
hinsetzen. Die erste Minute ist da immer ganz komisch bis wir eine
Sprache finden. Wieder packe ich Bilder aus und wieder staunen und
lachen. Ein Mann erkennt sich und seine Tochter im Tagebuch. Und
Udhyain, die kennen sie alle (ihr wisst, die behinderte Frau, mit
der ich mein Essen geteilt hab) Sie hab ich uebrigens noch nicht
getroffen. (kurzer Ausschweif: sitz gerade im TRO Guest House in
Kilinochchi und muss lachen. Warum? Weil draussen eine Frau etwas
ruft, das klingt wie “Mallaga”. Sybille, erinnerst du dich, unser
letzter Spanienurlaub: “Mallaga Haselnuss” von Benjamin Bluemchen.
Sorry, musst ich grad schreiben, ist ‘n Insider und fuer mich immer
wieder sehr witzig) Zurueck zumCamp: Ich hab erklaert, dass ich
diesmal nicht in Mullaittivu arbeiten werde und um 11 Uhr nach
Kilinochchi zurueck muss. Mir wird selbst klar, dass das eigentlich
viel zu wenig Zeit fuer Mullaittivu ist. Ich werde versuchen vor
meinem Abflug nochmal zu kommen. Bevor wir weitergehen bekomme ich
noch ein Lunchpaket und ein Sterbebild einer Frau. Ihr Mann gibt es
mir und sagt, dass sie beim Tsunami umkam. Er klingt gefasst, fast
locker. Die Menschen scheinen gut drueber weg zu sein, es ist
bestimmt nicht gerade schlecht, dass sie hier auf so engem Raum
zusammenleben muessen, so koennen sie miteinander reden und sind
nicht allein. Als wir das Camp verlassen laeuft uns Murugam, der
Kookman, My appa ueber den Weg. Es ist der, bei dem ich im letzten
Jahr immer zum Essen war. Er fuert uns zu seiner Frau, wir wechseln
3 Worte, schwierige Verstaendigung. Und was meint ihr, was da neben
mir liegt? Wir stehen neben dem Platz, wo letztes Jahr mein Zelt
stand. Und es ist immernoch da. Wenigstens ein Teil der Plane
liegt/haengt zerfetzt im Zaun. Es war ja im letzten Jahr schon
kaputt und da haben sie es wohl hiergelassen. Es ist auch Grass
drueber gewachsen. So vergeht die Zeit. Wir gingen zurueck zum Haus,
ich pakte meine sieben Sachen und my little Boy brachte mich noch
zum Bus. Der Familie hab ich 500 Ruppee (4 Euro) als kleines
Dankeschoen gegeben. Sie haben es gern genommen. Nun, endlich durfte
ich mal mitfahren in den vollgestopften Sri Lanka Bussen, gar nicht
so einfach, wenn man bedenkt, dass ich meinen grossen Rucksack und
die Umhaengetasche dabei hatte. Dazu noch meine Isomatte. Aber es
ging. Bei jeder Haltestelle stieg ich aus und liess Leute rein und
raus. Ich sass naemlich auf der Einstiegstreppe. Die Tuer blieb
offen. Die Fahrt war schoener als im Van, nicht so ne Raserei. Wir
brauchten 3 Stunden bis Kilinochchi. Zwischendurch einmal umsteigen.
Beim Warten dort kam ein Polizist zu mir. Ich musste sagen, was ich
hier mache und ihm meinen Pass zeigen. Den Brief der TRO, den er
sehen wollte, konnte ich ihm nicht zeigen, ich hatte keinen. Als ich
fragte, ob dass ein Problem ist, schaute er etwas grimmig, lies mich
aber doch gehen. Und auch in meinem Tamil eelam Pass schien ihm
etwas nicht zu passen. 15 Minuten spaeter waren wir in Kilinochchi,
wo ich mich dann auf die Socken, aeh Solen machte ins TRO Guest
house ging und den Nachmittag in Ruhe ausklingen lies.
Kilinochchi 1-9 Restaurant 15.01.06
19.30
Noch ein kurzer Rueckblick zur
Busfahrt: Denn es gibt da was, was ich sehr schoen fand. Der Bus war
ja recht vollgestopft. Und wenn dann ein Mann kam, oder eine Frau,
die ein Kind dabei hatten und stehen musten, dann nahm die
danebensitzende Frau oder Mann das Kind einfach auf den Schoss, ohne
ein Wort zu sagen. Das war selbstverstaendlich, dass sich um das
Kind gekuemmert wird. Und dann gab es da noch eine Sache, da war ich
ratlos. Vielleicht koennt ihr mir sagen, was ihr davon haltet, wenn
ihrs lest. (Das wuensche ich mir uebrigens auch von anderen Zeilen,
gebt mir einfach eure Meinung ab. Als Brief oder im Gespraech, ich
freue mich ueber jeden Brief). Ja, da waren 3 Bettler an einer
Haltestelle in Puttukudiyiruppu. Sie bettelten auch mich an und ich
hab ihnen nichts gegeben. Letztes Jahr waere dass noch undenkbar
gewesen und ich war recht erschrocken, welche zu sehen. Ich finde
halt, das Betteln ist so ne Nachahmersache, man bekommt relativ
schnell ein Tageseinkommen zusammen, und wenn andere arme Menschen
dass sehen, machen sie es vielleicht genauso um nicht arbeiten zu
muessen. Bin ich da zu hart? Ja bestimmt, aber ich mag meine Meinung
hier in Tamil eelam nicht aendern. In Colombo ist das was anderes
fuer mich, da haben die Touristen wohl das Land schon so “versaut”
(ist eine Behauptung von mir) mit Geldgeben an die Bettler, dass die
es wohl nicht mehr schaffen wuerden, sich selbst aufzuraffen. Um die
am Leben zu halten gebe ich gern einige Ruppees. Aber hier in Tamil
eelam? Ja, das ist meine Meinung. Im Moment sitz ich im 1-9
Restaurant. Hab grad gegessen, den besten Vegetable Reis, den es
gibt. Feiner Reis, knackig gekocht, mit Zwiebeln mit Stiel, gelbe
Rueben und Paprika, ganz wenig geduenstet. Und das gut abgeschmeckt,
ich schaetz mal nur mit Salz und Oel. Sehr gut. Also wer mal richtig
gut Reis essen will, der sollte entweder zum Asia Imbiss nach
Kitzingen beim City Video gehen, oder hierher nach Kilinochchi ins
1-9. Besser geht, find ich, gar nicht.
Kilinochchi TRO Guest House 15.01.06
21.00 Uhr
Mittlerweile bin ich wieder im House,
mir fiel grad noch ein, das ich noch sagen wollte, wieviel die
Busfahrt gekostet hat. Es waren 70 Ruppee=60 Cent fuer ca 70 km, das
geht doch. Gradeeben sitz ich bei einem Zwetschgersprite, mein
erster, seit ich hier bin. Trinktemperatur ca. 25Grad. Lecker. Und
nun werd ich noch weng in dem Buch “Nicht ohne Gottes Fuehrung, wie
finde ich den richtigen Partner” lesen. Brauch ich zwar hoffentlich
nicht mehr, da ich mit meiner Lieben zusammenbleiben will, aber
interresieren tun mich solche Buecher schon.
Kilinochchi, 16.01.06 18.30 Uhr,
Temperatur 29Grad, Luftfeuchte 88%
Wobei ich nun 23 Stunden und 55 Seiten
spaeter sagen muss, dass es doch sehr hilfreich fuer mich ist,
dieses Buch. Es geht darin naemlich auch um das Zusammenleben und
das Reifen in einer Beziehung. “Wuerden 30% mehr an Engagement und
Vernunft bei der Partnerwahl aufgewendet werden, dann wuerden sich
die Wartezimmer der Ehetherapeuden um 60% leeren” (Dr. Richard Wite).
Wenn ich jetzt anfangen wuerde, darueber zu schreiben, wuerde das
bestimmt ein paar Seiten fuellen. Aber vielleicht soviel dazu. Meine
Micha hat ja mein erstes Buch gelesen, bevor wir zusammen kamen.
Darin hab ich mich ja schon ueber Liebe und Verliebtsein ausgelassen
(ihr erinnert euch?). Sie meinte damals, das sie das damals ganz
schoen krass fand. Letztens haben wir uns darueber unterhalten. Nun
versteht sie mich wohl. Ich bin halt einfach immernoch der
Ueberzeugung, dass es wichtig ist, den Kopf kuehl zu behalten. Das
Verliebtsein ist ein Gefuehl, dass nachweislich von dem Hormon
Phenylaetylamin hervorgerufen wird. Dieses Verliebtsein wird
(meistens) vergehen, es sollte einer bestaendigen Liebe weichen.
(Aus dem Buch) Aber was ist Liebe? In dem Buch so
beschrieben:”Verliebtsein ist, wenn man mit einer Person zusammen
sein will, obwohl man sie nicht kennt. Liebe ist, wenn man mit einer
Person zusammen sein will, obwohl man sie kennt”. Der Heike hab ich
letztens geschrieben, wie ich das sehe, hier schreib ich’s nicht
rein. Paulo Coelhe schreibt, das Liebe nicht Geben oder Nehmen,
sondern Teilnahme bedeutet. usw. usw. Ich verstrick mich grad schon
wieder, dabei hab ich doch noch soviel anderes zu schreiben. Kommen
wir doch gleich mal zu Verbundenheit. Gleich wird die Manu wieder
lachen, wenn sie’s liesst und er Klaus weiss nicht warum, hihi. Ja,
Verbundenheit. Wisst ihr, was mich mit Sri Lanka am meisten
verbindet? Was wuerde euch da einfallen? Die Menschen, die Natur
oder etwa die Hitze oder das Meer? Ich werd’s euch sagen, nichts
dergleichen. Es sind meine verbundenen Fuesse, die Eiterstellen. Ja
genau, ich hab schon wieder eine Eiterstelle am Fuss, hab zuviel
gekratzt und jetzt geht immer Dreck rein. Und da ich ja versprochen
hab, dass ich besser auf mich aufpass diesmal, hab ich sie auch
schon verbunden (mit Malerkreppband) und vorher hab ich die Wunde
desinfiziert (mit Zwetschgenschnaps). Hab naemlich gemerkt, dass ich
ueberhaupt kein Verbandszeug mithab, dass hab ich total vergessen.
Aber nun muss ich endlich mal zu meinem Tagesablauf kommen. Nach dem
Aufstehen um 7.30 Uhr hab ich 2 Hemden gewaschen und Sachen
sortiert. Um halb 9 ging’s ins Office. Dort wiedermal warten, kenn
ich ja vom letzten Mal. Die schoene Receptionlady Priya sitzt nicht
mehr hinter der Reception, sie arbeitet jetzt in einem Buero,
schade. Nach einem Gespraech mit Mr. Lawrence, bei dem nix rauskam,
hab ich erst mal 2800 Euro Travelerchecks in der Bank of Ceylon
gewechselt. War wieder, wie im letzen Jahr, ein ganz schoener Akt.
Erst hat der Direktor gar nicht gefragt, wieviel es sind, und als
alle Checks unterschrieben waren und er fragte, wieviel es sind, da
fielen ihm fast die Augen raus. Hat auch ewig gedauert, aber am Ende
hab ich dann doch die Bank mit 340000 Ruppee verlassen. (Ein ca. 5cm
hoher Stapel) Bevor’s zurueck ins Office ging, war erstmal Vanni Net
Café angesagt. Eine Rundmail an alle meine Freunde und eine
Spezielle an Alexandra, die Internetseite fuer meinen diesjaerigen
Einsatz beginnen. Im Buero wieder warten. “Mr. Martin” ich schreckte
auf. Mr. Ravi stand vor mir, ich war eingedoest beim Lesen. Wir
gingen in ein Buero, dort uebergab ich den Stapel Geld von Gabriel
fuer die Kinderheime in Batticaloa und Barethy. Fotos wurden gemacht
und ich bekam die Quittung. Danach erlaeuterte ich nochmal mein
Anliegen, 6000 Euro anzubringen. Mr Ravi meinte, dass es am besten
ist, dass Geld fuer Reparaturarbeiten an den Uebergangshaeusern zu
verwenden, oder fuer die zukuenftigen Haeuser. Mr. Lawrence meinte
spaeter, besser fuer Kinderheime. Ich werde morgen einiges wechseln
und uebergeben. Sie werden mir dann sagen, wofuer es verwendet wird.
Es waere unsinnvoll, dass sie eine Entscheidung uebers Knie brechen.
Es soll wohl ueberlegt sein. Und ich finde es die beste Loesung, das
Geld gleich zu uebergeben, dann haben sie etwas Konkretes und
koennen damit arbeiten. Und am Beispiel von Gabriel hab ich ja
wiedermal gesehen, dass diese Menschen absolut vertrauenswuerdig
sind. Sie nehmen auch nicht einen Ruppee an, ohne dafuer eine
Quittung auszustellen. Nach diesem vielen Gerede und erklaeren rief
ich noch schnell bei Alexandra an und wollte dann Mr. Lawrence noch
schnell sagen, dass ich am naechsten Tag wiederkomm. Da sagte er,
ich soll mich setzen. Er erzaehlte, dass er an dem Ort war, wo ich
bauen soll. Dort sind noch die Bulldozer am planieren. Dann muss
erst noch vermessen werden, bevor ich dort anfangen kann. Was ich
bis dahin tun soll weiss er noch nicht. Also weiter abwarten. Das
Gespraech war zu Ende. Ich machte mich auf den Heimweg mit
Zwischenstop im Stoffgeschaeft und beim Schneider, der mir den zuvor
gekauften Saram zusammennaehte. Dann nach Hause, zu Fuss. In den
Wochen hier werden es wohl wieder 200-300 km werden.
Kilinochchi, 17.01.06 19.00 Uhr
Der Weg nach Hause ist hier gruselig,
wenn es dunkel ist. Es ist so richtig dunkel, wenn gerade kein Auto
oder Motorrad kommt. Ich pfeife, um von den Radfahrern (ohne Licht)
gehoert zu werden. Kuehe stehen am Wegrand, kaum zu sehen, sie
stehen einfach nur da. Im House dann duschen, Waesche waschen und
schreiben. Moecht mal wissen, wie dick dieses Tagebuch wird, ihr
wisst es schon, ich im Moment noch nicht. Ich weiss auch nicht, ob
es interresant fuer euch ist, aber ich bemuehe mich. Das Ehepaar,
dass auch hier wohnt kommt um 20.30 Uhr heim. Ich unterhalte mich
mit dem Mann bis 21.00 Uhr, dann wird der Notstromgenerator
ausgeschaltet und wir gehen schlafen. Am naechsten Morgen geht die
Unterhaltung weiter, bis wir vom Van abgeholt werden. Ich moechte
euch von der Unterhaltung erzaehlen: Wir haben verschiedene
Ansichten vom Leben. Er ist der Meinung, wir in Europa sollten immer
weiter auf Fortschritt setzen und unsere nachkommende Generation
dazu anhalten, auf immer besseren Standart hinzuarbeiten (bessere
Autos, Chance auf Urlaub, technische Neuerungen, …). Meine Konter
erklaert mit meinem Leben. Warum immer mehr, was haben wir davon,
wenn wir immer mehr arbeiten, um immer mehr zu verdienen, welchen
Wert hat es, mit einer Million auf der Bank zu sterben. Sterben
muessen wir alle. Und ich finde, dass sie in Sri Lanka ein besseres
Leben fuehren, als wir es tun. Sie muessen sich nicht abhetzen,
koennen ruhig in den Tag hineinleben, und sterben am Ende ebenso wie
wir. Er entgegnete, dass sie, wie wir auch, Sehnsucht nach den
Dingen haben, die sie im Fernseher sehen. Ist ja auch ganz
natuerlich, das Streben des Menschen nach mehr. Aber wo hoert das
auf, denn es gibt ja immer noch mehr. Umgedreht muss ich da an
meinen Onkel denken, als ich mal meinte, wir muessen bei uns in
Deutschland in der Entwicklung rueckwaerts gehen, um voranzukommen.
Er meinte dazu, wie weit dass dann gehen soll, sollen wir im
Mittelalter oder in der Steinzeit aufhoeren. (Man bedenke, dass es
beim Begriff Steinzeit die Alt- und die Jungsteinzeit gab). Kinder,
helft mir, wieviele Jahrhunderte liegen dazwischen? Und da waeren
wir schon wieder bei meiner Argumentation. Jahrtausende lang ging
die Entwicklung ganz langsam, aber stetig voran. Erst in den letzten
100-300 Jahren explodierte diese Entwicklung (Anzahl der
Erdenbuerger und Fortschritt der Technik. Im Deutschen Museum in
Muenchen sehr gut dargestellt). Die Welt geriet aus dem Ruder, find
ich. Es dauerte Jahrhunderte, um kleine Entwicklungsschritte zu
gehen, heute braucht man von der Erfindung des Telefons bis zum
modernsten Handy gerade mal, lasst mich raten, 100 Jahre?! Da haette
man ja in der Steinzeit vom Schabestein, der als Messer nutzbar war
bis zur Erfindung des besten Schweizer Taschenmessers gerade mal 1
Jahr brauchen duerfen (um die Geschwindigkeiten mal etwas zu
veranschaulichen). So verueckt finde ich dass. Und weiterhin, zu
meinem Nachteil diskutiert, hat unsere moderne Entwicklung doch
viele gute Seiten, Medizinkentnisse, Lebensstandart, Erleichterung
koerperlicher Arbeit,… (Kurzer Ausschweif: Heute haben wir auf der
Strasse beinahe einen suessen kleinen Hund ueberfahren, ein anderer
TRO Fahrer hat ihn dann mit hierher gebracht, da er anscheinend
herrenlos war. Gerade ist der Kochgay raus auf die Strasse, der
kleine Hund hat gequiekt und ist dann durchs Tor hinterher, haelt
ihn wohl fuer die Mama. Gerade kommen sie wieder, der Kleine trollt
hinter dem Gay her, sues). Zurueck zum Thema: Also ich will sie ja
nicht ganz verteufeln, unsere Moderne, ich nutz ja auch das
Internet, und ne Digicam. Aber das wir innerhalb von ca 200 Jahren
die fossilen Energien, die Millionen von Jahren gebraucht haben um
zu entstehen, verbraucht haben, dass gibt doch zu denken. Ja, es ist
so ein hin und her, mit der Entwicklung, haetten meine Eltern nicht
so viel gearbeitet, dann waere ich jetzt nicht hier in Sri Lanka,
weil ich das Geld nicht haette. Aber haette ich es dann nicht
ruhiger? Dann koennte ich nun bei meiner kleinen Familie sein. Aber
haette ich mein Maedel als Freundin, wenn meine Eltern mich schon
viel frueher daheim gebraucht haetten? Dann haett ich vielleicht nie
in der Lebenshilfe gearbeitet und sie nicht dort kennengelernt. Es
ist ein hin und her. Jeder muss ganz einfach fuer sich entscheiden,
was richtig fuer ihn ist. Wir sollten dabei nur nicht vergessen, das
noch mehr Generationen nach uns hier leben wollen.
“Bevor er eine wichtige Entscheidung
trifft, einen Krieg erklaert, sich mit seinen Gefaehrten auf eine
andere Ebene begibt, ein Feld aussucht, auf dem er saeht-, fragt
sich der Krieger des Lichts: “Welche Auswirkungen wird dies auf die
fuenfte Generation meiner Nachfahren haben?” Ein Krieger weiss, dass
die Taten eines jeden Menschen lange wirken, und muss daher wissen,
welche Welt er seiner fuenften Generation hinterlaesst.”
Dieses Sprichwort passt doch hier wie
die Faust aufs Auge. Moegt ihr mal darueber nachdenken? Dieses Thema
koennte ich nun bis ins unendliche weiterspinnen, aber ich denke, es
ist genug, es gibt schliesslich noch mehr zu erzaehlen und wer sich
Gedanken machen will, der kann das zur Genuege. Nur eins noch: Jeder
Mensch muss das fuer sich selbst entscheiden und sich am Ende seines
Lebens dafuer vor Gott verantworten, wie er leben will, und andere
(wir) haben nicht das Recht Menschen zu be-, noch zu verurteilen,
wenn sie anders, und damit ihr Leben leben, denn dass steht nur
unserem allmaechtigen Gott zu. Wie ging dieser Tag den weiter. Also,
um halb 9 gings ins Office. Ne, erst Geldwechseln, weitere 4000 Euro
an Travelerchecks in der Bank of Ceylon in Kilinochchi. Der
Bankangestellte hat nicht schlecht gestaunt und brauchte erst eine
Erlaubnis des Headoffice. Bekam er, und waehrend ich wieder
eineinhalb Stunden wartete, hab ich mit ihm und den anderen
Angestellten mein Tagebuch 2005 und mein Album angeschaut. Er war
hocherfreut und meinte, dass ich das naechste mal meine Freundin
mitbringen soll. Also Micha! Du hoerst selbst. Mit insgesamt 700000
Ruppee (5700 Euro) in der Tasche gings ins TRO Office, (irgendwie
sind es 100000 mehr geworden, als geplant, weis auch nicht, wie das
kommt). Mr. Thurairaja hat nicht schlecht gestaunt und war
natuerlich hoch erfreut. Das Geld wird fuer Reparaturen an
Ueberganshaeusern und fuer den Bau von neuen Haeusern verwendet. Ich
werde noch ein Feedback bekommen, da bin ich mir sicher, ich werds
euch erzaehlen. Als naechstes war dann die Uebergabe der Blutzucker-
und Blutdruckmessgeraete und der Astmamedikamente an der Reihe. Mit
Mr Thurairaja fuhr ich in ein Altersheim in Kilinochchi. Dort gibt
es viele Diabetespatienten und auch 7 Menschen mit Astma. Schade,
dass ich nur einem Astmapatienten helfen kann. Aber wenigstens die
Zuckerpatienten sind versorgt. In Colombo werd ich noch Zubehoer
kaufen, wenn ich das naechste mal dort bin. Der Nachmittag war recht
langweilig, die ganze Zeit in der Guest Louge sitzen und warten.
Obwohl, langweilig kann man nicht sagen, eher geruhsam. Gut zum
Kraeftesammeln und fuer meinen eiternden Fuss, der immer besser
wird. Ausserdem lerne ich so ein wenig Englisch (lese Woerter im
Woerterbuch). Eigentlich wollte ich ja mit Mr Lawrence sprechen,
aber als er um halb 6 immer noch nicht mit seinem Meeting fertig
war, bin ich gegangen, nach so nem langen Meeting hat der Kerl eh
genug zu denken. Bin in ein Stoffgeschaeft gegangen, Stoff fuer eine
Hose kaufen, und dann zum Schneider, der mir nun eine Hose nach dem
Schnitt meiner Arbeitshose schneidert. Ein T-Shirt, wie ich es
wollte, hab ich nicht bekommen, aber die Bettlacken haben mir sehr
gut gefallen, das gibt bestimmt schoene T-Shirts. Hab gleich eins
gekauft.
Colombo, 18.01.06 23.30 Uhr
Nun war es aber Zeit nach Hause zu
gehen, es war schon 19 Uhr. Im House dann wieder duschen und
Tagebuchschreiben. Zwischendurch was essen. 21 Uhr Bettzeit. 7.30
Uhr Aufstehen. Fruehstueck, halb 9 abgeholt worden, ins Office. Mr
Lawrence noch nicht da, also wieder auf den Weg zum Schneider
gemacht (2km), ihm das Bettlacken und mein Afrikahemd uebergeben, er
macht nun aus dem Stoff ein Abbild dieses Hemdes, nur ohne Aermel.
Bin gespannt wie es wird. Wieder ins Office, Lawrence zwar da, aber
nun in einer Besprechung, also hab ich mich wieder brav in die Guest
Lounge gesetzt und gewartet. Hab alle meine 20 Kuvere mit
Briefmarken beklebt und dann einen Brief ans Wohnheim geschrieben
und einen an Micha angefangen. Eine Frau kam herein. Sie fragte,
warum ich so lange warte. “Weil Mr Lawrence Besprechung hat.” “Er
ist schon gar nicht mehr da” war ihre Antwort. Hat der Kerl mich
doch einfach sitzenlassen. Nach einer weiteren Unterredung mit ihr
und dem Mann, der mit im House wohnt stand dann der Entschluss fest,
dass ich erst mal nach Colombo zurueckfahr, (es faehrt eh ein Van)
und mein Visa verlaenger und meine Sachen dort erledige, und dann
wieder nach Kilinochchi fahre und hoffe, dass ich dann direkt in
Mallawi (dort sollen die Haeuser fuer die Fluechtlinge gebaut
werden) anfangen kann. Ein ganz schoenes hin und her, also Sachen
gepackt und nach Colombo. Bis zur Grenze ging alles gut, dort
stellten die Grenzer fest, das der Tamilpass, den ich hatte gar
nicht meiner ist, sondern der von der Frau, die hochwaerts nach
Kilinochchi mit im Van sass. Darauf hatte mich also damals auch der
Polizist hingewiesen, der mich bei meiner Busfahrt von Mullaittivu
nach Kilinochchi kontrolliert hat. Es gab eine hin und herfunkerei,
bis wir dann doch weiterfahren durften. Die weitere Fahrt war recht
geruhsam, ich lass mein Buch “Der Hof am Strom” und wurde dabei auch
nur 2 mal unterbrochen, als wir von Armeeposten ueberprueft wurden.
Die haben ihre Kontrollen ganz schoen verschaerft. Der eine TRO
Arbeiter meinte, ich soll auf keinen Fall sagen, dass wir aus
Kilinochchi kommen, sonst haben wir grosse Probleme. Also gaben wir
vor, von Jaffna zu kommen.
Colombo, TRO Office 20.01.06
So kommen wir dann ganz gut durch, bis
wir um 22.00 Uhr Colombo erreichen. Uebernachten tun wir wieder im
TRO House, aber erst, muessen wir im Office den Schluessel holen.
Diese Gelegenheit ist gut um mein Schaetzle anzurufen, denn sie hat
schon lange nix mehr von mir gehoert. Es geht ihr gut, sie ist nur
muede vom Arbeiten. Ein wenig vermisst sie mich, ich sie auch. Ich
erzaehle ihr meine Erlebnisse. Nach dem Auflegen denke ich mir
immer, ich lass ihr zu wenig Zeit zum reden, denk ich zuviel an
mich? Ich hoffe sie fuehlt dass nicht so, ich kann halt grad nicht
richtig zuhoeren, dafuer ist zuviel in meinem Kopf. Deshalb finde
ich es auch so wichtig, dass sie mir bald Briefe schreiben kann,
dann wird es besser, beim Schreiben hat man mehr Zeit um den Wert,
der vermittelt werden soll in die Worte zu legen. Nach einer
unruhigen Nacht (ich konnte wiedermal nicht schlafen) machte ich
mich auf den Weg, es gab viel zu erledigen. Zuerst Visaoffice, zu
Fuss, ca. 3 km. Dort sagte mir ein TucTuc Fahrer, dass es verlegt
wurde. Also woanders hin. Handelte mit ihm aus, dass er mich fuer
250 Ruppee hinfaehrt. Beim Visaverlaengern sprach mich ein Mann an,
Oesterreicher. Wir kamen ins Gespraech und so erfuhr ich, dass er
hier als Buddistischer Moench war und nun eine Organisation hat, die
auch den Tsunamigeschaedigten hilft. Und sie suchen noch Projekte,
da sie einen Spendenueberschuss haben. Wir sind mit verlaengern
fertig und gehen hinaus zu ihrem Auto, ich zeige meine Bilder vom
letzten Jahr und unsere Unterhaltung ist lebhaft. Er und eine
Freundin wollen mehr ueber den Norden Sri Lankas wissen und ueber
die TRO. “Geht einfach auch mal ins Office in Colombo, die fahren
euch auch rauf nach Kilinochchi, wenn ihr wollt.” Sag ich. Im Sueden
schaut es ganz anders aus, meinen sie, da geht alles schleppend und
es braeuchte auch eine Organisation, die alles steuert. Wir tauschen
Visitenkarten, und verabschieden uns. Ich bummel weiter durch die
Stadt, und im naechsten Internetcafe schau ich mir seine Web Seite
an. Poa, dass ist ein Mann. Er hat ein Buch geschrieben,
Interresant. Solltet ihr euch auch mal anschaun.
www.sinple-wisdom.net Eine Mail an Bahi, einen jungen
Tamilen aus Deutschland ist faellig, er gibt meine Berichte von hier
an die Medien weiter. Vorher war ich auf der Tamilpress Seite.
www.tamilpress.com Sieht schlecht aus im Moment, und
wenn ein gewisser Eric Solheim von der Norwegischen Friedensmission
SLMM es nicht schafft, am 23 Januar bei einem Trefen der LTTE und
der Regierung von Sri Lanka die beiden dazu zubringen sich ein klein
wenig zu einigen, dann ist der Krieg wohl da. Es sind im Moment
immer wieder Uebergriffe der Regierungstruppen auf Zivilisten der
Tamilen, und Attentate der Tamil Tigers und der Sri Lankan Armee. So
ein Shit, da bleiben uns vielleicht nur noch 3 Tage, bis die Gewalt
eskaliert. Und was dann? Was muss ich dann tun? Will es gar nicht
wissen, wird Zeit, dass ich in den Norden komm. An Bahi schrieb ich
dann, er soll sich mal umtun, ob ich irgendwas ausrichten kann, um
den Frieden ein wenig zu sichern. Danach, als ich wieder auf der
Strasse war, kam mir eine verrueckte Idee, ich muesste an den
Solheim rankommen, er soll erklaaeren, wenn sie Frieden bewahren,
werde ich von Jaffna bis ganz in den Sueden laufen, und zwar barfuss
mit Gepaeck, die ca. ich schaetz mal 600 Km . Ein Laufen fuer den
Frieden, das waers doch. Ist eine verrueckte Idee, ich weiss, aber?
Wuerde es helfen, ich wuerde es machen. Nach einem langen Gang ins
TRO Office zum telefonieren, zu einem Saramgeschaeft, und zum
Geldabheben bin ich nach Haus gegangen. Insgesamt waren das an dem
Tag bestimmt 20 Kilometer Fussmarsch. Abends hatte ich dann noch
gute Unterhaltung mit dem Tamilen Ratschgoba, der auch im House
untergebracht ist und hab meinen Brief an Micha weitergeschrieben,
der will diesmal gar nicht enden.
Colombo House, 20.01.06 23.00 Uhr
Ist ja auch gut, schreiben kann man
nie genug. Er wurde an dem Abend wieder nicht fertig, weil ich zu
muede war. Auch Tagebuchschreiben hab ich nicht geschaft, das muste
bis zum naechsten Morgen warten. Und an dem hab ich doch gleich
beinahe verschlafen. Wir, Ratschgoba und ich, wollten um 8 los, um
ins Office zu laufen. Um 5vor 8 weckte er mich, so dass wir um 8
loskonnten. Was dann folgte, war ein sehr langer Tag. Im Moment bin
ich in meinem handschriftlichen Tagebuch auf Seite 59. 44 davon hab
ich waehrend des Tages in den Computer gehaemmert, das entspricht 13
Computerschriftlichen Seiten in Arial, Schriftgroesse 12. Von frueh
um 9 bis abends um halb 8. Unterbrochen nur durch 15 Minuten
Mittagspause und 5 Minuten WC. Mit dem Mann, am anderen Schreibtisch
hab ich mich immer mal kurz unterhalten, ueber meine Arbeit hier,
ueber den Konflikt, ueber TRO, LTTE und Regierungsarmeen. In vier
Tagen koennte es wieder losgehen, wenn die Verhandlungen des Eric
Solheim scheitern. Und hier ist es, wie auch im Vanniland, Keiner
scheint richtige Angst zu haben. Sie sind alle sehr in Sorge, aber
Angst scheint nicht da zu sein, als waer der Krieg dann irgendwo
anders. Als der Tag vorueber war, kam Ratschgoba ins Office und
wunderte sich, dass ich noch da bin. Ich machte Schluss und wir
fuhren zusammen ins House, aber erst nachdem ich die restlichen
30000 Ruppee von meinem Konto in meiner Tasche hatte. Jetzt ist es
leer, das Spendenkonto, nun zaehl ich auf euch, dass noch was
zusammenkommt. Arginan, einer vom Office hat mir erzaehlt, dass
eines der Haeuser fuer die Fluechtlinge ungefaehr 100000 Ruppee
kosten soll, also 800 Euro. Waehrend unserer Unterhaltung beim
Abendessen kam mir der Einfall, dass ich euch noch was erzaehlen
muss. Wer weis, was “surname” (englisch) auf Deutsch heist? Es steht
auf jedem Visazettel. Ich hab immer meinen Vornamen reingeschrieben,
weil ich mir sicher war, dass es so gehoert. Seit gestern weiss ich,
dass ist gar nicht so, es ist der Nachname. Jetzt mach ich es erst
recht so und schreib meinen Vornamen rein, dann haben es die
Menschen einfacher, wenn sie mich Mr. Marin rufen koennen. Ist
einfacher auszusprechen. Und gestoert hat es auch noch keinen. Und
noch was, falls jemand mal auf die Idee kommt ins Ausland zu reisen,
Auf diesen Einreisezetteln steht immer soviel zum Ausfuellen drauf.
Letztes Jahr hab ich mich da abgetan und im Woerterbuch gesucht. Und
manchmal doch nix gefunden. Heuer hab ich einfach nur die Haelfte
ausgefuellt, als Aufenthaltsort Herumreisen (Travel around)
angegeben und beim Zurueckgeben entschuldigend laechelnd gesagt:
“Sorry, aber ich versteh den Rest nicht, koennen sie mir helfen.”
Und siehe da, sie wollten nicht mehr wissen. Und bei den
Armeecheckpoints weng interresiert getan, und ein schlechtes
Englisch ausgepackt, und bei schwierigen Woertern fragen: “Can you
explain that word please” ( “koennen sie mir das Wort bitte
erklaeren”), oder “An easier English please” (“Bitte sprechen sie
ein einfacheres Englisch”). Das hat mir bis jetzt schon oft
geholfen. Die Australierin Kate vom letzten Kilinochchitrip hat
sogar gesagt:”Martin, I Love your bad English” (“Martin, ich liebe
dein schlechtes Englisch”). Ich wurde halt einfach nicht ausgefragt.
Ach ja, noch was zum Office, da hab ich heute erfahren, dass Julia,
eine, die ich letztes Jahr hier im Colombooffice und Guest House
getroffen hab, sehr lange Zeit ein Bild von mir auf ihrem
Schreibtisch stehen gehabt hat, “Ich mit Werkzeug und
Petroleumlampe”. Zu der Frau, die mir das heute gesagt hat, hat sie
damals gesagt, als diese sie fragte, wer das sei:”Das ist Martin aus
Deutschland, er kam hierher, sprach kaum Englisch, und sagte, er
will helfen wiederaufzubauen. Er hat einfach angefangen und auch
dort bei den Menschen gelebt. Er ist ein grossartiger Mensch”.
Klasse oder? Das war sooo schoen gesagt. Ist schon komisch, so seh
ich mich immer gar nicht, ich sehe mich oft mehr als den kleinen,
der zu den anderen aufschaut, und andere fuer grossartig haelt (Das
hab ich damals uebrigens auch von der Julia gedacht). Gerade hier
sind so viele Menschen, die viel mehr machen als ich, da bin ich so
ein kleines Licht, was mach ich den schon, ich helf ein wenig bauen
und hab weng Geld gesammelt. Andere organieiern den Aufbau des
ganzen Landes hier oder leiten eine Friedensmission, damit der Krieg
verhindert wird, das sind grossartige Menschen, vor denen ich meinen
Hut ziehe. Da steh ich mit meinem kleinen Einmaleins recht arm da.
Ich kann nur meinen kleinen Teil beitragen. “
Ich weiss, dass unsere Arbeit nicht
mehr ist, als ein Tropfen auf den heissen Stein, aber in ein
Menschenleben passt vielleicht nicht mehr hinein, als ein Tropfen.
Und, wenn jeder seinen Tropfen dazu gibt, kann sich viel
veraendern.” Ruth Pfau
Und die Frau Metzger hat mir einmal
noch dazugesagt:” Aber stetter Tropfen hoelt den Stein”
Kilinochchi, 21.01.06 19.00 Uhr
Orts und Themawechsel. Bin voll froh,
wieder in Vanni zu sein, vor allem, nachdem wir heute ueberfallen
worden sind und sie uns unser Auto “geklaut” haben. Und das kam so.
In der Nacht gings wieder nach Kilinochchi. 3 Uhr ausgemacht, um
viertel vor 4 gefahren, also sozusagen puenktlich. In der
Zwischenzeit hab ich am Fussboden an der Haustuer weitergeschlafen.
Dann los. Zuerst alles gut, wir waren zu sechst im Auto, Eine
Familie, Tamilen aus Australien, (Vater, Mutter, 17jaehrige Tochter)
Ratschgoba, der Fahrer, der uns auch schon nach Colombo gebracht hat
(sehr netter, ca. 50 Jahre alter Mann) und ich. Wir wurden 2 mal
kontrolliert, (ich hatte extra meine dreckigen Klamotten oben im
Rucksack, damit sie nicht so genau schauen und um sie ein wenig zu
aergern). In Vavuniya hielten wir dann wieder an einem Checkpoint.
Der Fahrer stieg aus. Und schon, als er noch beim Aussteigen war,
kamen 6 Maenner zu ihm und schnappten seinen Arm und den Schluessel.
Schock, mein Magen krampfte ein wenig. Ich rief die Armee zur Hilfe,
die standen ja direkt hinter dem Van, aber die interressierte das
gar nicht. Hatte schon gedacht, das die mit den Raeubern unter einer
Decke stecken, sonst wuerden diese Gauner sich das gar nicht trauen.
Und im letzten Jahr hab ich ja von den Uebergriffen der Armeetruppen
auf Hilfstransporte gehoert. Nun war ich also mitten drin. Einer der
Jungs hielt mir ein Papier hin und meinte, sie sind von der
Leasingkompanie und die Leasingraten waeren nicht bezahlt. Ich
glaubte ihm kein Wort und fragte ihn auch immer wieder und sagte,
dass ich es nicht verstehe, er muss ein einfacheres Englisch
sprechen. (Dies in etwas lauterer und energischer Sprache, als ich
sonst rede). Ich sagte auch, dass wir hier ne Reise machen, und was
dass soll, dass sie Touristen so behandeln. Dieses Wortgefaecht
dauerte ca 5 Minuten. Dann, nachdem sie auch mit Ratschgoba geredet
hatten, wurde unser Fahrer in ihren Van gebracht und wir wurden von
einem von ihnen gefahren. Ca. 5 Minuten spaeter hielten wir in der
Innenstadt von Vavuniya und Ratschgoba und einer der “Diebe”
telefonierten fleissig mit dem Handy. 10 Minuten spaeter gingen
Ratschgoba, einer der Maenner und unser Fahrer weg, wir anderen
sassen im Van, beobachtet von den Maennern und von einem
Armeesoldaten, der draussen so da rum stand mit seiner Waffe. Der
Vater der Familie und ich versuchten den Leuten immerzu was zu
entlocken, aber sie sprachen nur singalesisch. Die Tochter meinte,
ich solle mal deutsch reden, hab ich dann auch im energischen Ton
gemacht und einer der Kerle, der vor der Tuer stand hat die Ohren
gespitzt. Alles ohne Erfolg. Da nahm ich mein Buch, legte die Fuesse
hoch auf den mittleren vorderen Sitz, damit die Gangster, die vorn
sassen sie direkt vor dem Gesicht hatten, und lass weiter von den
Eichbauern am Hof am Strom. 20 Minuten dauerte es, bis die anderen
zurueckkamen, sie waren bei der Polizei und haben telefoniert und
das Schreiben kopiert, dass die Kerle uns vorgehalten haben. Was war
hier los, waren die wirklich Jaeger dieser Leasingkompanie, die
Autos aus dem Verkehr ziehen, die nicht abbezahlt sind, oder waren
sie ganz linke Verbrecher, die mit der Polizei/Armee unter einer
Decke stecken. Es sollen ja immer wieder Tamilen ueberfallen werden,
aber da wuerden sie doch kuerzeren Prozess machen. Es war uebrigens
extremes Armeeaufgebot hier in Vavuniya, moecht grad nicht mal
begraben sein hier, scheint extrem zu krieseln. Wir wurden dann
weiter gefahren, nur 5 Minuten. In die Innerstadt. Dort wurden wir
abgesetzt, sie haben uns all unser Gepaeck auf den Gehsteig gestellt
und sind mit unserem Auto einfach abgehauen. Ratschgoba hat mir
erklaert, dass das alles seine Ordnung zu haben scheint, und sie
wirklich von dieser Kompanie sind. Wenn Autos nicht bezahlt sind,
duerfen die sie einfach mitnehmen. (spaeter hab ich den Zettel mal
gelesen, den sie uns zeigten). Es muessen 4 Millionen Ruppee (30000
Euro) bezahlt werden, und dass innerhalb von 14 Tagen. Was sonst
geschieht, hab ich nicht mehr gelesen. Ja, auf jeden Fall standen
wir dann da auf dem Gehsteig. Die Frauen sind was essen gegangen,
der Vater war verschwunden, und Ratschgoba hat versucht, nen anderen
Van zu bekommen. 5 Minuten spaeter hatten wir auch schon einen, der
bereit war, uns ueber die Grenze bis nach Kilinochchi zu fahren.
Also weiter ging die Reise, mit einer furchtbaren Wut im Bauch, und
mit unserem alten Fahrer neben mir, der fast geheult hat, was ja
verstaendlich ist. Hab in zwischendurch mal gedrueckt und ihm
angedeutet, dass ich fuer ihn bete, das alles gut wird. Moechte grad
nicht in seiner Haut stecken, wenn er seinem Chef dann sagen muss,
dass das Auto weg ist. Hab mir auch erklaeren lassen, wie dass hier
in Sri Lanka ablaeuft: Der Besitzer (Leaser) des Wagens zahlt das
Geld an einen Makler, der wiederum das Geld an den Eigentuemer
(Leasingkompanie) weitergeben muss, was er in unserem Fall wohl
nicht gemacht hat. Kommt wohl oefter vor hier, und wenn ich so
drueber nachdenk, erinnert ihr euch an den Skandal, wo diese
Hausmeisterfirma in Deutschland die Wassergelder ihrer Klienten zwar
kassiert, aber nicht an das Versorgungsunternehmen weitergegeben
hat? Oder war es mit Strom? Egal, auf jeden Fall gibts das in
Deutschland auch. An der Grenze war ich immernoch angesaeuert, hab
aber versucht, den Grenzern gegenueber freundlich zu sein, den die
koennen ja nix fuer die andern. Auf der singalesischen Seite ging es
schnell, auf der tamilischen hatten wir wieder Probleme. Wir hatten
einen Laserdrucker dabei, den wollten sie uns erst nicht mitnehmen
lassen. Ist schon komisch, Diese LTTE Grenzer machen der TRO das
Arbeiten sogar weng schwer, anstatt ihren Landsleuten zu helfen. Das
versteh wer will, ich nicht. Ich selbst hatte ja noch den Pass der
Australierin Kate, der vertauscht war. Der Grenzer hat mich noch
gekannt und ich hab ihm den Pass und meinen Reisepass hingelegt, er
hat nix gemerkt und wollte mich gerade gehen lassen, als Ratschgoba,
der gerade kam ihn aufzuklaeren begann. Mist, dass haett er doch
nicht tun sollen. Aber der Grenzer war nett und hat es doch
durchgehen lassen, mit der Auflage, dass Kate die Naechste ist, die
den Pass in die Hand bekommt. Bei der Gepaeckkontrolle war dann der
Aufstand mit dem Drucker, wie eben erwaehnt. Ich hab mich auf den
Durchsuchungstisch gesetzt. Mir wurde dann gleich ein Stuhl
angeboten. “Nein, ist ganz kompfortabel so” meinte ich. “Ich leg
mich jetzt hin (auf den Tisch) und oeffne mein Hemd, dann koennen
die Maedels durchsuchen, ob alles korrekt ist, wie sie es bei den
Taschen machen”. Allgemeines Gelaechter und ein Grinsen der Maedels
( die Maedels, die die Taschen durchsuchen sind alle so um die 17).
Sie fragten mich, ob ich Tamil sprech und ich durfte wieder meine
paar Brocken Tamil auspacken. Auch da waren sie sehr erfreut. Ab da
war meine schlechte Laune wieder verflogen, ich war wieder da,
zurueck in Tamil eelam, in Sicherheit, weg von den Regierungsarmeen.
Ich fange immer mehr an zu verstehen, warum so viele Tamilen hierher
fluechten. Wenn es sogar mir ungehaglich zumute ist bei soviel
Millitaerpraesents. Dass muss der Horror sein, immer diese
bewaffneten Soldaten um sich rum zu haben, wo man nie sicher sein
kann, ob sie einen nicht im naechsten Augenblick drangsalieren oder
ueber den Haufen schiessen. Mittlerweile gings uebrigens auch meinem
Magen wieder besser, nachdem ich am Morgen unter Bauchschmerzen und
Schweissausbruechen gelitten hab. Fragt ihr euch: “Was hat er den
diesmal wieder gemacht”? Nein, ich habe mein Essen nicht mit einer
Katze geteilt, auch nicht mit einer Ratte, aber ich hab aus lauter
Durst in der Nacht 2 Glaeser Wasser aus der Wasserleitung in Colombo
getrunken. Nicht nachmachen bitte, ich habs nicht geglaubt, nun
weiss ich, dass es nicht vertraeglich ist. In Kilinochchi sind wir
zu unseren Unterkuenften gebracht worden, beim einen Schneider war
meine Hose fertig, nur etwas zu weit fuer meinen Geschmack. Der
andere Schneider hatte mein Hemd noch nicht mal angefangen. In einem
Stoffgeschaeft erstand ich noch einen Sari fuer Margot und Stoff
fuer 2 weitere Arbeitshosen fuer mich. Dann noch eine Fahrradklingel
und dann gings heim. Zu Ratschgoba moecht ich noch was sagen, wir
haben uns am Vorabend noch lange unterhalten. Er ist 57 Jahre alt.
1984 ist er mit seiner Frau und 7,6 und 2 Jahre alten Kindern ueber
Ost- und Westdeutschland nach Frankreich zu seiner Schwester
geflohen (Buergerkrieg) Nach 8 Jahren, 1993 ging die Reise weiter
nach England. Alle 3 Kinder haben s+tudiert, was ihn viel Geld
gekostet hat. Nun haben sie gutbezahlte Jobs. Seine Frau arbeitet
auch. Seit 3 Jahren arbeitet er nun mindestens die Haelfte des
Jahres in Sri Lanka fur die TRO, waehrend seine Frau in England
verweilt. Seine ganze Arbeit fuer die TRO ist kostenlos. Aehnlich
wie bei “My Chelva”. Und sie sind nur 2 von vielen, die ihre
Arbeitskraft und vor allem ihr Wissen der TRO kostenlos zur
Verfuegung stellen, um ihr Land wieder aufzubauen und
voranzubringen. Deshalb ist diese Organisation auch so
schlagkraeftig. Sie vereint dass Wissen aus Deutschland, Australien,
Amerika, England, Schweiz, Frankreich, … von dort ueberall kommen
die Fluechtlingstamilen zurueck, um ihrer Heimatverbundenheit und
dem Nationalstolz Ausdruck zu verleihen, indem sie ihr Land wieder
versuchen aufzubauen. Und dann ist da noch der grosse Vorteil der
Autonomie, es legt ihnen keine Regierung Steine durch Regeln in den
Weg.
Kilinochchi House, 22.01.06 19 Uhr
Diesmal gibt es nicht viel zu
schreiben. Frueh aufgestanden, Um 10 Uhr ins Office, den ganzen Tag
Tagebuch abgetippt, danach die Fehler verbessert, weil diese
verflixten Computer immer selbst in Englisch verbessern und das dann
fuer mich erst recht falsch ist. Senden des Tagebuches an Alexandra
und auch an Sybille, mit der Bitte, ob sie mir die vielen ae, oe,
ue, ss aendert, weil es hier keine auf der Tastatur gibt. Beim
Tschuessagen hab ich gestaunt, Susi und Mr. Lawrence waren auch da.
Noch kurz geredet und ab nach Hause zum duschen, Essen, Schreiben,
Buchlesen. Jetzt ist das Buch: “Tee mit dem Teufel, als deutscher
Millitaerarzt in Afganistan” dran.
Pallai, 23.01.06 16 Uhr
Oder auch nicht, es gab Abendessen und
danach wurde, heute schon um 8, der Generator abgeschaltet, und da
ich so saumuede war, hab ich auch gleich geschlafen bis zum
naechsten morgen um 8. Fruehstueck und zum Schneider, der mein Hemd
machen soll. Er hat mir versprochen, dass es am Abend fertig ist,
und auch das andere, dass er nun machen soll, aus dem Stoff eines
Batiksarams. Dann ins Office, Mr Lawrence sagte mir, dass ich nach
Mallawie
Killinochchi House, 23.01.06 21 Uhr
…Mallawie gefahren werde, er wird es
organisieren. Und nach 20 Minuten Wartezeit ging es auch schon los.
Zuerst nach Pallai, dort sollte ich warten, mein Van fuhr weiter,
sie sagten, das die hier ein Auto organisieren. In Pallai werden die
Fluechtlinge aufgefangen. Pallai liegt ca 3 km vor der Grenze zu
Jaffna. Die TRO sammelt die Menschen, die von Jaffna her fliehen in
Mukamalai am Checkpoint auf und bringt sie mit Bussen und ihre
Habseeligkeiten mit Lkw nach Pallai. Dort werden sie eingetragen in
Listen, und auch der Ort, wo sie hin wollen. Wer kann, faehrt von
dort aus mit dem Bus weiter, andere die zuviel Gepaeck haben, werden
mit Lkw’s zu den Orten gebracht, wo sie dann wohnen sollen. Viele
kommen auch bei Verwandten unter. Ein tamilisches Maedel aus
Australien hat mir gesagt, heute sind ca 200 Menschen hier
angekommen. Ich selbst hab in Pallai gewartet, von frueh um 10 bis
mittag um 4. Zwischendurch hab ich geholfen, die Lkw’s ab- bzw.
aufzuladen. Meiner Bitte, mit dem Lkw mitfahren zu duerfen, der nach
Mullaittivu, Puddukuddijiruppu und dann nach Kilinochchi faehrt,
sind sie nicht nachgekommen, und nach Mallawie bin ich auch wieder
nicht gekommen. Um 4 Uhr kam dann das Australische Maedel mit dem
Jeep an. Wir unterhielten uns kurz, und dann fuhr ich mit ihr und
noch 5 anderen Maedels mit. Was dann folgte hab ich in meinen
mittlerweile 3 Monaten Sri Lanka noch nicht mitmachen muessen. Eine
Hoellenfahrt. Ein extrem schlimmer, kilometerlanger Feldweg und der
Fahrer ein Spinner. Der raste und raste, wir hinten im Wagen wurden
hin- und hergeschuettelt. Irgendwann waren wir dann am Ziel, wo die
Maedels wohnten, die mit dabei waren. Es war ein Tsunami temurery
Shelter (Ein Camp mit Uebergangshaeusern. Ich denk wir waren in
Chundikkulam oder Chalai). Die Maedels stiegen aus und nach einem
Tee gings weiter, oder besser gesagt zurueck. Wir mussten die ganze
Strecke wieder zurueckfahren bis Pallai und dann nach Kilinochchi.
In Pallai hab ich uebrigens die beiden ersten echten Detonationen
gehoert. Ein TRO Gay meinte, das sind Uebungen, ich glaub aber eher,
das sind echte Detonationen. Im Office Kilinochchi angekommen hab
ich mich kann auf den Heimweg gemacht, beim Schneider noch mein
neues Shirt abgeholt, (eins war nur fertig) und den Rest des Weges
bestritten. Vorher hatte ich auch noch im Telefoncenter mit Micha ne
halbe Stunde telefoniert. Unser Ofen daheim hat schon wieder
gequalmt, jetzt haben sie ihn vom Wohnzimmer in den Flur gestellt.
Ansonsten scheint alles ruhig in Deutschland zu sein..
Kilinochchi Office, 24.01.06 8 Uhr
Und es hat dort wohl so um die -5Grad.
Hier sind des nun um die 30 Grad mittags. In der Nacht wurde ich von
Lautsprecherdurchsagen geweckt, frueh um 6 noch mal das selbe. Was
soll das sein. Auch Trommeln waren zu hoeren. Ich wurde unruhig.
Sollte ich doch besser in den Sueden? Hier bin ich zwar absolut
sicher, aber wie wird es sein, wenn ich zurueckfahren muss? Ich muss
ja auch irgendwann durch dieses Armeegebiet wieder heimwaerts
fahren. Am Morgen wurde mir erklaert, dass hier jemand gestorben
ist, und dass dies immer gleich verkuendet wird. An diesem Morgen
waren meine Gedanken und Gefuehle gut. Hatte ich gestern noch das
Gefuehl, ich muesse nach Hause, weil ich mir grad so nutzlos
vorkomme, so ist das heute doch wieder anders. Ich habe eine
Aufgabe, ich werde mit dem Australischen Maedel und noch ein paar
nach Mukamalai fahren und helfen, die Fluechtlinge zu versorgen. Bin
mal gespannt, was dieser Tag bringen wird.
Kilinochchi House, 24.01.06 19 Uhr
11 Stunden spaeter. Dieser Tag hat’s
gebracht. Wir sind zwar mit 2 Stunden Verspaetung gestartet, aber
doch hat sich dieser Tag gelohnt. Hab so viele Gesichter gesehen,
Traurige, muede, staunende, unsichere, alte, junge, verzweifelte,
erfreute. Wir waren direkt im Checkpoint in Mukamalai. 4 Maedels und
4 Jungs. Wenn Menschen kamen (die, die mit dem Bus kamen) haben wir
ihnen geholfen mit ihrem Gepaeck. Die anderen 7 hatten einen
Vorteil, sie sprachen die Sprache. Mich haben manche Menschen
komisch angeschaut, aber da ich ne TRO Jacke anhatte war es doch
kein Problem, sie liessen sich gerne helfen. Hier war auch meine
Chance vorhanden, die Luftballons und die Teddybaeren zu verteilen,
die ich mithatte. Hier hatte ich die Kinder separat, und es musten
nicht andere Kinder zuschauen, die vielleicht nichts mehr bekommen
haetten, weil ich nicht so viel dabeihab. Denn es gibt wohl nichts
schlimmeres fuer ein Kind, wenn ein anderes was bekommt, waehrend es
selbst leer ausgeht. Da kam mir die Gepaeckkontrolle gerade recht.
Wenn gerade ein Vater mit Kind durchging, konnte ich dem Kind einen
Ballon, oder ein Kuscheltier schenken. Es waren nicht nur
Fluechtlinge, denen wir halfen. Es waren alle, die die Grenze
passierten. Menschen, die auf der Durchreise waren, genauso wie
Heimatlose. Da gab es welche, die hatten ihr ganzes Hab und Gut
dabei (Fahrraeder, Kleider, Toepfe, Reis, Radio, …) Bei einer
Familie musst ich 6 oder 7 mal laufen. Und alles wurde in einem Bus
verstaut, weil sie schon ein festes Ziel hatten. Das meisste
Aufsehen erregte ein Mann, der per Lkw an die Grenze gebracht wurde.
Er hatte auch einen halben Lkw voll Sachen dabei. Darunter war viel
“Muell”, z.B. eine alte verrostete Hacke, eine halb vermoderte Bank,
leere Flachen, alter Draht, … Wie schlecht muss es solchen Menschen
gehen, wenn sie solche Sachen noch mit sich mit nehmen. An die
erwachsenen Menschen hab ich von den Kalendern ausgeteilt, die ich
von Florian, dem Oesterreicher vom Visaoffice, bekommen hab. Die
Vorderseite ist der Kalender und auf der Rueckseite ist ein
Sonnenuntergang und darunter steht uebersetzt in Tamil, Singalesisch
und Englisch: “Akzeptiere das Licht und die Finsternis und finde
inneren Frieden.” Passt doch ganz gut fuer diese Menschen, oder? Ich
fuer mich selbst weiss nun wieder, warum ich hier bin, ich hab mich
heute wieder gefunden, Nun sollte ich dran bleiben. Die “Finsternis”
das war fuer mich die “leere” Zeit, die scheinbar nutzlos war, aber
durch diese Zeit habe ich hier viel zu verstehen gelernt und die
Situation hier gesehen, denn was waere es denn, wenn ich gleich mit
dem Bauen von Toiletten begonnen haette, dann wuessten wir alle
nichts von den Problemen, die hier stattfinden.
Kilinochchi House, 25.01.06
Ich meine, man muss es auch nicht
unbedingt wissen, auf der Welt geschieht so viel Unrecht, da ist
dies was hier passiert noch recht human, find ich (Ich meine damit,
was mit den Fluechtlingen passiert. Wie sie draussen von den
Soldaten der Sri Lankan Armee behandelt werden, dass entzieht sich
meiner Kenntnis). Nach einer Nacht mit gesundem Schlaf, der nur
wenige Male unterbrochen wurde hab ich mich diesmal schon 10 Minuten
vor 6 Uhr auf den Weg ins Office gemacht, da mir Ramanan am Vortag
versichert hatte, dass wir um 7 Uhr nach Mallawie fahren. Im Office
sass ich dann da, wie bestellt und nicht abgeholt, bis um 9 Uhr der
Kerl endlich auftauchte. Die Fahrt war am Vortag abgesagt worden,
erzaehlte er mir, weil dass Gelaende noch nicht genug geraeumt ist,
um zu vermessen. Dann halt nicht. Ich entschied mich spontan dafuer,
wieder an der Grenze zu helfen. 15 Minuten spaeter fuhren wir auch
schon los. Die Australierin war diesmal nicht dabei, aber die 2
anderen Maedels. Mit denen macht das richtig Spass. Nur diese
Reissaecke, die wiegen schwerer als Zement. Und da kommen manchmal
Frauen an, die tragen die auf dem Kopf. Wahnsinn. Es waren wieder
etliche Sack Reis zu schleppen. Und Saecke mit Toepfen, Kleider,
Zwiebeln, 3 Saecke voll grosser Muscheln, Naehmaschinen,…) Ich
schaetze mal, heute waren es etwa 50 Familien, die hier ankamen,
ihre Haeuser verliessen, um Schutz zu suchen. Es muss schon
einzigartig fuer sie sein, sie werden von einem “Weissen” bedient,
sie duerfen die paar Meter zum Bus ohne ihre Last laufen, die dieser
weisse Mann mit Saram, langen Haaren und Bart ihnen bis zum Bus
hinterhertraegt. Und auch wenn ich hier eigentlich nicht unbedingt
gebraucht werde, so ist es doch viel wert fuer die Menschen, denke
ich. Vielleicht kann ich dadurch ihren “Lebenswert” etwas steigern,
dann ist diese Arbeit hier mehr wert, als wenn ich ihnen jeden Tag
ein halbes Haus baue. Im letzten Jahr hab ich zu wenig Zeit mit den
Menschen verbracht, das Arbeiten war mir wichtiger. Dieses Jahr will
ich es besser machen, auch wenn es mir selbst ein bisschen schwer
faellt, da man sich hinter der Arbeit recht gut verstecken kann. So
hat ich z.B. heute Mittag einen Durchhaenger, ich kam mir fehl am
Platz vor, da mich manche Menschen verschreckt ansahen, als ich ihre
Taschen zum Tragen aufnahm. Ein paar wenige wollten es selbst
machen. Ist halt schwierig, wenn man die Sprache nicht spricht und
den Leuten manchmal das TRO Logo auf meiner Jacke nicht auffaellt.
Aber als wir am Abend nach getaner Arbeit in Pallai anlangten, und
ich die strahlenden Gesichter der Menschen sah, denen ich eine
Stunde vorher noch die Koffer trug, da war es wieder klar, das is
es. Dieses kleine grosse Glueck, dass man in ein paar Minuten
vermitteln kann und das zurueckkommt. Vielleicht schaffe ich es,
mich auch noch als Grossvater an diese Bilder zu erinnern, wenn
manch anderer sich fragt, wofuer er denn gelebt hat. Das waer
schoen,. Und ich wuensche jedem die Zufriedenheit, die ich besitze,
sie ist nicht vollkommen, beileibe nicht, aber ich versuche weiter
zu lernen. Und meine Tamilischen Freunde haben mir schon viel dabei
geholfen. Danke euch dafuer, ohne euch waer ich um sehr sehr viel
aermer, was meinen Seelenfrieden anlangt.
Kilinochchi House, 26.01.06 19 Uhr
Seelenfrieden, hmm, was ist das? Ich
denke, das ist das, wenn man mit sich zufrieden ist, und vor allem
auch mit dem, was man hat. Wie hat mir ein ganz liebes Maedel
letztens geschrieben: “ … kam die Freundin von … und wuenschte mir
Gutes Neues (Jahr) und so, und fuers Neue alles, was ich mir
wuensche. Da ist mir klar geworden, ich hab ja alles was ich mir
wuensche: einen Mann, Arbeit, gesundes Kind, Freunde, Musik,
Gesundheit”. Das ist Seelenfrieden, oder? Ich fuer mich hab heute
auch wieder Zufriedenheit erfahren, die Arbeit am Checkpoint klappte
super, es waren diesmal hoechstens 15 Familien, die wir zu versorgen
hatten. Zwischendurch kam immer mal ne kurze Unterhaltung mit den
Grenzerinnen auf. Und mit einem vom Rot Kreuz kam auch ne
Unterhaltung zustande. Die sitzen in nem Office am Checkpoint und
haben im Moment die Aufgabe, die Fluechtlingsfamilien zu zaehlen,
koennen es aber nur erraten, da sie die Lkw’s und Busse nur im
vorbeifahren zaehlen koennen und dann abschaetzen muessen, was nun
Besucher ist und was Fluechtlicg. So gingen auch unsere Schaetzungen
weit auseinander. Am Vortag hatten sie 20 Familien geschaetzt und
ich 50. mal schaun wer recht hat, ich kriegs raus. Er fragte, ob ich
ihm genaue Zahlen schicken kann und ich versprach, mich zu bemuehen.
Ansonsten gab’s nicht viel Aufregendes von dem Tag zu berichten,
ausser vielleicht, das ich am Morgen, vor lauter “lass mich a mit”,
vergessen hatte, meine Unterhose unter dem Saram anzuziehen, denn
den Saram hab ich ueber Nacht an und die Unterhose zieh ich erst
frueh drunter. Ging so eh viel besser, die Unterhose zwickt sich eh
immer so in die Arschkerbe, da ist das so besser gewesen.
Kilinochchi, 27.01.06 18.30 Uhr
“Wenn der Krieger deprimiert ist, sagt
der Meister zu ihm: “Du bist nicht, was du zeigst, wenn du traurig
bist, du bist sehr viel vehr. Waehrend andere aus Gruenden, die wir
nie verstehen werden, schon gegangen sind, bist du immer noch da.
Warum hat Gott so unglaubliche Menschen abberufen, und dich hier
ausharren lassen? An diesem Punkt haben Millionen Menschen bereits
aufgegeben. Sie sind nicht gelangweilt, aber weinen auch nicht. Sie
tun Ueberhaupt nichts, warten nur darauf, dass die Zeit vergeht. Sie
haben die Faehigkeit, zu reagieren, verloren. Du jedoch bist
traurig. Das beweist, dass deine Seele lebendig geblieben ist.” “
Was ich mit diesem Satz sagen will?
Ganz einfach, mir gings an diesem Tag dreckig. Der Hauptgrund ist
wohl, das Heimweh, das ich verspuere. Auch nehm ich mich wohl grad
zu wichtig, und das vermischt mit der Tatsache, dass ich noch keinen
Stein vermauert hab, furchtbar. Um 7 Uhr sollte ich im Office sein,
denn Mallawie stand wiedermal auf dem Plan. Ramanan war diesmal auch
da, nur der Rest der Mannschaft fehlte. Der Fahrer war auch noch da,
er hatte im Auto geschlafen. Um 9 gings dann doch mal los. Nach
Mallawie 50 Minuten Fahrt. Die Baustelle: Die Timberholzkonstruktion
einiger Haeuser war fertig, ein paar Daecher gedeckt. 10 Maurer
produzierten Zementsteine. Ein Bulldozer schob Baeume und Buesche
beiseite. 100 Haeuser sollen hier gebaut werden. Am liebsten haett
ich gleich mit angepackt, aber was mach ich Trottel, nachdem ich die
Bilder gemacht hatte, die ich brauchte? Ich setz mich ins Auto und
schlaf und gruebel ueber vieles nach und warte, bis die Vermesser,
mit denen ich gekommen bin, mit ihrer Arbeit fertig sind. Dann gings
zum Mittagessen. Ramanan erklaerte mir, dass ich im TRO Office
Mallawie uebernachten kann, wenn ich hier arbeite. Wir fuhren kurz
dort vorbei. Ich vergass natuerlich, mir die genaue Adresse geben zu
lassen. Die brauch ich doch, damit Micha mir endlich schreiben kann.
Um 2 waren wir zurueck im Office, die ganze Fahrt ueber dachte ich
schon daran, dass ich ein Motorrad brauch, damit ich nicht abhaengig
bin und den Weg von Baustelle nach Mallawie TRO Office (3 km) und
einmal die Woche nach Kilinochchi alleine fahren kann. Fuehrerschein
braucht man hier ja nicht. Im Office sprach ich zuerst mit Mr.
Thurairaja wegen den Zahlen der Fluechtlinge. Ich wollte doch dem
Rot Kreuz Mann mitteilen, wieviele Fluechtlinge es nun genau sind,
aber das hat nicht geklappt. Er wusste es nicht, und andere, die wir
anriefen durften keine Auskunft geben, ich soll Mr. Lawrence fragen.
Was soll der Kaese. Das versteh ich nicht, das will ich gar nicht
verstehen, ich war sauer. Mr Lawrence war nicht da, und der Computer
fuer meine E-Mails war besetzt. Also ins Net Café, das ist ja gleich
neben dem Office. Dort haben sie fuer 2 Computer die Passwoerter
nicht gefunden, und der dritte war so langsam, dass ich ihn fast
gegen die Wand geworfen haette. Ich wollte heulen. Auf der
Tamilpress Seite dann eine freudige Ueberraschung: Ganz viele
Menschen haben mir Komentare zu meinem Tagebuch geschrieben. Das hat
mich super aufgeheitert. Und gleichzeitig entstand wieder so ein
kleiner Druck, dass ich nun endlich etwas tun muss, um dem
Vertrauen, das sie mir alle entgegenbringen, gerecht zu werden.
Bald, sehr bald. Zurueck im Office war Mr. Lawrence immer noch nicht
da, aber die junge Australierin lief mir ueber den Weg. Wir
unterhielten uns, sie hatte heute auch Heimweh, wir teilten also ein
Leid, das macht es etwas ertraeglicher. Prija sass an dem Telefon,
von dem ich nach Deutschland anrufen kann (da sitzt immer jemand und
verbindet und waehlt,…) Bin zu ihr rein gegangen. Sie erzaehlte mir,
dass sie im Juni geheiratet hat, und dass sie schwanger ist, hab ich
eh schon gesehen. Hab ihr von Micha erzaehlt, und waehrend ich mit
Mama telefonierte, hat sie zusammen mit nem anderen Maedel, mein
Album angeschaut. Mama ist auch grad depresiv. Verrueckt, oder, da
sind wir nun 9000 km entfernt und doch haben wir noch die selben
Launen. Ist naemlich meist so, das unsere Schwermutsanfaelle zur
gleichen Zeit auftreten. Aber nur wertvolle Menschen haben ja
bekanntlich Depressionen. Nachdem das Telefonat beendet war und der
Computer nicht funktionierte, entschloss ich mich fuer den Heimweg.
Zu Fuss, um die aufgestauten Agressionen wegzulaufen.
Kilinochchi House, 28.01.06 19.30 Uhr
Dies hat auch recht gut funktioniert,
denn zu Hause ging’s besser. Und nach einem knappen Abendessen und
viel Schreiberei gings ins Bett.
”Unverhofft stellt der Krieger ploetzlich fest, dass er ohne die
fruehere Begeisterung kaempft. Er macht alles so weiter, wie bisher,
doch was er tut, kommt ihm sinnlos vor. Da bleibt ihm mur eines: Den
guten Kampf weiterzufuehren. Er betet- aus Verpflichtung oder aus
Angst oder aus welchen Gruenden auch immer-, aber er unterbricht
seinen Weg nicht. Er weiss, dass der Engel Dessen, der ihm
Inspiration gibt, sich nur eine Verschnaufpause goennt. Der Krieger
konzentriert sich ganz auf den Kampf. Er bleibt beharrlich, auch
wenn ihm alles sinnlos erscheint. Und alsbald kehrt der Engel
wieder, und allein das Rauschen seiner Fluegel wird ihm die Freude
zurueckbringen.”
Ich hoere so langsam das Rauschen des
Engels Fluegel. Den Tag ueber noch ganz leise, und doch hatte ich am
Morgen einen Entschluss gefasst. Ich lag ab halb 6 wach im Bett und
versuchte nichts zu denken, die Welt als Beobachter zu sehen. Und um
halb 8 kam ein Gedanke zu mir, “ich gehe nach Mullaittivu”, ich
brauche meine Freunde, ich werd dort arbeiten, und auch die Spenden
dort einsetzen, wenn sie nicht schon anders verplant sind. Als der
Entschluss gefasst war, stand ich auf, mit einer unheimlichen
Energie. Nach dem Fruehstueck ins Office, Mr. Lawrence nicht da,
also Computer, konnte endlich die Bilder von meiner Digecam
hochladen und an Tamilpress, die Zeitungen und Alexandra schicken,
hab Teil 3 meines Tagebuches abgetippt und abgeschickt, und auch
einen Uebersichtsbericht an alle Freunde und Zeitungen. Hab meinen
Kontostand abgefragt und bei Caros Projekt in Dera Dun reingeschaut.
Zwischendurch Unterhaltung mit dem Australischen Maedel. Am Abend
fragte sie, ob ich mit ihnen mitfahren will, sie fahren gleich und
koennen mich zu meiner Unterkunft bringen. Aber ich lehnte ab, weil
ich den ganzen Tag gesessen war und gehen wollte. Das war ein Wink
des Himmels, schon nach 300 Meter Fussmarsch stoppte mich ein
Tamile, ich kannte ihn vom letzten Jahr. Wir hatten uns im 1-9
Restaurant getroffen. Er erzaehlte mir, dass er zur Zeit mit einem
Deutschen Ingenieur zusammenarbeitet, der in Mullaittivu das
Krankenhaus baut. Super, Ein Puzzleteil in meinem Puzzle. Wieder ein
Grund mehr nach Mullaittivu zu gehen. Er sagt dem Ingenieur
bescheid. Am Abend im House dann sind wir drauf gekommen, dass der
eine Gay, der hier wohnt, im TRO Office arbeitet, und zwar in der
Planungsabteilung fuer Mullaittivu. Bingo, nun passt alles zusammen.
Ich hab meine Infos und Ansprechpartner und vielleicht sogar
deutsche Unterhaltung. Wenn das mal nicht mein Weg ist. Ich fuehle,
mein Engel ist ganz nah. Gings mir gestern doch noch so dreckig, so
fuehle ich mich nun recht gut. War gestern noch alles so unfassbar,
so verschwommen und unsicher, so ist es nun konkret, greifbar.
Kilinochchi, House, 29.01.06 17 Uhr
Dieses Gefuehl hielt auch an, ich war
wieder in der Lage, Briefe zu schreiben, hatte wieder Geist,
vorwaerts zu denken und sass mit gutem Gewissen bis mittag um 12 Uhr
im Bett, hab Briefe geschrieben und STS gehoert. Es war ja eh
Sonntag und ich konnte nichts machen. Zum Mittagessen ging ich ins
1-9 Restaurant. Vegetable Reis und ein Lion Lager Bier. Danach kurz
Internet und Versuch eines Telefonanrufes, der aber nicht geklappt
hat. Egal, nichts konnte meine gute Laune stoppen, bei meinem
Fussmarsch die Strasse entlang stoppte mich der Schneider, ich kann
meine 3 Hosen schon morgen frueh abholen, sie sind fertig. Schoen.
Ein paar andere Jungs wollten mit mir reden. So langsam bin ich wohl
bekannt hier in Kilinochchi, ich, dieser komische weisse Mann, der
mit einem Hemd, geschneidert aus einem Betttuch, Saram und ohne
Schuhe rumlaeuft. Niemals wuerde ich diese Eindruecke erleben, wenn
ich mich mit dem Van abholen liese, dass geht nur zu Fuss. Besonders
erfreut sind die Menschen, wenn ich Hallo und Tschuess in tamilisch
sag, oder auch beim Einkaufen meine paar Brocken tamil. “Einfach nur
bei den Leuten sein” hab ich in meinem letzten Tagebuch geschrieben.
Es ist schoen zu fuehlen, dass allein diese Tatsache die Menschen
erfreut. Mittlerweile bin ich froh, dass das mit Pakistan nicht
geklappt hat. Ich hatte naemlich nach dem schrecklichen Erdbeben in
Pakistan, im Oktober, versucht, einen Kontakt dorthin zu knuepfen,
also eine Organisation zu finden, die mich dahin mitnimmt. Hab
saemtliche grosse Organisationen angerufen aber lauter Absagen
bekommen. Die TRO scheint doch wirklich die einzige Organisation zu
sein, der man als einfacher Mann helfen darf. Und ich kann ja nicht
ueberall mitmischen, Denn ueberall ein bisschen zu schaffen taugt
manchmal weniger, als etwas richtig anzupacken. Sollte ich es dieses
Jahr schaffen, mit Vortraegen wieder Geld genug zu sammeln, dann mag
ich das diesmal aufteilen. Ein Teil fuer die TRO, ein Teil fuer das
Projekt HOPE von Carolin, einer Freundin von mir, sie hat mit ihrer
indischen Brieffreundin in Dera Dun in Nordindien eine Schule fuer
Slumkinder eroeffnet und engaschiert sich dort sehr. Infos unter
www.hopeprojekt.de. Und der dritte Teil ist fuer mein
Vorhaben naechsten Winter. Es ist noch nicht sicher, aber ich hab
vor, da wir ja den Umzug meiner Eltern vor uns haben, nach Rumaenien
zu fahren, um Kleider und andere Sachen, die wir, oder auch Bekannte
nicht mehr brauchen, dort hin zu fahren. Dort leben naemlich noch
aermere Menschen als hier in Sri Lanka, sie besitzen genauso wenig,
und haben doch mehr, sie haben jedes Jahr einen Eisigkalten Winter
zu ueberstehen, das ist es, was sie mehr haben, die Kaelte. Was ich
mir diesmal auch herausnehme, dass ist das, das die
Materialgestehungskosten fuer Tagebuch usw. abgezogen werden.
Letztes Jahr hab ich das alles aus meinem eigenen Geldbeutel
bezahlt, dieses Jahr wird das aus dem Verkauf des Tagebuches
rausgenommen. Ich werd mich nicht bereichern damit, moecht nur nicht
drauflegen diesmal, dieses Recht sollte mir vergoennt sein. Zurueck
zum Tagesgeschehen, um 2 Uhr war ich wieder im House, die Sonne hat
extrem gestochen heute, also ne Runde schlafen und am Abend
schreiben.
Kilinochchi Office, 30.01.06 13.30 Uhr
So extrem viel geschlafen, wie die
letzten 2 Wochen hab ich eh schon lange nicht mehr, meistens um halb
9 ins Bett, und halb 8 wieder raus. Aufgrund dessen ist auch mein
Schlaf nicht der festeste, ich hoere Nachts immer die zig dutzend
Haehne kraehen und Hunde jaulen, es ist fast, wie bei den Bremer
Stadtmusikanten, schade, das ich das nicht fuer euch aufnehmen kann,
das ist ein Erlebnis fuer sich, das es in Deutschland nicht gibt.
Trotz dieses unruhigen Schlafes bin ich ausgeschlafen. Nach Nudeln
mit Fisch, Kochbananen Karrotten und Kartoffeln zum Fruehstueck
ging’s zum Schneider, der ja, diesmal schon einen Tag eher, meine 3
Hosen fertig haben wollte. Es hatten wirklich nur noch die
Knopfloecher und Knoepfe gefehlt, die er noch machte. Da ich ja am
Vortag schon viele Infos ueber Mullaittivu bekommen hatte, ging’s im
Office auch gut voran. Mr. Lawrence konnte mir sagen, das am
18.01.06 die Zahl der Fluechtlinge bei 4665 Familien lag, 80 Prozent
davon sind bei Verwanten untergekommen, die anderen knapp 1000
Familien sind in Welfare Centern (Schulen) untergebracht und werden
dort versorgt. Mittlerweile, nachdem ja die Friedensverhandlungen
mit Eric Solheim wieder aufgenommen sind, sind einige Familien
wieder nach Hause zurueck. Ein Motorrad kann ich wohl nicht
bekommen, aber ueber die Nutzung der Spendengelder gab es
Neuigkeiten. 6000 Euro kostet ein Permanent House (Entgueltiges
Haus), soviel hab ich ja ziemlich genau zusammen bekommen. Und ich
kann selbst daran mitbauen in Mullaittivu. Mein Traum geht also
anscheinend doch in Erfuellung. Ich kann selbst an dem Haus
mitbauen, fuer dass ich 8 Monate lang Geld gesammelt habe. Ist das
nicht schoen? Ein Traum wird nach vielen Tagen Verzweiflung nun
endlich wahr. Hier im Office wollte die Informationsquelle heute
auch gar nicht versiegen. Die junge Australierin lief mir ueber den
Weg, sie verlaest Vanni heute. Sie sagte, dass sie mit Mr.Ravi
gesprochen hat, und ein Haus fuer geistig behinderte Kinder ins
Leben rufen will. Sie wird mit TRO Australien in Verbindung tretten
und es planen. Wenn sie einen Weg finden, werden sie mich
kontaktieren, da sie eine Finanzierung brauchen. Sie meinte, ob ich
mit TRO Deutschland in Verbindung treten kann und ob wir
zusammenarbeiten koennen. Ich versprach, mich zu bemuehen.
Vielleicht kann ich da auch Florian fragen. Ein Heim fuer geistig
behinderte Kinder gibt es bis jetzt noch nicht in Vanni, also waer
das doch ganz gut. Mr Regi, der TRO Praesident wollte mich am
Nachmittag sprechen, bei ihm war der Mensch, der die Arbeiten in
Mullaittivu plant, und sie meinten, das morgen ein Transport
moeglich waere.
Kilinochchi House, 30.01.06 19 Uhr
“Was will er den da machen, dort ist
niemand,dort sind keine Rohmaterialien” hatte einer nem anderen
gesagt, der es mir sagte. Gemeint war damit, dass in Mullaittivu
gerade nicht gebaut wuerde, da kein Zement da ist. Es scheint wohl
so zu sein, dass die Sri Lankan Armee Transporte nach Vanni stoppen.
Kurzzeitig hatte mich diese Info im House erschreckt, bin aber
wieder gefasst, wenn nicht dass, dann andere Arbeiten, aber
Mullaittivu. Dafuer werde ich kaempfen. STS, “das Meer” dieser Song,
der mir schon im letzten Jahr diese unheimliche Energie geschenkt
hat, hoere ihn gerade bei voller Lautstaerke, immer und immer
wieder. Und morgen werde ich wieder an diesem Meer sein, seine
Energie auf mich wirken lassen und anpacken. Fuer die Menschen, den
Befehlen Gottes getreu den eingeschlagenen Weg bis ans Ende gehen.
Mit Micha hab ich heute auch telefoniert, leider sehr schlechte
Leitung. Nun werd ich bald Post von ihr empfangen, schoen.
Geschriebenes per Hand, wo man den Wert in aller Ruhe in die Worte
legen kann. Ich wuensche allen Menschen, dass sie sich wieder mehr
schreiben, die Geschwindigkeit zurueckdrehen und wieder Zeit fuer
einander haben. Gerade faellt mir der Loewe an meinem Rucksack auf,
mit der Aufschrift “Viel Glueck”. Ihn hatte ich letztes Jahr von
meinen Betreuern von der Gruppe 1 der Lebenshilfe als
Abschiedsgeschenk bekommen. Danke euch, tut grad gut. Was ich auf
jeden Fall weiss, und das schreib ich hier unter Zeugen (Euch) und
bei vollem Bewustsein: “Ich werde dich, meine liebe Michaela nicht
mehr so lange alleine lassen, solange es in meiner Macht steht, und
so Gott und du es wollen. Ich vermisse dich und traeum mich in deine
Arme. Ich werde versuchen meine Sehnsucht in Energie umzuwandeln und
fuer dich mitarbeiten.” Nun werde ich aufhoeren zu schreiben, Von
meinem ersten Liter Zwerschgenschnaps hab ich noch einen Rest, den
werd ich nun trinken, mich dem goettlich Licht ueberlassen und mich
dann niederlegen.
Mullaittivu TRO Office, 31.01.06 19
Uhr
24 Stunden spaeter, Zurueck zu
gestern, 4 cl Zwetschgenschnaps mit Fanta, Trinktemperatur 27 Grad,
haben’s ganz schoen in sich, hatte ich einen Zacken in der Krone.
Deshalb noch mal an dich, Micha, damit du auch weisst, dass ich das,
was ich geschrieben habe nicht im Suff geschrieben hab. Heute trink
ich nur Wasser. “Ich werde dich, meine liebe Michaela nicht mehr so
lange alleine lassen, so lange es in meiner Macht steht, und so
Gott, und du es wollen. Ich vermisse dich und traeume mich auch
heute in deine Arme”. Nun zum Tagesgeschehen, nachdem all meine
Sachen gepackt waren, bin ich ins Office gelaufen. Hab mir einen
Tetailplan vom Permanenthaus geben lassen und bin die Bauliste mit
einem vom Office durchgegangen, damit ich die einzelnen Details auch
verstehe. Waehrend der anschliessenden Wartezeit in der Guest
Lounge, wo sonst, hab ich gleich alle Masse auf dem Bauplan von Zoll
und Fuss in Meter und Zentimeter umgerechnet und aufgeschrieben,
damit es spaeter auf Baustelle leichter ist. Um 11 ging’s los nach
Mullaittivu. Mit gemischten Gefuehlen. Ist es richtig, was ich jetzt
mach, oder nicht? In Mullaittivu dann erst Besprechung im Office und
dann Baustellenbesichtigung. DieFundamente waren gemacht, allerdings
sehr krumm. Das vom Tsunami zerstoerte alte Haus lag als
Schutthaufen daneben. Wir werden es wohl spaeter als
Auffuehlmaterial nutzen. Was hab ich mir da zugemutet, ist dass fuer
mich zu schaffen? Ich weiss es im Moment noch nicht. Nach dem
Mittagessen hab ich mich mit dem Rad auf den Weg gemacht, Werkzeug
kaufen, Baustelle genauer inspizieren, andere Haeuser nebenan
besichtigen, um die Bauweise zu sehen. Es scheint machbar, auch wenn
der Anfang sicher schwer wird. Im Camp vorbeischauen war natuerlich
auch wichtig, damit die Leute wissen, dass ich wieder da bin. Und
beim Krankenhaus war auch ein Besuch noetig. Wollte doch den
Deutschen Ingenieur (Lukas) treffen. Er war da. Er und ein
Englaender beaufsichtigen die Bauarbeiten am Krankenhaus, das Lukas
auch geplant hat. Die Organisation heisst Hammer Forum und ist aus
Hamm. Sie wollen in ca. 10 Monaten mit den Bauarbeiten hier fertig
sein. Nachdem ich mich von ihm verabschiedet hatte, bin ich noch die
restlichen Werkzeuge kaufen gegangen, hab mir beim Schmied einen
Stampfer schweissen lassen und hab in die Hacke die ich gekauft
hatte einen Stiel gebaut. Piragalathan kam um 6 vorbei, hab ihn
eingeweiht, dass die naechsten Tage irgendwann die ersten deutschen
Briefe bei ihm eintreffen. Er war hocherfreut und meinte, dass er
sie dann gleich vorbeibringt. Fuehl mich schon wohl hier, die
Menschen rufen mir ueber all nach und lachen, sie scheinen so
richtig froh zu sein, dass ich wieder da bin. Es ist ein schoenes
Gefuehl, gemocht zu werden, und ich sollte mich was schaemen, dass
ich immernoch Zweifel hab.
Mullaittivu TRO Office, 1.2.06 18.30
Uhr
Es braucht halt immer alles seine Zeit
bei mir. Ein weiterer Tag ist vergangen. Der Schlaf war schlecht,
viel zu warm in dem Zimmer und diese bloeden Moskitos,die hier viel
zahlreicher sind, als in Kilinochchi. Und die Netze halten sie nicht
ab. Die schluepfen rein und summen einem dann um die Ohren. Und die
5 tamilischen Jungs, die auch hier wohnen, ne Kathastrophe. Abends
schaun sie Tamilfernsehen, sie bleiben zu lang wach (bis 10), lachen
zu viel, und frueh am Morgen das selbe. Ist ja schoen so, dass sie
so sind, und ich mag sie supergern, aber mir ist das gerade mal zu
viel gewesen. Ich will draussen schlafen, will das Meer hoeren. Und
Abendessen gibt’s auch erst um halb 9, nicht gut. Am Morgen war ich
possitiv ueberrascht, hatte ich noch Zweifel, als ich mich auf den
Weg auf Baustelle machte, so gings doch dort gleich Schritt fuer
Schritt voran. Um 9 kamen 3 Helfer, ein Maurer und 2 Handlanger. Wir
fingen zuegig an, und um 2 Uhr waren dann sogar die 2500 Steine da,
die wir brauchen. Hab beim Abladen geholfen, in einer Stunde ca 8
Tonnen Zementsteine rumheben, Wahnsinn. Ja, es waren ca. 25 Tonnen,
wenn ein Stein 5 kg wiegt, und die haben wir zu dritt aufgesetzt. 2
andere haben sie runtergeworfen. Danach gings ans Fundamentmauern,
meine 3 Helfer hatten am Morgen schon die ersten halben Hoehenmeter
der 9 Betonstuetzen betoniert. Beim Mauern wieder das selbe Problem
wie im letzten Jahr, die kennen keine Wasserwaage. Es hat einigen
Aufwand gekostet, bis ich klargemacht hatte, das es einfacher ist,
wenn man schon beim Ausgraben auf die Wasserwaage schaut. Hat auch
ganz gut gefruchtet, glaub ich. Am Abend waren wir schon ein ganzes
Stueck voran gekommen. Die Frau, die spaeter in das Haus zieht hat
uns zwischendurch Saft und am Abend Tee gebracht. Es ist schoen, die
Menschen zu kennen, die spaeter einziehen werden. Eine Frau, mit
ihrem Sohn, und einem Enkel, von einer Tochter, die in
Puddukudijiruppu wohnt. Das Enkelkind lebt bei ihr, da es hier zur
Schule geht. Die Frau selbst wurde vor 14 Jahren geschieden, find
ich zwar seltsam fuer hier, aber dies alles hat mir ein Mitarbeiter
der TRO hier so gesagt. Am Vormittag war der Mullaittivu
Planungsdirektor der TRO auf Baustelle. Er hat mich mitgenommen, wir
sind ca. 7 km ins Hinterland gefahren, dort entstehen 100 Haeuser,
die von der TRO bezahlt werden. Die Maurer sind Singalesen. Haett
ich nie gedacht, dass es singalesische Maurer in Vanni gibt. Und
noch was schoenes gibt’s zu berichten. Nach dem Mittagessen bin ich
ins Camp auf nen Cooldrink gefahren. Und als ich da so schoen im
Laden sass, kam Udhyain, die behinderte Frau um die Ecke, hat sich
zu mir gesetzt und mich die ganze Zeit ganz lieb angeschaut. Sie
wusste sogar meinen Namen noch.
Mullaittivu Office, 2.02.06 19 Uhr
Ein einziges Problem hab ich mit ihr,
ich muss nie auf meine Sachen aufpassen, keiner klaut, nur wenn
Udhyain da ist, ist nichts sicher, aber egal. Die Nacht hab ich
diesmal draussen geschlafen, hinter dem Office, im Sand auf ner
Matte, in meinem Bettbezugschlafsack. Schoen, das Meer zu hoeren und
den Sonnenaufgang vom “Bett” aus zu sehen. Auch schoen kuehl war es,
das wird wohl mein Schlafplatz bleiben. Die Baustelle macht super
Fortschritte. Wir sind bis zum ersten Ringanker gekommen. Fundamente
endlich fertig, nun kann’s aufwaerts gehen. Und was hab ich da
gestern noch so schoen gesagt? Die Tamilen kennen keine Wasserwaage.
Ich sollte auch erstmal lernen damit umzugehen. Auf 7,5 Meter Laenge
7 cm Hoehenunterschied, und das passiert mir, das ist mir das letzte
mal 1999 nach dem Kirchweihbaumaufstellen im Vollsuff passiert, da
hatte ich auch 2cm auf 2 Meter falsch gemessen, obwohl ich ganz
angestrengt geschaut hab. Ist hier aber auch kein Wunder, wenn die
laengste Wasserwaage, die ich auftreiben konnte, 30 cm lang war. Wir
haben alles mit der Schlauchwaage nachgemessen und verbessert. Das
tamilische Fersnehen war auch schon da um zu dokumentieren. Es ist
so schoen, eine Arbeit zu haben, da hab ich viel weniger Zeit, mir
schlechte Gedanken zu machen. Schon nach 2 Tagen bin ich voll in
meinem Element und es kommt mir so vor, als bauten wir schon ewig.
Nur einen saumaessigen Muskelkater hab ich und nen Sonnenbrand. Der
Muskelkater laest mich jeden Muskel spueren, den ich hab, sogar beim
einfachen Aufstehen tuts weh.
Mullaittivu Office, 3.02.06
“Ein Kriegerdes Lichts kennt den Wert
der Beharrlichkeit und des Mutes. Haeufig treffen ihn waehrend des
Kampfes Hiebe, die er nicht erwartet hat. Und er begreift, dass der
Feind so manche Schlacht gewinnen wird. In solchen Momenten laesst
er seinem Schmerz freien Lauf und weint. Und er ruht sich aus, um
wieder zu Kraeften zu kommen. Doch dann beginnt er von neuem, fuer
seine Traeume zu kaempfen. Denn je laenger er sich zurueckzieht,
desto grosser ist die Wahrscheinlichkeit, dass er sich schwach,
aengstlich, eingeschuechtert fuehlt. Wenn ein Reiter vom Pferd
faellt und es in der Minute darauf nicht wieder besteigt, wird er
nie mehr den Mut dazu aufbringen.”
Hkl 115
Vor 3 Tagen hab ich ja von neuem
begonnen, fuer meine Traeme zu kaempfen. Und es ist ein schwerer,
aber schoener Kampf. Ca 2 Kubikmeter Auffuellmaterial und 1,5
Kubikmeter Wasser waren es heute, die ich geschleppt hab. Meine
Maurer (heute nur 2) haben Baustahlkoerbe fuer den unteren Ringanker
gebunden. Ich hab den ganzen Tag geschleppt und gestampft. Schicht
fuer Schicht. Zwei Drittel sind nun fertig, und ich must mich um
halb 4 weng hinlegen, und dachte, ich kann keinen Eimer mehr heben.
Nach 30 Minuten war die Energie wieder da und ich konnte den einen
Raum doch noch vervollstaendigen. Und meine Maurer haben doch
wirklich um halb 5 noch das Betonieren angefangen, Wahnsinn. Und
das, wo ich doch Punkt 5 aufhoeren wollte. Egal, haben wir halt noch
bis 6 betoniert. Meine Knie wackelten, aber der Tee, den Amama
(Grossmutter, die Frau, die hier einziehen wird) uns um halb 5
gebracht hat, hat mir doch noch die noetige Energie gegeben. 6 Liter
Fluessigkeit hab ich heute getrunken und pinkeln war ich nur frueh,
nach dem Aufstehen. Hab es geschaft, mein Hemd 9 Stunden lang
nasszuschwitzen und meine Haare waren auch komplett durchnaesst, das
hab ich bis jetzt noch nie geschaft, seit sie so lang sind. Ab halb
3 haben sich meine Arme immer wieder mal verkrampft, wird Zeit, dass
ich paar von meinen B-Vitaminen ess. Es wird langsam auch waermer,
28 Grad bei 80 Prozent Luftfeuchte abends um 7 Uhr. In der Nacht hat
es getroepfelt, so dass ich meinen Schlafplatz von draussen in den
Eingangsbereich verlegt hab, wo es schoen zieht. Ansonsten hat sich
nun alles eingespielt, viele Besucher kommen auf Baustelle und Zeit,
um ins Camp zu gehen, hab ich wieder nicht.
Mullaittivu Office, 4.02,06
Das wird aber auch noch kommen, die
Zeit, um ins Camp zu gehen. Erst die Arbeit, dann das Vergnuegen.
Ich denk, in 4 Wochen sind wir meistens fertig und dann hab ich noch
Zeit genug, wenn ich dann nicht wieder was anderes vor hab. Die
Arbeit. Da dacht ich doch, zwei Drittel haett ich am Vortag
aufgefuellt, aber Pustekuchen. Knapp 3 Kubikmeter Schutt hab ich
ausgerechnet, das sind 6-7 Tonnen und dazu noch 2 Kubikmeter Wasser
hab ich heute geschleppt. War ich hinueber, Musste heute immer
wieder kleine Schlafpausen einlegen. Um 3 ist mir mal ganz
schwummerig geworden. Hab mich auf den Sandhaufen gelegt, und eine
Frau hat mir ne Frucht gegeben, die hat mich wieder
senkrechtgestellt. Da dacht ich auch, dass geht heut nicht mehr, ich
kann nicht mehr. Aber dass Ziel war die Fertigstellung des
Fussbodens. (Kleiner Ausschweif: Wie die letzten beiden Tage auch,
besucht mich auch heute ein Frosch, waehrend ich hier am Fussboden
sitz und schreibe, er hupft her, dann bleibt er kurz und dann hupft
er in den Hof, hophop.) Zurueck zum Text. Hab dann alle Energie
zusammengenommen und doch noch die letzten 40 Eimer Schutt und 20
Eimer Wasser geschleppt und den restlichen Boden gestampft. Der Bub
vom Traktorfahrer (ca 6 Jahre alt) hat mir dabei geholfen, eine
Wohltat fuer mich, hab ihm einen meiner Teddys geschenkt. Die Maurer
haben Koerbe gebunden und am Abend 5 Betonstuetzen betoniert. Es
geht voran auf unserer Baustelle. Aus dem Erdreich sind wir heraus,
nun geht es aufwaerts. Am Abend sagte mir der Maurerchef, dass sie
morgen (Sonntag) den Rest Ringanker betonieren wollen und den ersten
Raum Bodenplatte auch noch. Die sind einfach gut, meine Helfer.
Mullaittivu Office, 5.02.06 17.30 Uhr
Bautag 5
Diesmal ohne mich. 2 Waende sind auf 1
Meter Hoehe fertig. Dass sollten sie eigendlich gar nicht machen,
war etwas enttaeuscht, aber egal. Der erste Raum Fussboden ist auch
fertig, koennte auch ein wenig genauer sein. Wenn man sie halt
alleine laesst. Bin aber trotzdem saugut drauf. War mit dem Motorrad
in Kilinochchi. Die Fahrt hat sooooo gut getan. Eineinhalb Stunden
Fahrt auf dem Motorrad, einmal beinahe nen Unfall gebaut, weil die
Bremse schlecht eingestellt und meine Reaktion auch nicht die beste
war. Bei den Checkpoints (3 Stueck) bin ich einfach durchgefahren.
In Kilinochchi fiel mir urploetzlich ein, dass ich meinen USB Stick
vergessen hab, auf dem mein Tagebuch abgetippt ist. Egal, nicht noch
mal zurueck, dann gibts das naechste Tagebuchupdate fuer meine
Tamilen in Deutschland 7 Tage spaeter. Im Office gab’s keinen Strom,
also bin ich ins Netcafe, um meine E-Mails zu schreiben. Siegfried
S. von der Mainpost hatte mir als Kommentar auf die Tamilpress Seite
geschrieben, dass ich Kopf des Jahres 2005 im Einzugsbereich der
Mainpost geworden bin, und dass es deshalb anscheinend die Leute
beruehrt, was ich mach. Dieses machte mich stolz, und doch schaemte
ich mich zugleich. Warum heben mich die Leute so hoch, wo ich doch
so wenig mache, wenn man sieht, was andere hier leisten. Klar, die
meisten werden dafuer bezahlt, aber ich finde doch, dass viele
andere diese Auszeichnung mehr verdient haben. Dies schrieb ich auch
als Komentar auf die Tamilpressseite. Siegfried, danke dir trotzdem.
Fuer meine Einstellung hier wieder ein Kommentar aus meinem
Kriegerhandbuch:
“Ein Krieger des Lichts steht zu
seinem Lebenstraum. Seine Gefaehrten meinen:”Sein Glaube ist
bewundernswert” Der Krieger hoert es mit Stolz, schaemt sich aber
sogleich, weil sein Glaube nicht so stark ist, wie es den Anschein
hat. Da fluestert ihm sein Engel zu:”Du bist nur ein Werkzeug des
Lichts. Es gibt fuer dich weder einen Grund, dich zu bruesten, noch
einen dafuer, dich zu schaemen. Es gibt nur einen Grund zur Freude.”
Und der Krieger des Lichts gewinnt im Bewustsein, dass er ein
Werkzeug ist, Ruhe und Sicherheit zurueck.” Hkl 85
Letztes Jahr, in der letzten Predigt
unseres Pfarrers, bevor ich nach Sri Lanka bin, hat er von dem
Werkzeug gepredigt. Diese Predigt hat mich tief bewegt, und mir
zugleich innere Ruhe gegeben. Alles, was wir Menschen machen, ist
uns von Anbeginn der Welt vorausbestimmt, manche sollen einfach mehr
erreichen als andere. Und doch ist es nicht ihr Verdienst, sondern
Gott hat es bestimmt. Wir alle sind nur Werkzeuge, dies sollten wir
uns vor Augen halten. Ein gewisser Stolz ist gut, er gibt uns Kraft.
Wir sind allerdings (und da schliess ich mich nicht ganz aus)
oftmals stolz auf falsche Dinge. Der schnoede Mamon haelt uns
gefangen, so dass wir oft mit Scheuklappen durchs Leben gehn, von
vielen Dingen denken, dass muss so sein. Dies hab ich am eigenen
Koerper erfahren. Ich dachte lange Zeit, dass ich die und jene
Regeln beachten muss, wenn ich mich selbstaendig mach, und die und
jene Steuer und Versicherung zahlen muss. Hab mich dann im letzten
Sommer informiert: Wenn ich auf allen staatlichen Zuschuss (Ich-AG,
…) verzichte, gibt es fast keine Vorschriften. Und so ist es mit so
vielem. Wenn man Staatliche Zuschuesse haben will, gibt’s halt
dafuer Regeln auf’n Deckel. Altersvorsorge: Ich zahl keine
gesetzliche Alterskasse. Krieg auch nix spaeter. Aber wenn ich dass
Geld alles zurueckleg, was andere einzahlen, (oder besser gesagt,
was der Staat gleich einbehaelt) hab ich letztlich mehr. Es kommt
halt auf den Lebensstandart an, den man spaeter haben will, will ich
reisen, oder les ich lieber dabeim vor’m Kachelofen paar Buecher? Es
sei jedem selbst ueberlassen, was er macht, aber keiner sollte am
Ende jammern, den er hatte es selbst in der Hand. (Ausnahmen gibt’s
natuerlich). Eines sollten wir uns vor Augen halten: Arm ist nicht
der, der nichts hat, sondern der, der nicht genug bekommen kann.
Gestehen wir Jammerer uns doch ein, wir Deutschen jammern auf den
(mit Abstand) weltweit hoehesten Niveau. Dies ist meine Einstellung,
und ich schaeme mich jedesmal, wenn ich in Gedanken jammere. So,
genug philosophiert, zurueck zum Tag. Einen Uebersichtsbericht an
meine Freunde hab ich wieder geschrieben, mein Konto ist um 60 Euro
gewachsen (Dazu gleich mal was wichtiges, was ich am Anfang dieses
Tagebuches vergessen hab. Vor dem letztjaerigen Tagebuch hab ich
geschrieben, “Wer dies Tagebuch liest, der moege doch bitte auf mein
Konto oder das Konto der TRO 10 Euro ueberweisen, ich kann und will
es nicht nachpruefen, der der es macht, ist halt ein besserer
Mensch, als der, der den Inhalt dieses Buches klaut”. Diesen Satz
wuerde ich ab nun auch gern wieder geltend machen, ich vertraue auf
euch. Alles Geld, was ich bis zu meiner Rueckreise bekomm, wird zum
Permanenthousing verwendet, alles danach fuer wohltaetige Zwecke,
vielleicht fuer ein Behindertenkinderheim in Tamil eelam. Bitte
verlasst mich nicht. Wie steht so schoen in der Apostelgeschichte
geschrieben: “Und sie handelten auf Getreu und Glauben”). Die
Tamilen wollen, dass ihr LTTE Praesident Nicht an den
Friedensgespraechen in Genf mitmacht. Liebe Leut, was soll der Mist.
Seht zu, dass hier Ruhe einkehrt, die Loesung kann nun nur noch
diskutiert werden, jeder weitere Kampf waere der groesste Unsinn.
Die Menschen hier leiden doch (tschuldigung) “verdammmt noch mal”
genug, seht zu, dass ihr nen Frieden auf die Reihe kriegt. Ansonsten
gab’s nichts Neues, der Winter hat Deutschland fest im Griff. Mit
Papa und Regina hatte ich am Vortag telefoniert, ihnen geht’s gut,
Papa geht wieder jeden Tag ins Freibad, um sich abzuhaerten. Er
macht dort Holz, damit wir wieder heizen koennen. Bei dem Mann vom
Office, der mich hierher nach Mullaittivu vermittelt hat, bin ich
vorbeigefahren, um zu berichten, dass es mir hier gut geht. Mein
Schneider hat mich zu nem Laden gefuehrt, wo ich mir ein Moskitonetz
kaufen konnte, damit mich nachts endlich die Moskitos in Ruhe
lassen. Die sind so schlimm die letzten 3 Tage. Ca 50-100 schwirren
die ganze Nacht um mich rum, hab das Gefuehl, die schlafen neben
meinen Ohren, denn gestochen hat mich kein einziger letzte Nacht,
aber wegen dem Gesumme und Gejucke hab ich hoechstens 3 Stunden pro
Nacht geschlafen und dass nun schon 3 Naechte lang. Ah, wie freu ich
mich darauf, wieder neben meiner Micha zu liegen und die ganze Nacht
ruhig durchzuschlafen. Auf dem Rueckweg nach Mullaittivu hab ich mir
Zeit gelassen, den ersten Checkpoint hab ich wieder ueberfahren,
beim zweiten haben sie mich angehalten. Der Polizist meinte, dass in
meinem Tamilpass keine Erlaubnis steht, dass ich nach Mullaittivu
darf. Hab ihm erklaert, dass ich dort untergebracht bin und nur kurz
zum E-mailen in Kilinochchi war. Er hat wieder und wieder hin- und
hergefunkt. Dann kam mir die Idee: er soll zur Polizeistation
Mullaittivu funken, denn das TRO Office ist direkt gegenueber und
die Polizisten dort kennen mich, da ich dort immer mein Trinkwasser
aus dem Fass hole. Hat er gemacht und mir dann mit Ok und Danke fuer
ihre grosse Hilfe meinen Pass zurueckgegeben. Anscheinend wissen sie
dort wirklich, was ich mach, musste schmunzeln. An einem Reisfeld,
wo gerade Bauern beim Ausdreschen ihres Reises waren, indem sie ihn
im Kreis ausbreiteten und mit dem Schlepper darueberfuhren, hab ich
gestoppt und mich ein wenig “unterhalten” so gut es ging. Wenn sie
lange genug mit dem Traktor ueber den Reis gefahren sind, wird das
Stroh sorgfaelltig aufgeschuettelt, damit die losen Koerner auf die
am Boden ausgebreitete Plane fallen. Dann wird es entfernt und der
Reis aufgesammelt. 50 cm vor mir kam eine 30 cm lange Schlange aus
dem Reisstroh, dies war ihr Todesurteil, 2 Minuten spaeter war sie
erschlagen. Bin weitergefahren, auf einem anderen Acker war ein
kleiner Maehdrescher am Werk, mit Raupenantrieb, weil die Felder so
sumpfig sind. Eine Halle aus lauter aufgeschnittenen Oelfaessern war
mir ein weiteres Foto wert. Den dritten Checkpoint kurz vor
Puddukkuddijiruppu hab ich wieder ueberfahren, ein Polizist
klatschte hinter mir her, aber ich tat so, als haett ich nix gehoert
und fuhr ruhig weiter. In Puddukuddijiruppu goennte ich mir im
Busstopshop nen Eisbecher, obwohl man hier ja wegen Salmonellen und
Bakterien eigentlich kein Eis essen soll, aber es war zu verlockend
und im letzten Jahr hab ich’s ja auch ueberlebt. Beim Bezahlen sagte
mir die Bedienung, dass ich zum Ceckpoint zurueckfahren muss. Mist,
doch erwischt. Also zurueck, mit gemischten Gefuehlen. Was wird mich
da erwarten, ist ja hier nicht grad ein Kavaliersdelikt, nen
Checkpoint einfach zu ueberfahren. Die Polizisten waren super nett,
und nach 10 Minuten sass ich schon wieder im Sattel und fuhr meine
letzten 20 km Richtung Heimat. Meine Geschwindigkeit kann ich
uebrigens nicht sagen, weil der Tacho kaputt war, genau so wie auch
Blinker, Hupe und Zuendschloss. Aber gefahren ist mein Bike und das
war wichtig. Es war eine richtig schoene langsame Heimfahrt. Die
Luft roch nach frisch geschnittenem Reis und nach Grass. Schoen, so
ohne Helm mit 50-60 kmh ueber die Landstrasse zu zuckeln. Im Office
haben sich die Boys gefreut wie die Kinder, als ich sagte, dass der
Tank fast voll ist und ich bezahlt hab. Dann war noch ein Besuch bei
Piragalathan dran, er produzierte gerade mit seiner Familie
Zementsteine, da sie grad ein Haus bauen, kein Tsunamihaus, einfach
deshalb, weil es an der Zeit war. Hab mich ne halbe Stunde bei ihnen
aufgehalten, dann noch kurzer Dinner in nem Shop und nach Hause, um
Moskitonetz aufzuhaengen, duschen und schreiben.
Mullaittivu Office, 6.02.06 19 Uhr
Bautag 6
STS hoeren und um 20 Uhr ins Bett.
Einen seeligen Schlaf hatte ich in dieser Nacht, kein einziger
Moskito, hab von halb 9 bis 7 Uhr durchgeschlafen. Ach wie war das
eine Wohltat. Entsprechend gut begann der Tag. Mittlerweile ist es
super hier, mit den Jungs komm ich super klar, seit ich im Eingang
schlaf stoert mich ihre Froehlichkeit nicht mehr, wir sind super
Kumpel, und sie bedienen mich nicht mehr so extrem, seit ich gesagt
hab, dass ich nix spezielles will und mein Essen auch selbst holen
will, wie sie auch. Und wenn ich komm und sie sitzen grad alle in
nem Stuhl und einer springt auf, um mich setzen zu lassen, dann
drueck ich ihn wieder zurueck in seinen Stuhl und setz mich auf den
Boden. 2 Briefe hab ich wieder zur Post gebracht, einen fuer
Christin und Stefan und einen fuer Mama, Papa und Regina.
Piragalathan fuhr mit dem Radl vorbei. Dann weiter auf Baustelle,
der Weg dorthin ist so schoen, viele Baustellen und im Hintergrund
in ca 200 Meter Entfernung, das blaue Meer und diese schoene
Geraeuschkulisse seiner Wellen. Schade, dass ich dieses Geraeusch
nicht hier hinein uebertragen kann. Waere schoen. Dieses Tosen und
Rauschen, es hat fuer mich immer etwas Unheimliches. Auf Bausetlle
heute auch sehr angenehm, Maurerarbeiten. Meine Maurer haben leider
meine Art zu mauern nicht angenommen, hier wird halt einfach ohne
Schnur gemauert. Egal. Sie machen ihre Waende, ich mach meine, und
wenn verputzt ist, sieht man eh nicht mehr, wenn was krumm war. Am
Abend waren 2 Teilstuecke bis Tuersturzhoehe fertig, 3 weitere Teile
Betonstuetzen und der restliche untere Ringanker betoniert. Gute
Leistung.
Mullaittivu Office, 7.02.06 21.45
Bautag 7
Und wie hatte ich vor 7 Tagen noch
Bedenken, ob es richtig ist, was ich gemacht habe. Und jetzt, gerade
mal eine Woche spaeter ist ein Drittel der Erdgeschossmaurerarbeiten
erledigt. Ist schon Wahnsinn. Auch dieser Tag angenehm, gediegen. Zu
Viert am Bau, Betoniert, Baustahlmatten gebunden, gemauert. Und alle
konzentriert bei der Arbeit. Am Abend noch ein Besuch beim
Schneider, um mein naechstes Hemd in Auftrag zu geben. Im House war
Tagebuchabtippen dran, da der Computer endlich wieder da war. 3
Stunden vor dem Kasten, bis viertel vor 10. Dann schnell mein “Bett”
aufgebaut und Tagebuch geschrieben.
Mullaittivu Office, 8.2.06 19 Uhr
Bautag 8
Um 5 vor 10 ging das Licht kurz aus
und wieder an. Das Zeichen, in 5 Minuten wird der Strom abgestellt,
dann ist zappenduster. Zum Zaehneputzen hat die Zeit diesmal nicht
gereicht, kaum lag ich auf meiner Matte, da war es auch schon
dunkel. Am Morgen war ich muede, so langsam macht sich die schwere
Arbeit bemerkbar. Aufstehen, Fruehstueck und ab auf Baustelle. Es
war bewoelkt und angenehm frisch. Es war der ruhigste Bautag seit
wir angefangen haben. Wir waren nur zu zweit, mein Lieblingshelfer
und ich. Er ist 2 Jahre aelter als ich, redet kaum, ist hoch
konzentriert. Seit heute weiss ich, dass er verheiratet ist und ein
Baby hat. Hab fast den ganzen Tag gemauert. Zwischendurch haben wir
4 Stuetzen betoniert. Mein Helfer hat Material beigetragen und
aufgeraeumt. Um 4 kam Amama und hat Wasser ueber die Waende
geschuettet, damit der Zement fester wird. Die Feuerstelle ist nun
auch schon fertig gemauert. Nun brauchen wir unbedingt die Fenster,
sonst koennen wir nicht weitermauern. Nach Feierabend bin ich in ein
Stoffgeschaeft in Mullaittivu. Piragalathan kam gerade heraus und
hat mir 3 Briefe ueberreicht, alle von Micha. Ah, sehr schoen. In
dem Geschaeft hatten sie keinen solchen Hosenstoff, wie ich wollte,
aber einen schoenen Hemdstoff. Also halt noch ein Hemd. Und eine
Ananas hab ich in der Stadt auch bekommen. Hm, lecker, ich liebe
Ananas. Im Office hab ich erstmal alle drei Briefe gelesen. Es ist
so schoen, von meiner Lieben zu lesen, die schoenen Dinge zu
erfahren, aber auch ueber ihre Sorgen bescheid zu wissen. Es hat
mich kein Heimweh gepackt beim Lesen, es war anders, es war ein
schoenes Gefuehl, dass da eine jemand ist, die gerade auch recht gut
ohne mich auskommt, die aber auch uebergluecklich ist, wenn ich am
26.03.06 gegen Abend in Kitzingen aus dem Zug steig. Auf diesen
Moment freu ich mich auch schon, auf den Moment, in dem ich sie in
meine Arme schliesse, wieder bei dem Menschen zu sein, zu dem ich
gehoere, eine Frau, die es wert ist, geliebt zu werden, einfach,
indem sie ist, wie sie ist.
Mullaittivu Office, 9.02.06 19 Uhr,
Bautag 9
Auf solch schoene Briefe mag ich auch
immer gleich eine Antwort schreiben, und 36 Stunden nach Erhalt der
3 Briefe wird ein 7 seitiger Brief + 2 Seiten fuer den kleinen
Enrico, seine weite Reise ins 9000 km entfernte Deutschland
antreten, indem ich ihn um 8 Uhr morgens in den Briefschlitz des
roten hoelzernen Postkastens am Mullaittivu Post Office steck. 7
Tage spaeter wird ihn dann der Postpote in den Briefkasten von Micha
stecken, einen Brief, gefuellt mit vielen Fragen, Antworten,
Erzaehlungen, Plaenen und einer gewissen Portion Philosophie. Nun
aber mal zum Tagesgeschehen, wir waren wieder zu zweit am Bau, bis
10 hatten wir ein Fenster eingebaut und ausgemauert und 3
Stuetzenteilstuecke betoniert. Dann begann es zu regnen, wir
fluechteten ins Materiallager auf der anderen Strassenseite.
Eineinhalbstunden sassen wir da, es goss in Stroemen, ich schrieb an
meinem Brief fuer Micha, die andern, die da waren sassen rum, lasen
Zeitung. Um halb 12 wurde der Regen weniger, wir verarbeiteten den
Rest Zement als Fussbodenmaterial, es begann wieder zu regnen. Ich
schleppte Baustahl ins Lager, bis das alles erledigt war, war ich
schon tropfnass. Wir saegten Baustahl, bogen Draehte fuer die
Ringankerkoerbe und fertigten die Koerbe. Bis 4 Uhr waren wir
permanent nass. Dann war der Draht leer, Feierabend, nach Hause. In
nem Shop noch schnell Draht und ein Lot zum mauern gekauft und heim.
Dort stand mir noch die Reparatur des WC-Spuelkastens bevor, der
aergert mich schon seit ich da bin. Der Schwimmer ist abgebrochen
und Wasser laeuft immerzu. Dass ist nicht 100 prozentig schlimm, da
es Brunnenwasser ist, dass es ja hier im Ueberfluss gibt. Aber es
muss ja nicht sein, der Strom fuer die Pumpe kostet ja auch Energie.
Mit Bohrer, angetrieben mit meiner Wasserpumpenzange, 3
Luesterklemmen, 2 Schrauben aus meinem Notfallsortiment und einem
Stueck Kunststoffseil war die Reparatur 30 Minuten spaeter erledigt,
Einfaelle braucht der Mensch. Dann Briefe von Micha noch mal lesen
(das dritte Mal) und schreiben. Hopsi, der Frosch war auch wieder
da, wie jeden Abend. Der ist voll niedlich. Duschen fiel aus, war ja
den ganzen Tag im Regen duschen.
Mullaittivu Office, 10.02.06 16.30
Uhr, Bautag 10
Nach einer ruhigen Nacht fing der nun
folgende Tag kathastrofal an. Mein Bauch krampfte sich so, dass ich
um halb 6 aufs Klo musste und dort auch bis halb 7 geblieben bin.
Dann gings wieder. Zum Fruehstueck gab’s eine Art Linsen, sehr
lecker. Es war wieder sehr bewoelkt, das Meer sah bedrohlich grau
aus. Mir war klar, das mein Helfer nicht kommen wird, da er mir am
Vortag schon verstaendlich gemacht hatte, das er daheim bleibt,
wenn’s regnet. Hab die 2 Stuetzen ausgeschalt und (nun wieder im
vollen Regen) 2 Baustahlkoerbe gebunden. Es hoerte wieder auf zu
regnen, 2 Jungs kamen, sie wollten Fussboden betonieren, sehr
schoen. Und dann damen noch zwei, und noch mein Helfer, und die
Sonne, die kam auch. Dann ham wir halt um 10 Uhr angefangen zu
betonieren, und um 2 Uhr waren 35 Quadratmeter / 4 Kubikmeter / 11
Tonnen Beton verarbeitet. Alles per Schaufel gemischt und mit Eimern
vertragen. Echt ne Leistung. Da konnten wir beruhigt Feierabend
machen, wenn man bedenkt, dass ich am Morgen dachte, ich schaff
gerade mal ein paar Koerbe zu binden. Bin noch nen Hosenstoff und 10
Briefumschlaege (meine ersten 20 waren leer) kaufen gegangen und zum
Schneider, um wiedermal ne Hose schneidern zu lassen, das ist schon
ne richtige Sucht. Hopsi, mein Frosch kam beim Schreiben hergehopst
und hat sich vor ein Ameisenloch gesetzt, da sind zig Ameisen auf
ihn los, er ist dann schnell gefluechtet und hat sich geputzt. Beim
duschen hab ich bemerkt, das der Grundwasserspiegel um ca nen halben
Meter gestiegen ist, normal ist der Wasserstand im Brunnen bei ca 2
Meter unter der Oberflaeche, nun waren es nur noch 1,5 Meter, hat
schon sauviel geregnet, ich schaetzt mal 50-70 Liter pro
Quadratmeter und das innerhalb 24 Stunden
Mullaittivu Office, 11.02.06 19 Uhr,
Bautag 11
Ich habs endlich geschaft, das Lesen
des Buches “Tee mit dem Teufel” anzufangen, da ich es beim ersten
Versuch vor 2-3 Wochen wegen Muedigkeit zur Seite gelegt hatte und
seitdem auch nicht mehr angefangen wegen fehlender Muse. Das Buch
hat mir Thomas, ein Bekannter ausgeliehen, er hat es direkt vom
Autor, ein Freund von ihm. Es handelt von Afganistan, Reinhard Eroes,
der Autor war dort als Millitaerarzt fuer viele Jahre. Der Anfang
ist schonmal super, ich glaube, das wird mir gefallen, ein Satz hat
mir eine Gaensehaut verpasst, Eroes zitiert aus dem Buch “Stadt der
Freunde” von Dominique Lapierre, als der seinen Aufenthalt im
aermsten und am dichtesten bevoelkertsten Viertel Kalkutas
beschreibt: >”In dieser Hoelle” hab ich mehr Liebe, mehr Anteilnahme
und letztendlich mehr Glueck gefunden, als in den Nobelgegenden der
reichen Staedte des Okzidents< In einem anderen Abschnitt beschreibt
er das taegliche Gebet der Afganen und dadurch ihre Glaeubigkeit:
>Diese Sure aus dem Koran, oft verglichen mit dem Vaterunser der
Christen, enthaelt nur eine Bitte:”Fuehre uns den rechten Weg” das
fuenfmalige Gebet ist bei ihnen selbstverstaendlicher, als fuer so
manchen “Zivilisten” das taegliche Zaehneputzen. Alle Afganen, die
ich kenne sind tiefglaeubige Moslems< Diese Saetze lassen sich fuer
mich gut auf Tamil eelam uebertragen, auch hier strahlt trotz der
Armut die Freude aus fast jedem Gesicht, und auch hier sind die
Menschen tief glaeubig. Ich glaube eh, dass glaeubige Menschen viel
mehr das Glueck empfinden koennen, als nichtglaeubige, sie glauben
ja auch an das Glueck. Auweh, ich denk, dieses Buch wird meine
Lebenseinstellung wieder praegen. Nun aber mal zum Tag, am Morgen
war ich saumued, wollte gar nicht aufstehen. Hab mich aber doch
aufgerafft, zum Fruehstueck gab’s Buns (suesse Broetchen) und 3
Bananen, ausserdem noch 2 Becher Tee. Tee gibt’s ja immerzu und ich
finde das gut so, schwarzer Tee mit viel Zucker und noch mehr
Milchpulver. Um halb 9 war ich auf Baustelle, meine Helfer schon da.
Steine haben wir geliefert bekommen und auch neuen Baustahl, konnten
die letzten Koerbe binden und auch noch die Bewehrung fuer 2 Tische.
Amama wollte naemlich in einem Raum auf 1,5 Meter Hoehe ein Regal
fuer Krempel zum Aufraumen und im anderen Raum einen Betonecktisch
(in die Wand betoniert) als Toilettetischchen. Dann haben meine
Maurer noch Betonplatten fuer die Kaminabdeckung gegossen. Die
restlichen Fenster sind wieder nicht gekommen, sollten eigentlich
schon Montag kommen, aber sie vertroesten mich jeden Tag mit:
“tomorrow” (Morgen) Das kenn ich ja vom letzten Jahr, bin eh
possitiv ueberrascht, das es heuer recht reibungslos klappt. Es muss
ja auch sehr schwierig sein, es gibt ja tausende von Baustellen in
Sri Lanka, da versteh ich schon, das es zu Lieferengpaessen kommt.
Da wurde jahrelang immer ein bisschen bebaut, und auf einmal nach
dem Tsunami, muessen die Fabriken das hundert bis tausendfache
leisten, da ist es eigendlich besser, es geht langsamer voran, damit
auch wirklich die Materialien im Land produziert werden koennen, so
koennen die Menschen was verdienen, je laenger es dauert, desto
laeger haben die Arbeiter ein Einkommen und dass ist doch der Sinn.
Und meine Fenster krieg ich schon noch, hab ja noch zu tun, aber am
Mittwoch braeucht ich sie dann doch endlich. Zum Ringanker sind wir
leider nicht mehr gekommen, na ja, naechste Woche, nun ist
Samstagabend, Wochenende, ein Tag frei.
Teil 5
Mullaitivu Office, 12.02.06 20.30 Uhr
Kein Bautag
Und was macht ein Mensch wie ich an
seinem freien Tag? Erstmal gemuetlich aufstehen, heut schon um 6, da
mich ein super Sonnenaufgang weckte. Den musst ich einfach per Foto
einfangen. Die Nacht war uebrigens sehr hell heute, es war Vollmond
und als ich um 12 mal kurz aufwachte dacht ich, es waer schon
Morgen, richtig hell. Dann Waesche, Sonntag frueh ist Waesche dran,
Betttuch, Handtuch, Saram. Poa, war das ne Bruehe. Dann Fruehstueck
und danach aufs Motorbike und ab nach Kilinochchi. Der Tank war
natuerlich wieder fast leer. An der Tanke gab’s kein Benzin, der
Tankwagen war nicht gekommen. Also hab ich auf dem Weg nach
Kilinochchi an einem Shop gehalten, dort verkaufen sie Benzin in
Colaflaschen, schoen aufgereiht draussen am Weg in einem Regal.
Blaue Fleussigkeit ist Petroleum, gelb ist Benzin. Hab 6 Flaschen
tanken lassen fuer 690 Ruppee, das ist knapp ein Euro pro Liter,
ganz schoen teuer. Auf dem Weg hab ich diesmal brav an jedem
Checkpoint angehalten und gesagt, dass ich nach Kilinochchi fahr und
am Abend zurueck komm. In Kilinochchi erstmal 3 Stunden E-Mail,
alleine fuer meine Rundmail hab ich eineinhalb Stunden gebraucht, da
die Bilder ewig zum hochladen brauchten, 5 Minuten je Bild, 9 hab
ich geladen. 2,5 Euro haben mich diese 3 Stunden gekostet,
angenehmer Preis. Danach Besuch im House, meinen TRO Freund
besuchen. Wir haben uns lange unterhalten, er hatte eine
Schnapsfahne, war ne gute Unterhaltung und auch der Kochgai und der
andere, den sie Watcher nennen haben sich hergesetzt. Um 3 hab ich
mich wieder auf den Rueckweg gemacht. Mit Zwischenstop in Barathy
Childrens Home. Das ist das Kinderheim, fuer welches Gabriel und der
Lions Club Dueren Geld gespendet haben. Dafuer war ein
Unterkunftsgebaeude fuer 80 Kinder gebaut worden.. Gabriel hatte mir
den Auftrag gegeben, dort ein paar Fotos zu machen und ihm zu
schicken. Die Aufseherin sprach etwas Englisch, genug zur
Verstaendigung. Nach Aufnehmen meiner Fotos und kleiner Unterhaltung
hab ich mich verabschiedet und musste noch in ihr Gaestebuch
schreiben. Ich schrieb wieder meine Meinung, naemlich, dass sie
gluecklich sein koennen, in so einem Paradies wohnen zu duerfen, wo
Liebenswuerdigkeit noch gross geschrieben wird, ich wuerde gerne mit
ihnen tauschen, aber ich muss wieder in unser kaltes herzloses
Deutschland, wo vielen Menschen schon die Muehe eines einfachen
freundlichen Grusses zu viel ist. Dann bin ich weiter heimwaerts
gefahren, bei dem Haus von Lukas, dem Ingenieur vom Mullaittivu
Hospital hab ich noch fuer einen Besuch gestoppt, aber erst, nachdem
ich mich vergewissert hatte, das mein Licht funktioniert und ich
nicht im Stockdunkel heimfahren muss. Den zweiten Checkpoint hatte
ich vorher auch ohne Probleme durchfahren. Lukas, seine Frau
Franziska und die 1 und 3 Jahre alten Maedchen waren daheim. Lukas
arbeitet ueber ein Jahr hier und deshalb hat er seine Familie gleich
mitgebracht. Wir haben uns lange unterhalten, ueber lauter
interressante Themen. Und um 8 hab ich mich dann doch mal auf den
Heimweg gemacht. Es ist schoen deutsche Unterhaltung zu haben und
ich hatte wieder mal gemerkt, dass ich einige deutsche Woerter schon
nicht mehr weiss, ist schon verflixt, wenn man so lange Englisch
spricht. Im Office wurde ich schon erwartet. Hopsi hat zuwachs
bekommen, nun hopsen schon 2 Froesche hier rum. Dusche war im
Schnelldurchgang, damit ich noch genug Zeit zum Schreiben hatte.
Mullaittivu Office, 13.02.06 18 Uhr
Bautag 13
Es ist schon ein knalliges Leben, das
ich hier gerade fuehre. 7 Uhr aufstehen, 8 Uhr Baustelle, 1 Stunde
Mittagspause, 17 Uhr Feierabend, duschen, Waesche waschen, Tagebuch
und Briefe schreiben, 2 mal die Woche noch Tagebuch abtippen,
zwischen 8 und 9 Uhr auf die Matte und das 6 Tage lang, dann ein Tag
“frei”, nach Kilinochchi fahren, E-Mailen, kurze Besuche und wieder
heim zum Schlafen. Am Meer war ich immer noch nicht, aber ich hoer
es ja jede Nacht und schon beim Augenaufschlagen jeden Morgen she
ich einen paradisischen Sonnenaufgang. So, auch an diesem Morgen.
Auf Baustelle sah ich, dass gestern doch Bautag 12 war, meine Leute
hatten einen Teil des Ringankers betoniert, zuerst war ich happy, da
mir vor dieser Arbeit ja so gegrausst hat. Bei naeherer Betrachtung
waehrend des Ausschalens war ich dann nicht mehr happy, 10 cm sollte
er breit sein, der Ringanker, an den meissten Stellen war er aber 12
cm breit, also hab ich halt in aller Ruhe den Hammer genommen und
wieder 2 cm weggeklopft. Ich war nicht sauer oder veraergert, ich
war einfach nur traurig. Zum Glueck war der Beton noch nicht richtig
abgebunden, es ging einigermassen einfach abklopfen. Danach haben
wir weiter eingeschalt, oder besser gesagt ich hab eingeschalt, ein
Maurer hat die eine Wand hochgemauert und mein Lieblingshelfer hat
gehandlangert. Dann haben wir betoniert 2 Stuetzen und Ringanker.
Dann weiter einschalen und nochmal betonieren. Es war gar nicht so
schlimm wie ich gedacht hatte. Da sehe ich wieder mal, ich muss eine
Arbeit einfach nur anfangen, dann geht’s schon. Diesmal war alles
gerade, wichtig, sonst wird der Putz spaeter auch schief. Wie ich
mir eine Glaettkelle bauen lasse, weiss ich nun auch, aus einer
Fuchsschwanzsaege und einer Maurerkelle. (Waehrend ich hier schreib
ist Schichtwechsel . Die Mucken. Die mich die ganze Zeit geaergert
haben, verziehen sich so langsam, sie gehen wohl schlafen. Dafuer
kommen nun die Moskitos, grausig, da kann man sich aussuchen, von
wem man lieber geaergert wird.) War ich am Morgen um 10 Uhr noch
kurz dagesessen und hab fast geweint, weil mir alles gegen den
Strich ging, so war ich am Feierabend wieder der alte, es war wieder
viel geschafft und das an meinem Geburtstag. Auf dem Heimweg kam mir
Piragalathan mit dem Fahrrad entgegen und uebergab mir nen Brief von
meiner Schwester Christine und einen von meiner Micha. Schoene
Geburtstagsgeschenke und mein Hemd konnte ich auch beim Schneider
abholen.
Mullaittivu Office, 14.02.06 18..30
Uhr Bautag 14
Am Abend hab ich meinen Kumpels im
Office nen Becher Fanta ausgegeben, dass ist hier was besonderes,
mein Angebot, ob sie nen Schluck Schnaps rein wollen, schlugen alle
bis auf einen aus, er hat nen Schluck genommen, und war dann ne
halbe Stunde spaeter voll voll, hatte verdrehte Augen und hatte
“Gesichtslaehmung” (Ein Dauergrinsen im Gesicht). Um 7 kam mein
Maurermeister vorbei, er hat mir eine Geburtstagskarte mit den
Unterschriften aller meiner Maurer und ein kleines Geschenk
gebracht, ein Pilz und ein Hase darunter, alles aus Muscheln. Das
hat mich richtig geruehrt, es ist fuer mich ein Zeichen echter
Freundschaft. Um 8 hab ich dann mit Micha telefoniert, waere schoen,
wenn diese Telefonboxen in dem Callcenter nicht so heiss waeren wie
ne Sauna. In Deutschland ist weiterhin tiefer Winter, und was ich
mit Micha sonst noch so geredet hab geht euch nichts an. Nun mal zu
diesem Tag, Valentinstag, Tag der Liebe. Braucht es einen speziellen
Tag fuer Liebe? Genauso wie Mutter-, Vater-, usw. –tag. Fuer alles
moegliche gibt es bestimmte Tage. Sollte man nicht seine Eltern
immer ehren und seine Freunde moegen, usw. Ich mach mir nix aus
diesen Tagen, ich versuch sie allesamt jeden Tag zu begehen. Denn
was wuerde es den meiner Mama nutzen, wenn ich sie an einem Tag im
Jahr bezuzl und den Rest des Jahres links liegen lasse? Aber manche
Menschen brauchen wohl solche Tage um sich dran zu erinnern, dass
man Vater und Mutter ehren soll, usw. Ja, was haben wir den nun an
diesem Tag der Liebe gemacht? Betoniert und gemauert und in der
Mittagspause geschlafen. Zwischendurch fuhr ein Traktor mit nem
Haenger voll Fenster vorbei, es waren aber leider keine fuer uns,
wir brauchen die andere Groesse. Egal, noch kann ich mich
beschaeftigen, noch ist genug Arbeit da. Nur einfacher waers halt. 4
Stuetzen sind nun fertigbetoniert, Stueck fuer Stueck kommen wir
vorwaerts. Wir waren wieder zu zweit am Bau, das ist auch am
schoensten.
Mullaittivu Office, 15. 02.06, 18 Uhr
Bautag 15
Am Abend war ich noch bei
Piragalathans Bruder und hab die Bilder von der Camera auf CD
brennen lassen, es waren schon ueber 300 Stueck. Und einen Brief vom
Wohnheim Ochsenfurt hab ich auch bekommen. Es ist lustig Briefe von
meinen behinderten Freunden zu lessen, da sind viele Fehler drin und
schoen ist es, dass sie an mich denken. Es war wieder viertel zehn
bis ich ins Bett kam, viel zu spaet. Und am Morgen bin ich nicht
raus gekommen. Werd jeden Tag mueder aber ich werd’s schon
durchhalten. Fruehstueck gab’s erst um 8 und deshalb war ich auch 20
Minuten spaeter am Bau. Mein Helfer sagte gleich: “late” (zu spaet).
Na ja. Nach dem Ausschalen der 3 Boxen vom Vortag wieder neu
einschalen. Und was kam da die Strasse entlang angefahren? Ahh, ein
Gefuehl wie Weihnachten, die Fenster sind da. Unsere 4 fehlenden
Fenster sind endlich gekommen. Einschalen stoppen und Fenster
einbauen und ausmauern, das war ja klar. Dabei bin ich ganz schoen
ins Schwitzen gekommen, es hat mittlerweile 32 Grad im Schatten
mittags und wir arbeiten die meisste Zeit in der Sonne. Mein
Getraenkeverbrauch hat sich mittlerweile auf 4 Liter Wasser und 1
Liter Tee eingespielt und Pinkeln muss ich das erste Mal abends beim
Duschen. Um halb vier waren alle vier Fenster eingemauert und somit
alle Waende auf Tuersturzhoehe fertig. 2 weitere Stuetzen und ein
Stueck Ringanker haben mein Helfer und ich auch noch betoniert. Wird
Zeit, dass der Baustahl endlich im Beton verschwindet, hab
mittlerweile 8 Schrammen an der rechten Hand, weil ich andauernd am
Draht haengen bleib. Am linken Mittelfinger ist auch ein kleines
Loch, da ist die Haut vom Steineheben abgewetzt. Muss halt nun ein
Tesakrepp rumbinden, dann geht’s schon. Meine Loecher an den Fuessen
verheilen so langsam, nur an der rechten Wade ist noch ein rundes 2
cm grosses Grind. Es eitert halt immer wieder, weil dauernd Dreck
und beim Duschen Keime vom Brunnenwasser rein kommen. Aber wird
schon, wie steht so schoen in der Bibel: >sie gingen aber froehlich
von des Rates Angesicht, dass sie wuerdig gewesen waren, um seines
Namens Willen Schmach zu leiden.< Dies Thema hatten wir ja im
letzten Tagebuch schon mal. Beim heimfahren hat mich Lukas mit dem
Mopet ueberholt, bei ihm ging’s heut schlecht voran, die Haelfte
seiner Arbeiter haben gestreikt, weil die LTTE einen verhaftet haben
und ihnen die Paesse abgenommen. Warum weis ich nicht. In der Stadt
hab ich wieder mal ein Hemd in Auftrag gegeben, so langsam hab ich
alle Schneider in Mullaittivu durch. Und dem Buben vom Reifenschmied
gegenueber hab ich ein Kuscheltier geschenkt, dass wollte ich
letztens schon machen und heut war er so schoen mit seinem Papa in
nem rumliegenden Busreifen gelegen, da hat das super gepasst. Ahh,
wie liebe ich dieses einfache Leben, vernab vom Stress, machen die
Menschen hier ihre Arbeit. Wenn ich es richtig mitbekommen hab, dann
haben beispielsweise die Maurer keine Vertraege, sie werden halt
fuer die Tage bezahlt, die sie gearbeitet haben. Wenn sie mal keine
Lust oder Zeit haben, bleiben sie halt daheim. In Deutschland oft
unvorstellbar, aber fuer mich ne super Loesung, nicht ne bestimmte
Stundenanzahl voll bekommen zu muessen, sondern zu arbeiten, wenn
Arbeit da ist.
Mullaittivu Office, 16.02.06 19 Uhr,
Bautag 16
Endlich hatte ich es auch wieder mal
geschaft um halb 9 schlafen zu gehen.Nun, am Bautag 16 war ich schon
viertel vor acht bei der Arbeit und bis mein Helfer eintraf hatte
ich schon ausgeschalt. Die letzten 3 Teilstuecke Linthal beam
(Ringanker) standen uns bevor, also wieder einschalen und auch 2
Boxen setzen. Halb 12 war alles betoniert. Dann gings weiter mit
Mauern. Meine Finger der linken Hand hab ich diesmal mit
Tesakreppband umwickelt, damit ich nicht noch mehr Schrammen krieg.
Ein Teil Mittelwand haben wir bis Firsthoehe hochgezogen, auf den
letzten 3 Steinreihen brauchte ich dazu ein Geruest, vor dem hat
mich selber gegrausst. Auf den schmalen Planken, auf denen ich eh
schon stand, nochmal 2 verrostete halbe Oelfaesser und ein paar
Schalbretter drauf. Aber es ist alles gut gegangen. Der Kamin war
als naechstes dran. Den hab ich wieder mal etwas anders gemauert als
es ueblich ist, mein Helfer wies mich darauf hin, war aber zufrieden
als ich meinte, ich mach dass nach meinem Stil. Mittlerweile
vertraut er mir und wir koennen uns gut verstaendigen und das obwohl
er, wie mir jetzt erst auffaellt, kein Wort Englisch spricht, es
haut einfach hin. Beim Heimfahren sah ich, dass meine Maurer ein
neues Haus angefangen hatten und sie setzten doch wirklich zuerst
die Tuer- und Fensterrahmen, bevor sie mauerten, ist doch klasse,
sie haben wirklich gelernt, bin stolz auf sie. So hatte es doch
einen besonderen Sinn, dass ich nicht nur Geld gespendet hab,
sondern lange Zeit direkt vor Ort dabei bin. In Mullaittivu hab ich
mich noch mit einem Tamilen unterhalten, der fuer das deutsche Rote
Kreuz arbeitet. Eine Fuchsschwanzsaege fuer meine Glaettkelle gab’s
heute leider nicht, na ja, wird schon noch.
Mullaittivu Office, 17.02.06 19 Uhr,
Bautag 17
Was wir nun am dringendsten brauchen
sind Bukali (Steine mit Lueftungsschlitzen) ohne sie kann ich nicht
mehr viel weitermauern. Hoechstens noch 3 Stunden. Haben heut schon
ueberall ausgespart, damit wir wenigstens die ersten beiden Reihen
ueber dem Ringanker mauern konnten. Es war heut eine Affenhitze, auf
dem Boden und auch auf den Geruestbrettern kann ich kaum noch
stehen, so heiss sind sie. Mir ist der Schweiss die ganze Zeit den
Bauch runter in die Hose gelaufen, die hat ihn aufgesaugt und es sah
aus, als haett ich in die Hos gepiselt. Auch das Hemd immerzu
tropfnass und das, obwohl ich mich nur langsam bewegt hab. Das
Thermometer zeigte um 2 Uhr 33,5 Grad. Der Kamin ist nun fertig und
die letzte Stuetze haben wir auch betoniert. Endlich Schluss mit
Boxensetzen. Am Abend bin ich noch zum Schmied, eine Saege hatte ich
bekommen und aus der hab ich mir eine Glaettkelle
zusammengeschweisselt. Zuerst haben sie ja komisch gekuckt in der
Schmiede, aber dann hab ich halt einfach angefangen und ihnen immer
gezeigt, was ich will. Eine halbe Stunde spaeter war sie fertig die
Kelle, ist nur weng verzogen von Schweissen, da muss ich morgen noch
ein Leistchen hinschweissen. Und einen Griff aus ner Dachlatte hat
ich im Office auch gleich fertig. Schoen rundgeschnitzt, damit er
gut in der Hand liegt.
Mullaittivu Office, 18.02.06 19 Uhr,
Bautag 18
12 Stunden spaeter und das Leistchen
ist dran, die Schmiede war schon auf, als ich auf Baustelle fuhr,
also hab ich mich gleich an die Arbeit gemacht. War ja nicht viel,
hat nur 15 Minuten gedauert. Auf Baustelle hatte ich heut nen
anderen Laibour (Handlanger) meiner hatte Urlaub. (Kurzer Ausschweif:
Pah, die letzten 2 Tage sind die Moskitos echt schlimm, wahnsinnig
viele schwirren beim Schreiben um mich rum) Dieser Helfer war auch
gut und er sprach auch weng Englisch. Von ihm hab ich erfahren, dass
ein Handlanger etwa 4 Euro und ein Maurer um die 6 Euro am Tag
verdienen, einen Liter Milch koennen die Bauern hier fuer ca. 20
Cent verkaufen. Ganz guter Preis find ich. Er meinte, pro Tag gibt
ne Kuh um die 10 Liter Milch, das haett ich nie gedacht, bei den
kleinen Eutern. Die Bukali sind heut gekommen und so sind wir super
voran gekommen mit den Mauern. Noch eineinhalb Tage dann ist diese
Arbeit geschaft. Die Hitze laesst nicht nach und als ich meinen
Wasserkanister leer hatte und mal rein gekuckt hab, hab ich gesehen,
dass es mal wieder Zeit ist ihn zu waschen, er setzt schon wieder
Algen an,aber mit etwas Sand und Wasser rein und dann kurz
schuetteln ist der gleich wieder sauber. Am Morgen hatte ich hohen
Besuch auf Baustelle, ein Weisser. Ein Kanadier kam auf Baustelle,
von Emnesty International glaub ich. Wir haben uns lange ueber meine
Arbeit unterhalten und ich hab ihn viel zu wenig gefragt, hab immer
zu viel zu erzaehlen wenn Menschen kommen, da komm ich meisstens
nicht zum fragen. Mein 23ster Brief hat sich auch auf die Reise nach
Deutschland gemacht, diesmal an die Sybille, verbringe taeglich
mindestens eine Stunde mit Schreiben. Mein seelischer Druck hat sich
etwas erhoeht, mein Hirn arbeitet ohne Pause:”was ist am
wichtigsten, wie kann ich Zeit sparen, was muss ich alles in dies
Buch schreiben, werd ich mit dem Haus fertig” Noch 2 Wochen, dann
wird es denk ich besser, dann muesste die Hauptarbeit gemacht sein.
Teil 6
Mullaittivu sea (Meer) 19.02.06 17 Uhr Kein
Bautag
Das Meer, ich hab es geschaft an dieses Meer zu
gehen, am Morgen war ich wieder in Kilinochchi.Die Strassen waren in
den Ortschaften alle paar Meter mit Beschriftungen wie “14 February,
lovers day, Love is like a tsunami, love is true, usw” versehen. Am
14ten Februar ist ja Valentinstag, Lovers day eben und es ist wohl
hier so, das boese Jugendliche da die Strassen beschriften.
Franziska hat erzaehlt, das Frauen der LTTE versucht haben, die
Schriften wegzuschruppen aber ohne Erfolg. Diesmal gab’s Strom im
Office, also konnte ich meine E-Mails dort schreiben. Mr K.P.Regi,
der TRO Chef war auch da, hab kurz mit ihm geplaudert. 37 ungelesene
E-Mails erwarteten mich, die Haelfte davon Spam, aber auch viele
schoene dabei. Geburtstagsmails von Freunden. Fuehl mich richtig
wohl. Es denken so viele Menschen an mich. Auf der Tamilpressseite
hatte mir ein Peter einen Komentar geschrieben, ich muesste mehr
Journalismuss betreiben, weil ich die Probleme nur Tamilenseitig
beschreib. Danke Peter, es ist mir wichtig solche Meinungen zu
hoeren, aber es ist mir leider nicht moeglich im Sueden zu
recherchieren. Ich kann die Probleme nur von hier sehen. Die
Tamilpress Seite gibt mir immer die besten Nachrichten, sie sollen
ja neutral sein heisst es. Zu kritisieren hab ich hier wenig, ich
mag das Leben hier. Was vielleicht zu kritisieren waere, ist, dass
Jungs und Maedchen und auch Mann und Frau nicht haendchenhaltend in
der Oeffentlichkeit sein duerfen und auch Kuessen ist verboten. Dies
ist etwas streng gehandhabt finde ich. Aber das stoert ja die
Singalesen nicht, und hat fuer mich auch seine guten Seiten. Eine
Nachricht hab ich gelesen, das Mahinda Rajapakse, der Sri Lankische
Praesident, die Friedensgespraeche mit der LTTE nur unter der
Bedingung fuehren will, dass ganz Sri Lanka regierungskontrolliertes
Gebiet wird. Das ist fuer mich unvorstellbar, hier in Vanni auch
noch ueberall Armee. Warum lassen sie den Tamilen denn nicht ihr
Land? Schauen wir uns doch mal unser Industrieland Nr. 1 Deutschland
an. Es ist gerade mal 16 Jahre her, dass wir vereint sind. Wir waren
doch auch fast ein halbes Jahrhundert getrennt. Ich finde, sie
sollten den Tamilen ihr Land lassen. Fuer die Tamilen selbst ist
diese Grenze sowohl gut wie sogleich auch schlecht. Einerseits gibt
sie ihnen (und im Moment auch mir) sehr viel Sicherheit, hier gibt
es keine Uebergriffe von Soldaten auf Zivilisten. In den Tamilpress
Nachrichten hab ich immer nur von Uebergriffen der Sri Lankan Armee
auf tamilische Zivilisten gehoert. Von Uebergriffen der LTTE auf
lingalesische Zivilisten ist mir nichts bekannt. Doch auch die LTTE
veruebt Anschlaege, die ich auch verurteile, aber sie scheint das
Volk in Frieden zu lassen, das oft nichts dazu kann und nur in Ruhe
leben will. Die LTTE richtet ihre Anschlaege wohl eher gegen die
Armee. Dies alles weiss ich nicht genau. Ich kann nur das
interpretieren, was ich lese und hoere. Was ich gut finde, ist, das
die TRO nun auch ein singalesisches Kinderheim gebaut hat.
Hoffentlich folgen weitere solche Projekte, denn die Singalesen, das
weiss ich von Florian, haben keine solche Organisation, im Sueden
soll es noch immer sehr drunter und drueber gehen. Was ich von der
Regierung gut finde, ist, dass sie auch hier in Vanni um die 80
Prozent der Beamtengehaelter bezahlt, (Postboten, Lehrer, Aerzte,
…). Auch der Strassenbau soll von der Regierung getragen werden.
Dies alles hat mir ein Freud hier erzaehlt.Dies ist eine Menge Geld,
das solltet ihr euch vor Augen halten, meine tamilischen Freunde,
wenn ihr das naechste Mal auf die Regierung schimpft, sie hilft euch
auch, was ich eigentlich gar nicht verstehen kann. Wenn ich
Praesident waere wuerde ich wohl kein Geld hier rein stecken, wenn
ihr nen eigenen Staat wollt, aber da blick ich wohl nicht ganz
durch, kompliziertes Staatssystem. Wenn ihr wirklich einen eigenen
Staat haettet, wuerden diese Gelder wohl wegfallen, das wuerde viele
Einschraenkungen bedeuten. Waere es nicht moeglich, sowas wie ein
eigenes Bundesland zu machen, Waeren dann nicht alle zufrieden?
Grenzen wueren wegfallen, ihr koennt euch auf bestimmte Weise selbst
verwalten. Grundlegende Dinge macht der Staat und verwalten tut die
LTTE, Armeetruppen bleiben draussen. Dies muesste doch moeglich
sein. Letztes Jahr hat mir ein Tamile aus Deutschland gesagt, dass
der Herr Prapakaran Deutschland als Vorbildland in seiner
Vorstellung von seinem Land hat. Das wuerde ja passen. In 4 Tagen
sind die Friedensgespraeche in Genf, hoffentlich wird da richtig
entschieden. Nun mag ich aber auch mal auf die Nachteile der Grenze
zu Vanni eingehen, die ich ja immer mit der Grenze vergleiche, die
Deutschland Ost und West fuer ueber 40 Jahre geteilt hat. Wenn man
Tamil eelam als Ostdeutschland sieht, wird der Nachteil fuer mich
schnell offensichtlich. Waehrend in Westdeutschland das
Industriewachstum flourierte, kam Ostdeutschland aufgrund des
Grenzhindernisses und auch der Regierungsform nur schlecht voran.
Sicher, die nicht so gute Entwichlung ist wohl am meissten auf auf
die Regierungsform zurueckzufuehren, aber auch das Hinderniss der
Grenze ist nicht zu verachten. Moderne Industrie, … siedelt sich
halt mal lieber da an, wo Gueter frei transportiert werden koennen
um Kosten zu reduzieren. Wenn man immer nen Tag Aufenthalt an einer
Grenze hat und da auch noch alle Gueter 2 mal ab- und wieder
aufladen muss, haelt das viele Industrieelle, … davon ab, sich dort
anzusiedeln, was meiner Meinung nach fuer die Kultur wiederum nicht
gerade schlecht ist. Aber dazu spaeter mehr. Die Zeit wird es von
ganz alleine mit sich bringen, dass die Voelker hier aufeinander zu
gehen koennen. Und zurueck zur Jugend. Wir hatten doch die
sogenannten 68er, die Flower Power Zeit. Liebe GROSSGESCHRIEBEN.
Waere es nicht moeglich, dass es hier die 2018er gibt, wenn die Zeit
reif ist wird auch hier die Jugend aufstaendisch werden, da bin ich
mir sicher. Und es wird nicht ewig dauern, denn im Gegensatz zu
Deutschland damals haben die Kids hier ihre modernen Vorbilder.
Hierher kommen immer wieder Europaeer, Amerikaner, Australier,
Fluechtlingstamilen aus der halben Welt. Durch diese lernen die
Menschen hier das andere Leben kennen. Die Entwichlung geht hier
viel schneller voran als bei uns damals und ich weiss nicht, ob ich
das gut finden will. Alleine auf dem Weg nach Kilinochchi heute, Es
gibt ja mittlerweile ein paar Maehdrescher hier, die Arbeit, fuer
die noch vor kurzem 10 Menschen ein bis zwei Tage ihren Lohn und
Zeitvertreib hatten, macht nun eine Maschine in in ein bis zwei
Stunden. Den Lohn hat nur noch einer. Klar, dadurch haben es die
Menschen einfacher, die Arbeit ist nicht mehr so Schwer. Aber was
haben sie denn davon? Viele werden immer aermer, da sie keine Arbeit
und somit keinen Lohn mehr haben, waehrend einige wenige immer
reicher werden und wieder eine groessere Maschine kaufen koennen und
somit noch mehr Menschen die Arbeit wegnehmen. Haben wir nicht genau
diese Entwicklung schon durchgemacht? Wo sind wir denn nun
hingekommen mit unserem Wirtschaftswunder Deutschland? Mit der
Industrialisierung und Mechanisierung. Klar, die Arbeit ist
koerperlich viel leichter, gerade bei uns daheim ist die Arbeit
koerperlich viel leichter geworden. Als ich noch ganz klein war
hatten wir fuer verschiedene Arbeiten auf dem Hof Helfer aus der
Nachbarschaft (Ruebenhacken, Kartoffelernte, Klee aufbocken,
Weinlese). Heute machen viele dieser Arbeiten Maschinen, es ist
koerperlich leichter, das Geld, das frueher die Nachbarn bekommen
haben steckt jetzt in Maschinen. Aber wer will heute schon noch die
Arbeit auf dem Feld machen? Wenn mein grosser Traum in Erfuellung
geht, dann werd ich es schaffen unseren Biohof irgendwann in der
Zukunft mit anderen Menschen zusammen zu bewirtschaften und wieder
ein Stueck in der Moderne zurueckzugehen. Wenn wir es in Deutschland
nicht schaffen die Mechanisierung zu stoppen werden unsere 5 Mio.
Arbeitslose noch mehr werden. Viel mehr.
Oder wir fuehren es wieder ein, dass nur einer der Eheleute auf
Arbeit geht. Das ist naemlich auch so ein Thema. Das ganze
Arbeitslosigkeitsproblem koennte meiner Meinung nach mit einem
Schlag geloesst werden, indem einer daheim bleibt. Stellen wir uns
doch mal vor: Kinder koennen wieder in Ruhe grossgezogen werden, man
hat wieder Zeit ihnen Werte zu vermitteln und viele Familien
muessten sich nicht darum streiten, wo der dritte Jahresurlaub
verbracht wird. Die Arbeitslosigkeit sinkt, wir muessten viel
weniger Abgaben zahlen, da die Empfaener wegfallen und haben am Ende
mehr pro Arbeitstag uebrig. Streitigkeiten werden weniger wenn der
Mann abends die Frau daheim empfangen kann, wenn er die Ruhe hat ihr
zuzuhoeren wenn sie gestresst von der Arbeit heimkommt. Er hat den
Tag ueber was mit den Kindern unternommen, damit sie nicht vorm
Fernseher verbloeden und verfetten. Da sie mit ihm zusammen die
Hausarbeit machen, lernen sie im Spiel kochen, aufwaschen,
Hausarbeit. (Ich hab es so gelernt, ich hab immer geholfen, und als
ich als Zivi im Wohnheim die ersten Male fuer 12 Personen kochen
musste hab ich versucht mich an meine Kindheit zu erinnern, wie es
die Mama damals gemacht hat. Hat super geklappt). Da wir weniger
Abgaben zahlen sind wir zufriedener und muessen nicht andauernd auf
en “boessen” Staat schimpfen. (zur Erinnerung: der Staat sind wir).
Und da wir wieder gutes Geld verdienen, koennen wir auch wieder im
kleinen Tante Ema Laden was kaufen und muessen nicht Montag um 8
gestresst vor der Discountertuer stehen um auch ja im “Geiz ist
Geil” Wahn das angebliche Schnaeppchen (Die Qualitaet laesst eh oft
zu wuenschen uebrig) zu erstehen, waehrend wir andere Gegenstreiter
mit den Ellbogen bekaempfen. Ist das alles ein Wunschtraum von mir?
Geht dass gar nicht mehr im Deutschland des 20sten Jahrhunderts? Ist
meine Ansicht veraltet? Es ist schon so, dass wir uns, teilweise mit
Scheuklappen, Stueck fuer Stueck ueber Jahre diese “Probleme” selber
geschaffen haben und auch, wenn wir an einem Strick ziehen, wuerde
es auch wieder Jahre dauern und viel Ausdauer benoetigen (Wer
verdient schon freiwillig weniger und verzichtet auf nen
Auslandsurlaub?) bis wir da sind, wo wir sein wollen, in einem
Sozialstaat, der wieder sozial ist, wo nicht einige arbeiten und
arbeiten, und andere sich ein schoenes Leben machen und sich
bezahlen lassen. Wo wieder alle Arbeit haben, wo das Geld auch hier
ausgegeben wird, wo man seinem Nachbarn wieder was goennt, wo Eltern
wieder zu Hause gepflegt werdenund nicht ins Altersheim abgeschoben
werden, wenn sie alt sind, wo man Kindern wieder das Leben lehrt, wo
man miteinander redet, … Dazu wuerde mir noch so
viel einfallen, lasst eure Fantasie doch auch noch etwas
ausschweifen, was waere euer Traum vom Leben? Stress Arbeit,
Urlaub, Arbeit Urlaub, Altenheim, Sterben, oder wollt ihr mehr? Ich
habe viele Freunde, einige von ihnen koennen mir komischerweise
selten was erzaehlen, wenn wir uns treffen, waehrend ich immer ne
lustige Geschichte aus meinem Leben zu berichten hab. Zurueck zu
meiner Vorstellung eines Staates, da gibt es wohl noch ein Problem,
wer soll den damit anfangen, sich zu Gunsten seines naechsten zu
aendern? Ich? Du? Warum nicht der andere? Ich selbst behaupte mal,
diesen Weg eingeschlagen zu haben, ich habe freiwillig auf
Arbeitslosengeld verzichtet und zahle auch freiwillig meine 122 Euro
Krankenversicherung pro Monat selbst. Ich mache niemand anders fuer
meine Situation verantwortlich, auch keinen Staat, denn ich hab es
selbst in der Hand wie du auch, behaupte ich mal. So, genug davon,
ich war am Meer sitzengeblieben und schreib hier nun schon wieder ne
Stunde. Bin schon ca. 2 km am Meer entlanggelaufen. Wie schon am
Anfang dieses Buches beschrieben sind die 100te Krebse nun 100ten
von Fischerbooten gewichen, fuer mich ein trauriger Anblick. Nur ab
und zu noch ein Krebs und meistens nur ganz kleine. Es ist das
Einkommen der Fischer, ist schon klar und ich ess den Fisch hier ja
auch ganz gern, aber haben wir deshalb das Recht Leben
auszuloeschen? Gott hat gesagt: “Macht euch die Erde untertan” hat
er es so gemeint? Wenn ein Tier das andere frisst kann es nichts
dafuer, es kann nicht denken, es ist seine Natur. Wir Menschen
koennen denken und sollten Leben eigentlich erhalten. Heute morgen
erst hab ich wieder 3 Moskitos aus meinem Netz frei gelassen und
nicht erschlagen, auch wenn sie mich geaergert hatten. Die Mucken,
die mich taeglich aergern erschlag ich auch nicht, sondern
verscheuch sie nur. Sie koennen ja nix dafuer, es ist ihre Natur.
Und so versuch ich immer Leben zu erhalten, wie es sich gehoert. Das
Rauschen der Wellen ist ueberwaeltigend, diese Energie, erzeugt von
einem lauen Lueftchen. Hier am Strand liegt immernoch viel Muell
rum, obwohl es geht eigentlich. Hinter mir gibt es grad einen
paradisischen Sonnenuntergang, den werd ich nun noch per Bild
einfangen und dann geht’s heim. Lukas und Franziska hab ich vorhin
besucht, sie haben mein Tagebuch vom letzten Jahr in 2 Tagen
durchgelesen. Franziska ist abends langweilig, sie hat mich nach
weiteren Buechern gefragt, ich bring ihr nachher noch da Buch von
Reinhard Eroes vorbei, ich komm eh nicht zum lesen.
Mullaittivu Office, 19.02.06
21 Uhr
Aber erstmal Abendessen und nen Brief an Sabine
schreiben. Dazu hab ich ein neues Getraenk ausprobiert.
Zwetschgenschnapszitronensaftzuckerwasser, schoen sauer, schmeckt
super. Der Lukas und seine Franziska, das sind schon 2 die ins Leben
passen. Sie haben mir die Geschichte erzaehlt, wie sie sich
kennengelernt hatten und wie Lukas Franziska von Indonesien nach
Deutschland “entfuehrt” hat. Franziska stammt naemlich aus
Indonesien und haette dort eingentlich einen Polizisten heiraten
sollen, den sie aber nicht mochte. Eine abenteuerliche Geschichte,
erzaehlt von einem Mann, dessen Gottvertrauen anscheinend meinem
gleicht. Ja, Lukas scheint auch recht gut auf unseren Schoepfer zu
vertrauen. Und lachen koennen die beiden fast ueber alles. Es ist
schoen hier solche Menschen zu haben. Sie haben mir auch von ihren
ersten 2 Wochen in Kilinochchi erzaehlt. Eine Woche bevor sie
ankamen hatte die Nachbarin der Vermieterin ihr erstes Kind
bekommen. Eine ganz arme Familie und wohl auch unerfahren mit
Kindern. Franziska hat ihnen geholfen, mit Waschen, verpflegen, usw.
Und ihnen auch Handtuecher und Babysachen geschenkt. Ihre kleine 3
jaehrige Tochter hatte ihr Lieblingshandtuch mit nem Teddy drauf und
Seife und Shampoo gepackt und es dem Baby geschenkt, von sich aus
wohlbemerkt. Waehrend sie das erzaehlten sah ich, dass Lukas Traenen
in den Augen hatte, so hatte ihn diese Geschichte der Armut dieser
Familie und dem guten Herzen seiner Tochter wohl geruehrt. Ich war
mit dem Radl zu Lukas gefahren, im Office haetten wir das Schloss
fast nicht auf bekommen. Das ist schon eine Unsitte mit dieser
Abschliesserei hier. Ich fuhr im Stockdunkel bis mir ein Motorrad
Geleitschutz gab und mir leuchtete. Heimwaerts wieder das selbe. Ich
konnte den Weg nur erahnen. Bei Piragalathans Bruder hab ich noch
mene Kamera abgegeben, er ist Lehrer und moechte sie beim Sportfest
nutzen. Ist mir ja nicht ganz wohl dabei, aber er wird schon
aufpassen.
Mullaittivu Office, 20.02.06
19 Uhr Bautag 19
Ein Tag mit nur 31 Grad und diese 2 Grad
machens voll aus. Kaum geschwitzt. Angenehmes Klima. Und fast alle
Maurerarbeit geschaft.Nur noch 2 Stunden. Zuerst haben wir die hohen
Mauern gemacht und am Nachmittag dann die niedrigen. Hatte wieder
den Helfer vom Samstag. Er ist gut, der Zement war fast immer super,
bis auf 2 Eimer, die waren Suppe. Meine Speisschuessel ist murinscht
(beendet) hinueber, der Rand unten ist durchgewetzt. Eine
Waschschuessel ist halt doch nur bedingt zum Mauern geeignet. Macht
nix, fuer 180 Ruppee (1,5 Euro) hab ich am Abend eine Neue
erstanden. Eine meiner neuen Hosen hab ich zum aendern gebracht, der
Schneider macht mir die Knie weng enger. Ein Tintenfass und Spritze
zum Auffuellen meiner Tintenpatronen gab’s auch in Mullaittivu Town.
Meine Patronen sind naemlich fast alle leer (2 Packungen) und dann
brauchte ich noch Bananen. War also ein richtiger Shoppingabend. Am
Morgen hatte ich beim Aufgeben des Briefes an Sabine 2 Briefe
ausgehaendigt bekommen. Einer von Maja und einer von Christin. Ach,
es ist so schoen Briefe zu bekommen. Und auch das Aufgeben der
Briefe im Postoffice, wo mich alle kennen.
Mullaittivu Office, 21.02.06
18 Uhr Bautag 20
Und dann passiert es mal wieder wie heute, dass
mir Piragalathan auf dem Fahrrad entgegenkommt und mir strahlend
einen Brief uebergibt. Ich hatte uebrigens am Vorabend meinen Foto
wieder gesund erhalten, von 3 strahlenden Bruedern, die trotz ihrer
ueber 20 Jahre gluecklich wie die Kinder gewesen waren den Foto
einen Tag nutzen zu duerfen. Diesmal war der Brief von Mama, Papa
und Regina. Ein seltsames Gefuehl, einen Brief der eigenen Mutter
und Schwester zu lesen. Habt ihr schon mal nen Brief von euerer Mama
gekriegt? Sie waren sehr schoen zu lesen, sie haben wohl viel Liebe
mit reingelegt in ihre Worte, meine Lieben. Solche Gefuehle fuer
meine Eltern und meine Schwester hatte ich noch nie, seltsam aber
schoen. So langsam weiss ich gar nicht mehr, wem ich zuerst
antworten soll. Ist viel zusammengekommen die letzten Tage. Auf
Baustelle wars heut etwas leichter. Die letzte Mauer war schnell
vollendet. Nun war erstmal saubermachen angesagt. Alle Waende
pruefen, ob sie korekt sind zum Verputzen und dann den kompletten
Fussboden stubenrein fegen. Es waren schon 2-3 Schubkarren Dreck,
also, nun ist’s sauber zum Verputzen. Nach der Mittagspause haben
Aja (So nennt man hier aeltere Leute, und mein Helfer ist schon 49)
und ich die Abdeckplatten fuer den Kamin, den Gottestisch und die
Letzten 3 kleinen Betonstuetzen betoniert und dann noch alle
Hauswaende “getraenkt” (etliche Eimer Wasser hingeschuettet) damit
der Zement besser aushaertet und mein Putz beim Auftragen genug
Wasser zum Abbinden hat und nicht aufbrennt. Beim Auskehren und
Waessern hat uns Ama fleissig geholfen. In der Stadt hab ich nach
ueber einer Woche endlich wieder mal ne Ananas bekommen.
Mullaittivu Office, 22.02.06
19.30 Uhr, Bautag 21
Nach dem Abendessen hab ich wieder mal 2
Stunden auf die Tastatur des Computers eingehaemmert. Hab den
Sonntag abgetippt. War schon ne Masse Buchstaben, ihr habt’s ja
gelesen. Am Montag hatte ich Micha nicht erreicht, also hab ich mich
um viertel vor 9 noch auf den Weg ins Telecomunikationcenter
gemacht. Sie war daheim und wir haben wieder lange telefoniert. Als
ich aus der Telefonbox rausgekommen bin war mein Hemd tropfnass
geschwitzt, immer diese Affenhitze in den Telefonboxen. In
Deutschland ist es nun auch weng waermer, nachdem sie einen
eiskalten Winter hinter sich haben, mit Unmengen Schnee in
Suedbayern. Die Eishalle, die in Bad Reichenhall wegen zu hoher
Schneelast eingestuerzt ist, hab ich ja noch mitbekommen. Nun soll
auch noch ein E-Center und paar andere Daecher eingestuerzt sein.
Zum Schlafen bin ich wieder erst um 10 gekommen, so langsam ist mein
Schlafbedarf auch geringer, hab mich wohl an die Arbeit gewoehnt.
Nun ging’s ja los mit Verputzen. In der Stadt hab ich am Morgen noch
eine Plane zum unterlegen gekauft, 8 Quadratmeter fuer3 Euro,
sauteuer, da haett ich ja bestimmt nen Zentner Reis bekommen. Na ja,
egal. Am Morgen haben wir dann zuerst das obere Stueck der firebox
(des Kamins) innen verputzt. Dann kam die Betonabdeckung drauf und
das Dach wurde modeliert. Mein Aja hatte fuer die erste Mischung
Putz den Maurersand verwendet, da sind lauter Kiesel drin, bin fast
verrueckt geworden, aber nachdem das Kamindach fertig war war dieser
Putz fast leer. Mit feinem Putz (sind trotzdem ab und zu kleine
Steine und Wurzeln drin) ging’s dann besser weiter mit
Kaminverputzen, nach der Mittagspause haben wir dann noch eine
Innenwand mit 8,5 Quadratmeter geschaft.
Insgesamt waren es also 15 Quadratmeter von ca 250, die wir verputzt
hatten. Gute Leistung bin sehr zufrieden. Feierabend war erst um
viertel sieben, es wurde schon dunkel.
Mullaittivu Office, 23.02.06
19.30 Uhr, Bautag 22
Einen Brief an Christin hab ich noch
geschrieben bevor ich Schlafen gegangen bin. In der Nacht bin ich
mal aufgewacht und konnte dann lange nicht mehr einschlafen. Frueh
war ich dementsprechend muede, meine Beine taten weh beim radeln. Es
stand viel auf meinem Plan fuer diesen Tag. 20 Quadratmeter Putz,
vier Waende und eine Tuerlaibung wollte ich schaffen. Hat auch
wieder super geklappt, nur die Tuerlaibung machte etwas
Schwierigkeiten. Hat aber am Ende auch funktioniert. Ab 3 Uhr haben
ein paar meiner Finger angefangen zu schmerzen. Der Zement hatte die
Haut weggebissen. Dieser verflixte Zement, bin ich froh, wenn ich
wieder daheim bin und wir das Haus fuer meine Eltern mit Lehm
verptzen. Da bat man abends immer schoene Babyhaende und nicht so
rissige und offene Pfoten. Da ich unbedingt mein Ziel an diesem Tag
erreichen wollte haben wir um halb 5 die vierte Wand angefangen. 7
Quadratmeter. Haetten wir besser lassen sollen, den beim Abreiben
hab ich fast nix mehr gesehen. Aber geschaft. Um
halb 7 war Feierabend, 4 aufgebissene Finger hab ich nun, deshalb
hab ich mein Puttu am Abend auch ohne Curry (so nennt man hier die
Beilagen, die immer sehr scharf sind) gegessen um die Finger ein
wenig zu schonen. War schon genug die Zitrone fuer mein
Erfrischungsgetraenk auszudruecken, haett fast geschriehen.
Mullaittivu Office, 24.02.06
19 Uhr Bautag 23
Tagebuchschreiben, in den Computer tippen, am
Morgen einen Brief an Micha anfangen zu schreiben, all das fuegt mir
momentan ganz schoen Schmerzen zu, aber ich hab’s gemacht. In der
Apoteke in der Stadt hatte ich 2 Paar Einweghandschuhe bekommen.
Wollte eingentlich 3 Paar, aber mehr gab’s nicht. Beim Anziehen hab
ich gemerkt, dass sie zu klein sind. Wenn ich die Finger spreizte
sind sie wieder zusammengeschnalzt. Aber es ging. 20 weitere
Quadratmeter Putz standen auf meinem Plan, das sind uebrigens um die
400 kg, die wir da pro Tag verarbeiten. Da muss mein rechtes
Handgelenk ganz schoen was leisten. Bis zum Mittag hatte ich die 2
Paar Handschuhe ruiniert. Und geschwitzt hab ich wieder, wie ne Sau.
Diesmal war nicht nur das Hemd so nass, dass es tropfte, nein, auch
die Hose war bis zum Fussbund tropfnass. Hab leider nicht aufs
Thermometer geschaut, aber durch die Feuchtigkeit im Putz ist’s nun
wirklich wie im Dampfbad. Da hilft nur trinken, trinken, trinken. In
der Mittagspause bin ich ins Hospital geradelt. Dort bin ich ja zum
Glueck bekannt wie ein bunter Hund. Es war keine Schwierigkeit 10
Paar Handschuhe zu bekommen, sie haben gepasst und waren auch von
besserer Qualitaet. 2 Packungen Messsticks fuer den Accu Check (Blutzuckermessgeraet)
des Krankenhauses hatte ich noch von Deutschland dabei, die hab ich
der Frau Doktor gleich uebergeben, dann zurueck auf Baustelle. Um
halb 5 hatten wir unsere zweite Wand fertig, endlich mal wieder eher
Feierabend. Einige Nachbarn kamen vorbei und wir haben uns noch ein
wenig unterhalten. Schon gut, mein Aja als Uebersetzer. Das
Fuessewaschen ist schon verhext hier, erst konnte ich sie nicht
richtig waschen, weil ich dort Wunden hatte, jetzt sind meine Finger
verwundet und ich muss wieder aufpassen. Wird aber schon langsam
besser. Einer meiner Maurer hat uns am Morgen ca. 4 kg Bananen an
ner Staude vorbeigebracht. Sie waren noch gruen. Am Abend waren sie
schon meistens gelb, Wahnsinn, wie schnell das hier geht.
Mullaittivu Office, 25.02.06
20.30 Uhr Bautag 24
Dieser Tag fing damit an, dass ich um 8 noch 20
Minuten aufs Fruehstueck warten sollte. Abhacken, Zu spaet. Hab
gesagt, ich kauf mir in der Stadt ein Brot und ess auf Baustelle.
Gesagt getan. Mein Aja wartete schon auf mich. Hab schnell ein Sieb
aus ner Dachlatte und nem Drahtgeflecht, dass ich am Vortag in der
Stadt gekauft hatte, zusammengebaut. Da es aber zu klein war hat der
Aja ein Grosses im Maurerstore geholt. Nun siebt er den Sand vor dem
Mischen und so hab ich keine Probleme mehr mit Unrat im Sand. Haben
den Kamin aussen und eine Wand mit 8 Quadratmeter geschaft, mehr als
ich vorhatte. Insgesamt haben wir nun 70 Qadratmeter fertig, 170
sind noch zu verputzen. Also noch 10 Tage + 2 Tage fuer die
Kleinigkeiten, dass wird eng, dass wir alles fertigbekommen, 10ter
Maerz ist mein Stichtag, da muss alles fertig sein. Vielleicht
sollte ich ne Stunde eher aufstehen, dann schaffen wir 5 Qadratmeter
pro Tag mehr. Aber nun ist erstmal Sonntag.
Mullaittivu sea, 26.02.06 17 Uhr,
Bautag 25
Also wieder frueh Waesche und um 8 ab
nach Kilinochchi. Die Luft war wieder erfuellt mit dem Duft von
geerntetem Reis. Einige Bauern waren auf den Feldern, doch die
meisten Felder sind nun abgeerntet. Es stehen nur noch Stoppeln da
und Kuehe grassen darauf. Auf einem Feld waren ein paar Bauern damit
beschaeftigt, ihren Reis von Staub und Strohresten zu befreihen.
Dazu hatten sie an die Zapfwelle ihres Traktors einen
Deckenventilator gebaut (1 Meter Durchmesser), in den Luftstrom
liessen sie den Reis fallen, die leichteren Bestandteile wie Staub
und Stroh fliegen weiter weg, der Reis faellt eher zu Boden, somit
ist er grob gereinigt. Auf einem anderen Feld hatten ein paar Bauern
eine Art Dreschmaschiene aufgebaut, auf der einen Seite wurde der
Reis (noch am Halm) eingeworfen, auf einer zweiten Seite flog das
Stroh im hohen Bogen heraus und auf einer dritten Seite fiel der
Reis direkt in Saecke. Wie jeden Sonntag sah ich auch heute ein paar
LTTE Tigerfrauen, die mit ihren MP’s am Weg patroillierten. Was ihre
Arbeit fuer einen Sinn hat, wissen sie bestimmt selbst nicht, ich
kann auf jeden Fall keinen erkennen. Was ich auch jeden Sonntag auf
diesem Weg hab, ist Gesichtslaehmung. Normal hab ich die ja nur,
wenn ich zu viel getrunken hab, hier hab ich auch im nuechternen
Zustand ein Dauergrinsen im Gesicht haengen, da ich immerzu
gegruesst werde und natuerlich auch zurueckgruesse, schoen so wie es
hier Sitte ist, mit einem Kopfschuetteln, letztes Jahr am Anfang
meiner Zeit hier dachte ich ja, sie wollen damit nein sagen, aber es
ist hier das Zeichen sowohl fuer einen Gruss, sowie auch fuer das
Wort ja. E-Mailen musste heute schnell gehen, ich war in Eile, da
ich mir vorgenommen hatte am Mittag noch die eine halbhohe Wand zu
verputzen. Es wird naemlich so langsam eng mit meiner Zeit und so
setz ich mich selbst unter Druck. Auf der Tamilpress Seite haben sie
ueber die Friedensgepraeche in Genf berichtet, sie sind gut
verlaufen, ich hab euch mal die Berichte auf meinen USB-Stick
kopiert um sie hier einzufuegen.
"Offizielle
Erklärung der beiden Konfliktparteien Sri Lankas"
Fri 24/02/2006
by bp // TAMILPRESS.COM
Der
norwegische Minister für internationale Entwicklung, Erik Solheim,
veröffentlichte gestern Abend in Genf ein Statement im Namen der
srilankischen Konfliktparteien, der Regierung Sri Lankas (GoSL) und
den Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE).
Erklärung
Sri Lanka Gespräche
22.-23. Februar 2006, Genf, Schweiz
Die Regierung Sri Lankas (GoSL) und die Liberation Tigers of Tamil
Eelam (LTTE) trafen sich in Genf am 22. bis 23. Februar 2006 zu
Gesprächen über das Waffenstillstandsabkommen.
Die Seiten diskutierten Fragen bezüglich des Waffenstillstandes,
einschließlich der Besorgnisse der muslimischen, singhalesischen und
tamilischen Zivilisten.
Die GoSL und die LTTE verpflichten sich, das
Waffenstillstandsabkommen zu respektieren und aufrecht zu erhalten,
und bestätigten wieder ihre Verpflichtung, vollständig mit der Sri
Lanka Monitoring Mission (SLMM) zu kooperieren und dessen
Entscheidungen zu respektieren.
Die GoSL und die LTTE verpflichten sich dazu, alle notwendigen
Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass es keine
Einschüchterungen, Gewalttaten, Entführungen oder Morde gibt.
Die LTTE verpflichtet sich dazu, alle notwendigen Maßnahmen zu
ergreifen, um sicherzustellen, dass es keine Gewalttaten geben die
Sicherheitskräfte und die Polizei gibt. Die Regierung Sri Lankas
verpflichtet sich dazu, alle notwendigen Maßnahmen gemäß dem
Waffenstillstandsabkommen zu ergreifen, um sicherzustellen, keine
bewaffnete Gruppe oder Personen außer den Sicherheitskräften der
Regierung Waffen tragen oder bewaffnete Operationen durchführen
werden.
Die GoSL und die LTTE diskutierten alle Fragen in Bezug auf das
Wohlergehen der Kinder im Nordosten, einschließlich der Rekrutierung
von Kindern.
Die SLMM wird bei der nächsten Sitzung der Gespräche über die
Umsetzung der obigen Vereinbarungen berichten.
Die Seiten ersuchten die schweizer Regierung, die nächste Runde der
Gespräche in Genf am 19.-21. April 2006 auszurichten.
"Politisierung
der Kinderrechtsfrage vermeiden"
Fri 24/02/2006
// TAMILPRESS.COM
In
der zweiten Sitzung des ersten Tages der Gespräche zwischen den
Liberation Tigers und der Regierung Sri Lankas in Genf am 22.
Februar 2006 sagte S. P. Thamilchelvan, dass der Vorwurf der
Rekrutierung Minderjähriger gegen die LTTE trotz seiner Relevanz für
das Waffenstillstandsabkommen (CFA) im Kontext des 20jährigen
Krieges und der andauernden Verletzung der Kinderrechte während
dieser Periode gesehen werden muss.
Auszüge des Erklärung von Thamilchelvan auf der Webseite des
LTTE-Friedenssekretariats folgen:
Selbst nach vier Jahren Waffenstillstand gibt es nach zwei Dekaden
des Krieges keine Normalität im Leben der Bevölkerung. Kinder haben
ihre Eltern verloren, wurden zu Tausenden getötet und verstümmelt,
ihre Schulen und Gebetsstätten durch Bombardierungen zerstört. Die
Delegation der Regierung Sri Lankas, die über das Wohlergehen der
Kinder spricht, wird die wirkliche Situation nur verstehen, wenn sie
die betroffenen Gebiete besucht und selber sieht.
Vor kurzem wurden fünf Studenten brutal von Streitkräften der
srilankischen Regierung ermordet. Ein fünfzehn Jahre alter Junge,
der bei seinen Eltern schlief, wurde von Kräften der srilankischen
Regierung schreiend aus seinem Schlaf gerissen und erschossen.
Universitätsstudenten und Lehrer wurden angegriffen. Wir möchten
darauf hinweisen, dass als Resultat der ethnischen Gewalt, die von
Ihrer Regierung entfacht wurde, tausende Kinder getötet wurden.
Kinder kommen in unsere Gebiete, um Schutz vor der Besatzung unseres
Heimatlandes durch die srilankische Armee (SLA) und der folgenden
Angst zu suchen. Unsere Organisation betreut diese Kinder zu
Tausenden in Kinderheimen und stellt sicher, dass sich ihrer
erzieherischen und anderer Bedürfnisse angenommen wird.
Anstatt zu versuchen, diese Bedingungen, in denen Kinder aufwachsen,
zu verbessern, ist die srilankische Regierung mehr daran
interessiert, Geschichten über minderjährige Jugendliche zu
lancieren, die unserer Organisation beitreten. Wir arbeiten mit
UNICEF zusammen, um die Kinderrechte zu fördern und zu schützen. Wir
haben ein besonderes Komitee im LTTE-Friedenssekretariat eingesetzt,
um dies weiterzuentwickeln. Wir haben bei verschiedenen Anlässen auf
die fehlerhaften Angaben der UNICF bezüglich minderjähriger
Jugendlichen in der LTTE hingewiesen. Wir haben ebenfalls die
Überstellung von Jugendlichen zu ihren Familien fortgesetzt, die als
minderjährig identifiziert wurden. Wir haben UNICEF auf diese Fehler
aufmerksam gemacht, und UNICEF hat dies akzeptiert.
Da die Friedensdividenden die Kinder nicht erreichen, leiden sie
unter Armut, dem Verlust ihrer Eltern, dem Mangel an Ausbildungs-
und Beschäftigungsmöglichkeiten und der Unmöglichkeit, in ihre
eigenen Heime zurückzukehren. Kinder, die in Schulen in von der
Regierung besetzten Gebieten gehen, sind Überprüfungen und langen
Verzögerungen ausgesetzt. Dies hat bei den Kindern zu Ängsten
geführt. Viele haben Schutz in unseren Gebieten gesucht.
Die meisten Vorwürfe von Eintritten Minderjähriger in die LTTE
kommen aus dem Osten. Mehr als 2.000 minderjährige Jugendliche, die
gegen die Anordnungen unserer Führung von Karuna, der für sein
Fehlverhalten später von unserer Organisation ausgeschlossen wurde,
wurden ihren Eltern übergeben. Dies zeigt, dass unsere Organisation
die diesbezüglichen internationalen Standards respektiert.
Viele 14, 15 und 16jährige, die von der nun mit der srilankischen
Armee zusammenarbeitenden Karuna Gruppe entführt wurden, haben die
Wahrheit ans Licht gebracht, dass sie in Camps der srilankischen
Armee trainiert wurden.
Es ist dringend erforderlich, sich um das Wohlergehen der vom Krieg
betroffenen Kinder zu sorgen und die richtigen Maßnahmen zu
ergreifen, um eine adäquate Ernährung, Ausbildung und die
Lebensstandards ihrer Eltern sicherzustellen. Es ist falsch, aus den
Problemen der Kinder ein polisches Thema zu machen, um politische
Vorteile zu erzielen.
Those who are truly concerned about the welfare of children must
refrain from selecting NorthEast and LTTE as their subject and
instead turn their attention to the serious child abuse and child
slavery that is going on in large scale in the south.
Da es keine Klausel im CFA gibt, die Rekrutierungen verbietet, ist
dies kein Thema, das dem Mandat der SLMM unterliegt. Stattdessen ist
es besser, die bei der SLMM eingegangenen Beschwerden an die
Organisationen zu übergeben, die sich direkt [mit diesen Problemen]
befassen, und das sind unsere Organisation und UNICEF.
Diejenigen, die wirklich um das Wohlergehen von Kindern besorgt
sind, müssen davon Abstand nehmen, den Nordosten und die LTTE
herauszupicken und stattdessen ihren Augenmerk auf den
schwerwiegenden Kindesmissbrauch und die Kindersklaverei lenken, die
im großen Ausmaß im Süden stattfinden.
"Hoffnung auf
Frieden in Sri Lanka, Tamilen und Regierung reden!"
Thu 23/02/2006
// TAMILPRESS.COM
Der
internationale Druck ließ beide Seiten vor einem Monat neuen
Gesprächen zustimmen. Ein erster wichtiger Erfolg. Und seitdem ging
die Gewalt deutlich zurück. Das gibt Hoffnung für die Verhandlungen
in Genf. Doch gleichzeitig warnen Beobachter vor allzu großem
Optimismus. In Genf wird zunächst lediglich über die Einhaltung des
Waffenstillstands gesprochen.
Auch Sri-Lanka-Experte Nagaion Manoharan dämpft die Hoffnungen: "In
diesen Gesprächen geht es um einen ersten Schritt. Beide Seiten
stehen unter Druck, sich irgendwie darauf zu einigen, wie man die
Gewalt verringern kann. Wenn die Grundprinzipien des
Waffenstillstands dann umgesetzt werden, ist das bereits ein großer
Erfolg.
Dann könnte es direkte Gespräche geben." Dann erst käme das
eigentliche Thema auf den Tisch: ein Friedensabkommen, der künftige
Status der Tamilengebiete. Doch der Weg dahin ist weit. Beobachter
erwarten allenfalls kleine Schritte.
Die internationale Gemeinschaft ist gefordert
Eine zentrale Rolle kommt dabei der internationalen Gemeinschaft zu.
Nicht nur den Vermittlern aus Norwegen, sondern Europa insgesamt,
den USA und Japan. Gastgeber die Schweiz deutete weiter
Unterstützung Richtung frieden an.
Sie sollten den Druck aufrechterhalten, ohne zu polarisieren,
empfiehlt Sri-Lanka-Experte Manoharan mit Blick auf die Tamil-Tiger
der LTTE: "Es hilft nichts, die Liberation Tigers of Tamil Eelam als
Terroristen zu brandmarken und auszugrenzen. Sie haben enorme
Unterstützung in der Bevölkerung. Sie sind nur einen Schritt vom
eigenen Staat entfernt. Gleichzeitig darf man ihnen nicht völlig
nachgeben. Die internationale Gemeinschaft sollte bestimmte Signale
geben: tut ihr dieses, unterstützen wir euch - tut ihr jenes, dann
drohen wir euch."
In Genf geht es erst einmal darum, ein gewisses Grundvertrauen
zwischen LTTE und Regierung wiederherzustellen. Ein Erfolg wäre da
wohl schon, wenn man weitere Gespräche vereinbarte, und es in den
Spannungsgebieten inzwischen relativ ruhig bliebe.
Ja, so sieht es im Moment aus, es gibt
auch mittlerweile viel weniger Nachrichten ueber Attentate und
Uebergriffe der Armee. Bitte betet mit mir,dass alles gut wird und
die Menschen hier nach ueber 2 Jahrzehnten endlich ihren
entgueltigen Frieden bekommen. Ich wuensche es ihnen. Auf meinem
Stendenkonto hat sich nicht viel getan, nur 10 Euro mehr, aber
immerhin 10 Euro. Danke an den Spender. In meinem Postfach dagegen
voller Betrieb, 48 neue E-Mails, 15 davon gute Mails, der Rest Spam.
Friederike hatte mir geschrieben, das es schoen ist jeden Sonntag
neues zu hoeren, sie ist seit Kurzem in Muenchen in der Uni als
Aerztin beschaeftigt und wohl noch weng fremd, da scheint es fuer
sie eine Wohltat zu sein, von Freunden zu hoeren. Wenn ich im
Fruehling die Heike in Muenchen besuch, dann werd ich auch mal bei
ihr vorbeischauen. Richard hatte mich gebeten, bevor ich nach
Deutschland zurueckgehe, ob ich da noch mal in Kalutara bei ihrem
Kinderheim vorbei kann. Ich will es versuchen, es stand ja von
Anfang an auf meinem Plan. Aber es wird sehr eng. Um 12 sass ich
schon wieder auf dem Motorrad Richtung Heimat. Diesmal hatte ich das
neue Motorrad bekommen, so konnte ich mal schaun, wie schnell ich
fahr. Es waren tatsaechlich meistens so um die 60 kmh, wie ich
geschaetzt hatte. Bevor ich ins Office fuhr bin ich schnell auf
Baustelle vorbei. Die Zimmerer waren auch wirklich da, wie meine TRO
Jungs es mir am Vortag gesagt hatten, die ersten Kanthoelzer lagen
schon auf den Mauern. Da sie meinten, dass sie 3 Tage brauchen, hab
ich mich entschieden, heute nichts zu arbeiten, da wir eh eigentlich
auf die Zimmerer warten muessen um weiter verputzen zu koennen.
Statt dessen bin ich in den Cooldrinkshop am Camp und hab mir nen
Cooldrink gegoennt. Dann schnell ins Office, das Motorrad
zurueckgeben, Tagebuch und Briefmappe schnappen und ab ans Meer. Bin
heute nicht weit gekommen hier, es liegen einfach zu viele schoene
und noch schoenere Muscheln hier rum. Bin ganz langsam gelaufen und
hab ganz genau gekuckt um auch wirklich die schoensten zu finden. Da
kann ich Alexandra ne exta schoene mitbringen, oder sogar zwei oder
drei. Und auch fuer ein paar andere Freunde sind ein paar dabei.
Doch so schoen dieser Anblick auch ist, so traurig ist er doch
eigentlich. Schliesslich sin des alles tote Tiere, die hier
rumliegen und die ich gesammelt habe. Wenn in einer Muschel noch
Leben drin war hab ich sie zurueck ins Meer geworfen. Auf einer ganz
besonders schoenen waren lauter komische Dinger, sahen aus wie
Korallen. Die hab ich fotographiert und dann auch dem Meer
zurueckgegeben. An einem schattigen Platz hab ich mich gesetzt und
geschrieben, erst nen weiteren Brief an meine Micha und einen an
Enrico und dann Tagebuch. Ist schon ne komische Situation,
einerseits vermiss ich die beiden und will schnell zurueck zu ihnen,
andererseits wuensch ich mir ne Woche mehr Zeit hier um alles zu
erledigen und zwar ohne Zeitdruck. Aber am Ende wird es passen. Muss
unbedingt mal wieder in meinem Kriegerhandbuch lesen, damit ich
meine Ruhe wiederfinde. Gut dass es die Sonntage gibt, sonst wuerdet
ihr dies Buch wahrscheinlich bald weglegen, weil ich bestimmt jeden
Tag viel aehnliches schreib. Die naechsten beiden Wochen kann ich
euch fast nur vom Verputzen berichten, aber ich werd mich bemuehen,
das es interresant bleibt. Lukas hat mir letztens gesagt, dass er
ein Buch liest, in dem beschreibt ein Mann die Flora und Fauna auf
Schottland waehrend seines Urlaubs dort. Er schrieb wohl immer das
selbe, die schoenen Blumen, … Hoffentlich ist es nicht so fuer euch,
dass ich immer das selbe schreib. Dass ich mich oft wiederhole ist
klar, es ist haltmal oft tagelang die selbe Arbeit, aber ich versuch
immer ne Abwechslung rein zu bekommen.
Mullaittivu Office, 27.02.06 19 Uhr,
Bautag 26
Es gibt ja immer wieder viele
Kleinigkeiten zwischendurch zu berichten. Da ich mich ja unter Druck
setze und den dann schnell wieder los werden will, hab ich mich dazu
entschlossen, nun immer um 7 Uhr mit der Arbeit zu beginnen. Bis
mein Aja kam hatte ich schon alles vorbereitet und Sand gesiebt.
Fruehstueck brachte mir der Store room Boy vom Office um 8. Wir
legten also los, nur diesmal ist mir ein Missgeschick passiert, ich
hab mit der falschen Wand angefangen. So musste ich den ganzen Tag
in der Sonne arbeiten. Am Samstag war ich besser, da hab ich immer
im Schatten arbeiten koennen, weil ich die 3 Seiten des Kamins im
Norden begonnen hab, dann Ostseite, dann Suedseite, immer schoen im
Schatten. Aber auch am Samstag ist mir ein kleines Missgeschick
passiert, da hatte ich vergessen, das letzte Stueck Putz zu
glaetten. Vielleich kann ich es ja noch ausbessern. Und nach dem
Streichen sieht man es eh fast nicht mehr. Also heute halt den
ganzen Tag Sonne, aber trotzdem wieder um die 20 Quadratmeter. Die
Zimmerer sind erst mittag um halb 3 gekommen, wie auch das Essen
meines Helfers. Also war heut erst um halb 3 Mittagspause. Etwa zu
der Zeit kam auch Piragalathan vorbeigeradelt und hat mir 4 Briefe
in die Hand gedrueckt. Von Caro, Maja, Eva und von meiner Micha.
Alle, bis auf den von Micha hab ich in der Mittagspause gelesen, der
von Micha war einfach zu dick, 14 Seiten, den werd ich gleich in
aller Ruhe lesen. Wie hatte ich noch letzte Woche in dem Buch
gelesen, was die Richtschnur fuer echte Liebe ist:
>“Was kann ich tun, damit unsere
Beziehung noch besser wird? Und da wird klar, dass ich mehr tun muss
als mein Partner, dass ich den anderen-menschlich
geredet-uebertreffen will an Selbstlosigkeit, an kleinen
Aufmerksamkeiten, an Guete und Verstaendnis.”<
Darin liegt fuer mich schon lange der
Sinn des Lebens, andere, insbesondere meine Frau/Familie gluecklich
zu machen und dabei selbst guecklich zu sein. Ja, und meine Micha,
die hat es geschafft mich zu uebertreffen, der Brief fuer sie, der
heute frueh seinen langen Weg im Briefkasten des Mullaittivu Post
Office angetreten hat, hat nur 8 Seiten. In den anderen 3 Briefen
waren auch lauter liebe Sachen gestanden. Caro hatte mir einen
Spruch mit rein geschrieben, der wiedermal genau auf meine Situation
gerade passt, als ob sie wuesste, wie ich mich grad fuehl.
“Wachsen heisst, ueber das
Hinauszugehen, was Du heute bist. Verlasse Dich auf Dich selbst.
Ahme nicht nach. Tu Nicht so, als haettest Du das Ziel erreicht und
ueberstuerze nichts. Versuche einfach zu wachsen” Swarni Prajnapad
“Ueberstuerze nichts, versuch einfach
zu wachsen”, Ich glaub, dass hab ich heute frueh wieder begriffen,
ich muss einfach kontuniierlich weitermachen, Mehr wie arbeiten kann
ich nicht. Der Satz: “Ahme nicht nach” ist fuer mich nicht
bedeutend, ich schaue zwar immerzu ab, aber nur, um von anderen zu
lernen und es nach Bedenkzeit besser zu machen. Nachahmen tun so
viele Menschen, mit Scheuklappen der Mode, u.s.w. nachlaufen, aber
dieses Thema hatten wir ja schon am Sonntag vor einer Woche. Es war
also doch wieder ein interresanter Tag, Besucher waren auch wieder
genug da, darunter ein Tamile, der fuer’s Deutsche Rote Kreuz
arbeitet, sie bauen hier 3 Haeuser. Hab ihm gleich Tipps uebers
Bauen gegeben, da er der Maurerboss ist. Und ueber Tamil eelam haben
wir uns unterhalten, er war recht jung, etwa 24. Er findet das
Staatssystem hier zu streng, moechte raus und hat mich gefragt, ob
er mit mir nach Deutschland kann, das fragen mich uebrigens viele
hier. Hab ihm geantwortet wie den anderen allen auch, dass ich
alleine nach Deutschland gehen werde, aber wenn er hin will, dann
soll er halt kommen, er ist halt dann auf sich alleine gestellt. Hab
ihm auch erklaert, dass ich finde, dass er hier im Paradies lebt,
und froh sein sollte. Obwohl, je laenger ich hier bin, desto mehr
muss ich sagen, dass es fuer mich hier keine ewige Zukunft waere,
vielleicht wuerde es anders aussehen, wenn Micha und Enrico dabei
waeren, und ich zu Hause auf unserem Hof nicht gebraucht wuerde, ich
weiss es nicht. Auf jedenfall geniese ich die Regellosigkeit hier,
keine Berufsgenossenschaft am Bau, keine Helmpflicht beim
Motorradfahren, Einfach einfach. Auf jeden Fall scheint es fuer die
Jungs hier nicht so einfach zu sein, ist auch schon bloed, wenn ich
mich mit meiner eigenen Freundin nicht haendchenhaltend in der
Oeffentlichkeit zeigen darf. Einer unserer Officebuben hier (etwa 23
Jahre) hatte am Wochenende Besuch von einem Freund, etwa so alt wie
er, die beiden hab ich die drei Tage nur haendchenhaltend und
nebeneinandersitzend turteln sehen, ist schon komisch, die waren wie
zwei frisch verliebte teenies. Das heisst aber jetzt nicht dass sie
schwul sind, ne, das ist hier ganz normal, das Jungs untereinander
haendchenhalten, so wie auch Maedels untereinander. Selbst
hochrangige 50 jaehrige Maenner vom Headoffice in Kilinochchi haben
mich schon bei der Hand gehalten, am Anfang fand ich es seltsam,
aber man gewoehnt sich an alles. Das Heimfahren gestaltete sich
etwas schwierig, die Strasse wo wir immer fahren hatte ne neue
Schicht Grabl (ist wie lehmiger Schotter) bekommen und war noch
nicht verdichtet. Meinen Aja nehm ich ja immer auf dem
Gepaecktraeger mit zu seinem Haus. Sind oefters mal ganz schoen ins
Schlingern gekommen. Beim Abstellen meines Radl’s im Office meldete
sich wie jeden Tag an dieser Stelle meine Blase, ist schon komisch,
den ganzen Tag muss ich nicht pinkeln (ausser an dem Regentag) erst
wenn ich mein Rad hier abstell drueckts.
Mullaittivu Office, 28. 02.06 19 Uhr
Bautag 27
Das ist halt so eine Gewohnheit. Es
ist schon was, wie sich der Koerper an verschiedene Dinge gewoehnt.
So z.B. hatte ich am Anfang meiner Zeit hier Probleme mit dem
Fahrradsattel, mein Hintern hatte wehgetan. Mittlerweile hab ich da
gar keine Probleme mehr. Das ist auch gut so, denn wenn ich wieder
zu Haus bin will ich dort auch wieder oefer mit dem Rad fahren,
hauptsaechlich, wenn ich abends zu Micha fahr, das sind 12
Kilometer, gut zu schaffen. Eine weitere neue Gewohnheit hier ist,
dass ich immernoch keine Unterhose trag, erinnert ihr euch ans
letzte Tagebuch, im letzten Jahr hatte ich meine Unterbumbel ja 82
Tage an, hat euch beim Lesen bestimmt gegrausst, aber wie
geschrieben, ich hatte sie ja jeden Tag am Koerper gewaschen. Dieses
Hoesle hab ich dieses Jahr auch wieder dabei, es ist ja mein
Badehoesli, ich trag es immer zum Duschen am Brunnen und haengs dann
wieder an die Leine. Haett ich ja nie gedacht, das ich damit
zurechkomm, so ohne was drunter, aber es ist schoen, es zwickt nix
und die Waesche kann ich mir auch sparen. Und noch eine weitere neue
Gewohnheit, die mir zeigt, das sich der Koerper auf viele einstellen
kann. Meine Schlafgewohnheit. Am Anfang konnte ich auf meiner Matte
nicht auf der Seite liegen, es war zu hart, jetzt geht das sehr gut.
Kreuz- und Gliederschmerzen kenn ich nicht, hatte ich hier noch
nicht. Und auch mein Schneidersitz klappt immer besser, da ich ja
oft beim Tagebuch und Briefeschreiben auf dem Boden neben meinem
Stuhl sitz, erstens kann ich da meinen Saram (Nationaltracht, Rock
fuer Maenner) schoen ueber die Beine tun und es stechen mich dadurch
keine Moskitos an den Beinen und zweitens bin ich da meinen Hopsis
(Froeschen) naeher, die mich ja fast jeden Tag besuchen, mal einer,
mal zwei, manchmal auch vier. Eine Gewohnheit hab ich diese Woche
aufgegeben, meinen Sonnenaufgang kann ich nun morgens nicht mehr
beobachten, ich hab nicht etwa meinen Schlafplatz verlegt, nein, ich
steh nun ja vor der Sonne auf, um um 7 Uhr beim Haus meines Aja zu
stehen und ihn abzuholen. Um sieben an der Kreuzung hatten wir am
Vortag ausgemacht, dann fahren wir gemeinsam auf Baustelle, er
hinten auf meinem Gepaecktraeger. Aber auch um 10 nach 7 war er noch
nicht da, ich sass wie auf Kohlen, die 2 groessten Waende warteten
auf uns. In dem Haus, wo er wohnt sagten mir die anderen Maurer,
dass er in der Stadt ist um Brot zu holen. Und ich sass da mit
meinem Bauchwehzeitdruckgefuehl. Bin dann alleine auf Baustelle
gefahren, hab mein Geruest gebaut und den ersten Speis gemischt.
Dann kam er angelaufen, um halb 8. nun schnell loslegen. Hat auch
super geklappt, diesmal war auch eine Stuetze mit zu verputzen,
nicht einfach. Aber es ging. Auf dem Mittelstueck, wo die ganzen
Bukali auszusparen sind bin ich ins Stocken geraten, diese Ebene
wollte einfach nicht fertig werden, da ich ja auch noch ueber eine
kleine Mauer steigen musste um das kleine Stueck ausserhalb auch
gleich mitzumachen. Nach unten ging es wieder besser, nur die
Stuetze mochte mich nicht. Der Putz fiel wieder raus, es war zu
wenig Zement drin um auf Beton zu verputzen. Also wieder die unteren
eineinhalb Meter wegkratzen und mit mehr Zement noch mal machen. Es
war schon 1 Uhr und mir war klar, dass wir die zweite Wand nicht
mehr schaffen. Und meine Lust liess eh zu wuenschen uebrig. Erstmal
musste ich mich in ein Eck setzen und ruhen, mich dem goettlichen
Licht ueberlassen. Ich war ausgebrannt, war kurz vorm Durchdrehen.
Wollte nur noch heim nach Deutschland, sah keinen Sinn, ein Anfall
von Depri. Und dass, obwohl noch 2 Stunden vorher eine Frau gekommen
war, die sagte, dass unser Haus das schoenste weit und breit ist und
alle Leute und Maurer kommen, um zu schauen. Ja, dass war schon ein
schoenes Kompliment, es ist schon wichtig, dass ich da bin, aber es
ist halt sehr viel grad fuer mich. Nach einer ausgedehnten
Mittagspause, in der mein Aja tief und fest geschlafen hat und ich
Michas Brief ein zweites Mal gelesen hab, haben wir dann noch die
Feuerstelle ausgemauert. Sie besteht aus dem Betontisch, auf dem ein
Podest gemauert ist, in das 2 runde Oeffnungen eingelassen sind, in
ihnen wird von vorn mit Holz gefeuert und oben stellt man die Toepfe
drauf. So hatten wir am Abend doch keine Zeit verloren wie ich am
Anfang dachte und Gedanken darum, wie ich die Feuerstelle mach, muss
ich mir auch nicht mehr machen. Mein Aja hatte die lange Pause und
den gemuetlichen Nachmittag auch bitter noetig, der hatte den ganzen
Sonntag Fussboden betoniert. Wenn er nicht bald ne Pause macht
klappt er mir noch zam. Der Brief von Micha war wieder wundervoll zu
lesen, es ist fast wie ein Tagebuch, so kann ich an ihrem Leben
teilhaben, auch auf die grosse Entfernung. Nach Feierabend hab ich
mit ihr telefoniert, wollt ich am Vortag schon machen, aber da gab’s
keine Leitung. Es ist immer so ne Sache im Telecomunicationcenter,
erst bin ich voller Ungedult, weil ich lange warten muss, wenn Leute
vor mir lange telefonieren, oder viele vor mir da sind und dann
telefonier ich ewig und andere muessen warten (meist 30-40 Minuten).
Micha will im August mit Sana (Eine afrikanische Freundin von ihr,
die Geld fuer eine Kirche und ein Kinderheim in Afrika sammelt) ein
Afrikafest im Roemerhof aufziehen, scheint was groesseres zu werden,
wuerd mich freuen, euch alle dort zu treffen, ist fuer nen guten
Zweck, irgendwann im August, steht dann bestimmt in der Zeitung. In
Deutschland hat es wiedermal geschneit, Regina, meine kleine
Schwester hat heute Geburtstag, nun ist sie schon 13 und
Faschingsdienstag ist auch noch. Das ist das zweite Jahr, wo ich
diesem Spektakel aus dem Weg gegen kann, weil ich hier bin. Ist mir
ganz recht so. Heute sind zwei Drittel meiner Zeit hier um, Naechste
Woche um diese Zeit werd ich mich denk ich wohler fuehlen, da weis
ich hoffentlich, dass ich fertig werde und zwar inclusive Streichen.
Bis dahin wird mich wohl ein staendiges Bauchwehgefuehl begleiten.
Na ja, werds’s ueberleben. Mit den Zimmerern bin ich nicht so recht
zufrieden, die sind so dermassen langsam, das ist zum aus der Haut
fahren, morgen frueh muessen sie es unbedingt schaffen, die eine
Ecke Balken zu montieren, sonst zerstoeren sie mir beim Nageln
wieder meinen Putz. Eigentlich sollte das Dach ja heut abend fertig
sein, na ja, auch das wird noch werden.
Mullaittivu Office, 1.03.06 18 Uhr,
Bautag 28
Nur die Ruhe bewahren. Abschalten hat
am Abend ganz gut geklappt, nur gut, dass es Briefe gibt. Regina war
dran, das Geburtstagskind. Und um 9 hab ich geschlafen. Frueh bin
ich fast nicht aus dem Bett gekommen, aber als ich dann die 2 Fuhren
Sand aus meinen Augen gerieben hatte hat alles in mir wieder
gezappelt, nur schnell los. Diesmal war mein Aja puenktlich, und um
halb 8 waren die ersten Kellen Putz an der Wand. Keine Stuetze
diesmal, nur eine Innenrundung, fuer die hatte ich auch ein
besonderes Werkzeug gefunden, einen Loeffel, um die Rundung schoen
glaetten zu koennen, was ich nicht so alles in meinem Rucksack mit
mir rumschlepp. Deshalb ging es heut auch viel schneller voran. Nur
am Morgen, da hatte ich nen kurzen Anfall mit ein paar
Kraftausdruecken an die Wand gerichtet. Es war zu wenig Zement im
Putz und so hat er nicht gehalten, hab’s Aja erklaert, ganz ruhig
und 2 Eimer spaeter war die Mischung wieder optimal. Meine
Kraftausdruecke hab ich nicht gegen Aja gerichtet, er kann ja nix
dafuer, das ich manchmal weng spinn, nachdem ich wieder runter war
von meinem “Ich schmeiss gleich alles hin” Trip, hab ich ihm
erklaert, dass ich manchmal weng krank im Hirn bin. Bei unserer
zweiten Wand war die eine Geruestplanke weng kurz, Krach hat’s
gemacht und ich und meine Speiswanne waren eineinhalb Meter tiefer.
Totalschaden, die Wanne war hin, ich hab’s in meiner
Geistesgegenwart irgendwie geschafft, mich an dem einen Holz
festzuhalten, fragt mich nicht wie, ich kann’s mir selbst nicht
erklaeren, auf jeden Fall ist mir ueberhaupt nix passiert bei dem
Absturz. Einer der Zimmerer hat mir sein Mopet geliehen und so war
10 Minuten spaeter der erste Putz in der neuen Schuessel, die ich in
Mullaittivu schnell gekauft hatte und weiter ging’s bis zum Abend.
Die Zimmerer waren auch gut fleissig, alle Balken sind drauf und
eine Seite ist auch schon gelattet.
Mullaittivu Office, 2.03.06 19 Uhr,
Bautag29
Der Abend verlief wie gewohnt
hektisch, es waren wieder einige Seiten abzutippen, hab bis 9 Uhr
gebraucht. Dann schnell Essen und gleich schlafen. Der nun folgende
Tag war ein voll Power Tag, 26 Quadratmeter verputzt. Wieder 2
offene Finger weil die Handschuhe immer so schnell kaputt gehen und
ich zu geizig bin neue zu nehmen und diesmal auch 2 Wunden an den
Zehen, dass ist gar nicht gut. Bis jetzt blieb mir das zum Glueck
erspart aber nun ist es doch so weit. Verantwortlich dafuer mach ich
den Regen heute, ja, um 12 hat es angefangen zu regnen, hat aber zum
Glueck nach 20 Minuten wieder aufgehoert, waere sonst ne
Kathastrophe geworden, das haette meine Wand zerstoert. Als es
angefangen hat, hab ich den lieben Gott ganz doll gebeten, dass er e
s wieder aufhoeren laesst, ist ja eigentlich nicht meine Art,
normalerweise sag ich immer: “Wie du willst, so lass es geschehen”,
aber heute war es einfach wichtig, dass es aufhoert. Und er hat mich
erhoert, es hat aufgehoert. Dadurch, dass der heruntergefallene
Zement am Boden nun nass war, war er noch agressiver als sonst und
hat meine Fuesse aufgebissen. Morgen halt vorsichtiger. Die Zimmerer
sind nun mit den Holzarbeiten fast fertig, nun muessen sie nur noch
Ziegel drauflegen, ist interresant mit ihnen am Bau, Abwechslung.
Wie viele andere, so haben auch sie mich gefragt, was das fuer
Baendchen an meinen Fuessen sind und auch ihnen hab ich die
Geschichte von dem armen Fischer erzaehlt, der beim Tsunami seine
ganze Familie und sein Hab und Gut verloren hat. Ihn hab ich noch
nicht treffen koennen, weil ich die Adresse nicht mit hab. Waere es
wichtig, ihn zu treffen? Ich mess dem nun mal keine so grosse
Bedeutung zu, kann nicht alles machen. Grad ist wieder mal
Fliegeralarm, sind sehr aggressiv heute die Luftangriffspiloten. Die
schiessen heut scharf. Was ich meine sind Moskitos, die stechen grad
ganz schoen arg. Gegen Abend hatten wir besonderen Besuch am Bau,
zwei Deutsche von Roten Kreuz. Das rote Kreuz baut 3 Doerfer mit der
Weltbank zusammen auf haben sie mir erzaehlt und sie sind zum
Beaufsichtigen da. Sie haben mich auf ein Bier an nem Sonntag in
Kilinochchi eingeladen, mal schaun, Sonntag in ner Woche koennte es
klappen. Da kann ich mir die Zeit bestimmt nehmen. Und noch ein
Besucher ist mir auf dem Nachhauseweg entgegengekommen, Shiva von
TRO-Germany, mit ihm hatte ich telefoniert, als ich in Deutschland
meinen Trip geplant hab. Er ist fuer 2 Wochen hier und besucht die
Projekte, die TRO-Germany unterstuetzt.
Mullaittivu Office, 3.03.06 17 Uhr,
Bautag 30
Grundsaetzlich gesehen haette ich mich
ja gerne noch laenger mit ihm unterhalten. Und doch war ich froh,
dass er nur wenig Zeit hatte, denn auch meine Zeit war wieder sehr
begrenzt. Warum? Franziska, Lukas Frau hatte dreisigsten Geburtstag
und ich war eingeladen. Diese Fete wollte ich mir natuerlich nicht
entgehen lassen. Geduscht hab ich waehrend ich mich mit Shiva
unterhalten habe, so bin ich auch endlich zu meinem Duschfoto
gekommen. Als Shiva gegangen war noch schnell Tagebuch schreiben und
los gings ins Hill Country von Mullaittivu. Lukas und seine Familie
wohnen naemlich auf dem hoechsten Berg in der ganzen Gegend, eine
Erhebung von ca 10 Hoehenmetern, wenn ueberhaupt. Franziska hat sich
gefreut, dass ich doch gekommen bin, obwohl ich am Sonntag sagte,
dass es nicht sicher ist. Ca 40 Leute waren da, es gab Bier, selten
hier, Reis mit viel Curry (Beilagen) darunter auch richtige
Haenchenschenkel, etwas, das es hier eigentlich nicht gibt, hier
wird alles ganz klein gehackt (Lustig, grad beim Korekturlesen hab
ich bemerkt, dass ich statt “gehackt” “gekackt” geschrieben hab,
lustiger Verschreiber, oder? Obwohl, wenn man sich’s bildlich
vorstellt). Und eine Fruchtbowle mit Ananas, Apfel, Bananen und nem
Schuss Arak gab’s, sehr lecker. Ich bin nur bis halb 10 geblieben,
erstens, weil ich schon im Stuhl eingeschlafen bin und zweitens,
weil am naechsten Morgen um 6 die Nacht vorbei ist. Als dann auch um
punkt 6 mein Wecker klingelte kam’s mir so vor, als waer ich aus
Blei, Schwer. Aber es half nix, auf, los gehts. Aja abholen und auf
Baustelle. Bei der Fahrt dorthin meinte Aja schon, dass das Klima
regnerisch ist und auch ich hab die Schwuele gespuert. Wir fingen an
zu arbeiten und um halb 11 begann es auch schon zu schuetten. Den
einen fertigen Teil der Wand konnte ich durch eine Plane retten,
aber 2 Quadratmeter waren verloren, die hat der Regen
runtergewaschen. Die Zimmerer hatten sich in den Kamin gesetzt, da
ist ja schon ein Dach drueber, Aja war ins Materiallager gegenueber
gefluechtet. Ich hab mich auf die Kuechenmauer gelegt und hab mich
nassregnen lassen. Nach ner halben Stunde bin ich zu den Zimmerern
und wir haben zusammen Album und Tagebuch angeschaut. Um 12 Uhr
klarte es ein wenig auf und wir machten weiter, Die Zimmerer deckten
das Dach, Aja mischte Speis und ich mischte den heruntergefallenen
Speis neu auf und began von neuem. Meine Nerven waren ganz ruhig,
komisch, da hab ich tagelang ein Zeitdruckbauchwehgefuehl und dann
bin ich ganz ruhig wenn ich sehe, wie es meine Wand wieder
runterwaescht. Danke lieber Gott, dass du mir diese ungeheuere Kraft
und Geduld gibst. Nur das Wasser, vermischt mit dem Zement am Boden
gab mir zu denken, ich hatte zwar meine verwundeten Zehen schon mit
Tesakrepp verbunden, aber dass nuetzt bei so einer Giftbruehe auch
nix. Es begann auch wieder zu regnen und kurz vor Fertigstellung
fiel ein halber Quadratmeter wieder von der Wand. “Wele murunschide”
(Feierabend) sagte ich ganz ruhig. “Aja, take the shable and put
Sandu outside” (Aja, nehm die Schaufel und schaff den Speis raus)
Ich hab die Ansaetze noch begradigt und dann haben wir alles
saubergemacht. Dies alle geschah mit so einer ungeheueren Ruhe
meinerseits, dass ich selbst ueberrascht war. Es ist wohl, weil ich
grundsaetzlich den Regen sehr mag und weil ich vielleicht wieder
kapiert hab, dass ich nicht so wichtig bin, dass es auch ohne mich
fertig werden wuerde, oder, dass ich zur Not die Besuche in den
Kinderheimen ausfallen lassen kann und so noch 5 Tage mehr Zeit hab.
Nun noch schnell Mittagessen und dann ab nach Hause. Hab Aja nach
Hause gebracht, bin dann noch schnell meine noetigen Sachen kaufen
gegeangen, unter anderem wieder 10 Kuvere, 30 sind schon verschickt,
und dann ins Office. Dort hab ich erst meine Kleider, dann meine
gesammelten Muscheln und dann mich gewaschen. Dann ging’s ans
Schreiben, einen Brief an Mama und Papa, dabei hab ich “Pur”
gehoert, beim Lied “Weist du Papa ich hatte dich lieb” hatt’s mich
geschuettelt und ich hatte Traenen in den Augen, ja, ich hab schon
die besten Eltern die man sich wuenschen kann und ich freue mich,
bald wieder bei ihnen sein zu koennen. Nach dem Brief war Tagebuch
schreiben dran. Insgesamt schon wieder 2 Stunden. Mein Hopeprojekt
Tagebuch ist nun uebrigens voll, nun gehts weiter mit nem Sri Lanka
Ecerxice book, karriert, 22 Tage, bevor ich wieder daheim bin.
Dieser Regentag hat auch wieder seinen Sinn, es fehlen mir zwar 12
Quadratmeter Putz, aber ich hab wenigsten mal ein bisschen langsamer
gemacht
Mullaittivu Office, 4.03.06 18 Uhr,
Bautag 31
Es werden wohl auch noch ein paar
Seiten werden. Hab mal ueberschlagen, 200 DIN A5 Seiten Tagebuch und
ca 110 DIN A4 Seiten Briefe hab ich bis jetzt geschrieben, dass sind
ca 40-50 Stunden Schreiben mit dem Fueller und nochmal 50 Stunden
Abtippen des Tagebuches. Schon ne kleine Leistung. Am Haus
gearbeitet hab ich ziemlich genau 300 Stunden bis jetzt, 30 Tage a
10 Stunden. Davon heute nur 2 Als ich frueh um 7 aufbrach hat es
wieder geregnet. Hab mich dann erstmal bei dem Haus untergestellt wo
Aja untergebracht ist, er wohnt dort mit noch 15 anderen Maurern und
Helfern. Sivanan, der Maurerboss war grad da und sie diskutierten.
Aja hat mir uebersetzt, dass es drum ging, dass einige von ihnen
zufiel Todi (Palmwein) trinken. Er meinte, sie groelen dann nachts
oft rum und ihre Arbeit ist nicht gut. Ich hab gleich Sivanan
gefragt, ob ich ab Montag noch nen Trupp Maurer zum
Aussenwandverputzen haben kann, den alleine mit Aja schaff ich es
nun nicht mehr, erstens werden meine Glieder von Tag zu Tag schwerer
und zweitens haben wir durch den Regen zu viel Zeit verloren. Er
schickt mir nun am Montag noch nen Trupp. Als es um 8 Uhr aufgehoert
hatte zu regnen sind wir auf Baustelle. Verputzen wollte ich nicht
anfangen, dazu war noch zu viel Wasser im Haus und meine Fuesse sind
noch nicht heil genug. Aber Ziegel an den Walmen beschneiden, das
war moeglich. Aja schockte mir die Ziegel hoch, die noch da waren
und los gings. Bei uns daheim wuerd ich da je Seite ungefaehr ne
halbe Stunde brauchen, von der Walmkante 2 Ziegel ruebermessen,
abflexen und Zwei Ziegel dazwischendecken. Diese Technik hab ich mir
waehrend meiner Ausbildung als Gas- Wasserinstallateur von den
Dachdeckern abgekuckt. Hier geht das weng langsamer, mit dem Hammer
jeden Ziegel so lange behauen, bis er passt. Zwischendurch brechen
natuerlich manche an der falschen Stelle und ich musste von neuem
anfangen, manche drei mal. Die Qualitaet der Ziegel ist
unterschiedlich, manche besitzen die Haerte wie unsere Ziegel in
Deutschland.Viele aber scheinen mit sehr niedriger Temperatur
gebrannt zu sein sind sehr poroes und brechen sehr leicht. Und
geregnet hat es wieder in Stroemen. Nach 2 Stunden hatte ich alle
Ziegel, die noch am Bau waren aufgebraucht und eine von 4 Walmseiten
fast fertig. Hab mein Fruehstueck mit Aja geteilt, weil seines nicht
gekommen ist. Und gefrohren haben wir alle beide. Das hatte einfach
keinen Zweck, also noch schnell am Brunnen gegenueber ein paar Eimer
Wasser ueber mich schuetten, denn ich sah aus wie ein Schlachter
durch das Ziegelrot und das Wasser. Und dann hab ich Aja nach Hause
gebracht und bin auch gleich heim gefahren. Dort war wiedermal ein
Bett zur Seite geruckt und es tropfte Wasser vom Dach herunter. Hab
mir 2 der TRO Jungs geschnappt und das Bett hochkant gestellt. Es
sind Eisenbettgestelle, und so konnte ich es schoen als Leiter
nutzen und hab den Ziegel wieder in Richtung geschoben, Problem
erledigt. Einer der beiden Jungs zeigte mir gleich das naechste
Leck. Dort musste ich an der Kehle einen neuen halben Ziegel
einschieben. Und dann sind wir zu zweit aufs Dach und haben ne halbe
Stunde lang die Plane, die ueber das Dach gespannt ist wieder
festgeschnuert, denn der Wind hatte sie schon boese zugerichtet. Nun
ne Dusche, Das Wasser im Brunnen war schoen warm, bestimmt 3-5 Grad
waermer als das Regenwasser. Das Regenwasser muesste ja ungefaehr so
warm sein wie die Luft, heute 27 Grad, das wuerde ja heissen, dass
das Brunnenwasser um die 30 Grad hat, ganz schoen warm. Nach der
Dusche hab ich wiedermal die Briefe meiner Micha gelesen, alle
miteinander die sie mir bis jetzt geschickt hat und dann, die
folgenden 2 Stunden war ein Brief an Micha dran mit Schreiben. 12
Seiten dick ist er + eine Seite fuer Enrico. Es ging einfach so, ich
hab geschrieben und geschrieben. Als ich fertig war und telefonieren
gehen wollte, meinten die TRO Jungs: “Line cut” (die Leitung ist
abgeschnitten). Das ist schon das zweite mal diese Woche. Na ja,
egal. Da sie fragten, ob wir ein Gruppenfoto machen haben wir eins
gemacht und noch eins und dann mit jedem separat noch eins und noch
eins mit jedem auf dem Motorrad, ist ne richtige Sesion geworden.
Mullaittivu Office, 5.03.06 17 Uhr,
Kein Bautag
Der restliche Abend war ausgefuellt
mit Computerarbeit und Essen. Das uebliche halt. Nun folgte wieder
ein Sonntag. Diesmal ein ruhiger Sonntag ohne Zeitdruck. Als ich auf
mein Termometer/Hygrometer schaute traute ich meinen Augen nicht, 28
Grad, das ist ja normal frueh um 7 Uhr, aber 95 Prozent Luftfeuchte,
das war schon extrem. Fruehstueck gab’s erst um 9, so hatte ich
vorher etwas Zeit in meinem Buch zu lesen und mit den Officejungs
Album anzuschaun. Auf den Weg nach Kilinochchi konnte ich mich mit
einem frisch reparierten Mopet machen.. Blinker, Hupe, Tachometer
und Zuendschloss waren repariert worden. Und das alles fuer 80 Euro
hat man mir erzaehlt Es war eine voellig entspannte Fahrt, mit 40-50
kmh die 60 km fahren, musste an Christin denken, die einige Zeit mit
dem 50er Roller von Dettelbach nach Ochsenfurt auf Arbeit gefahren
ist. Sie hatte halt den Nachteil, dass es kalt war, hier ist es
warm, da macht das schon mehr Spass. Ich hab es endlich geschafft,
die Ochsenkarren, die Fahrraeder mit den vielen Bananen drauf und
die Kuehe am Weg zu fotografieren. Letztere liegen mir immer
besonders am Herzen, es ist wie Balsam fuer die Seele, wenn ich
Kuehe sehe, da fuehl ich mich daheim, da huscht ein Grinsen ueber
meine Lippen und ich sag: “Na Hammerli”, mit Kuehen verbindet mich
sehr viel, ich bin halt doch mit ihnen gross geworden. Wie lange
will ich das nun schon machen, diese Fotos und immer hatte ich mir
gesagt “Keine Zeit-spaeter”, kennt ihr den alten Song: “Spaeter,
wann ist das hab ich ihn gefragt, er hat nur gelacht und hat spaeter
gesagt, obwohl ich ihn liebe liess ich ihn allein, spaeter, da kann
es zu spaet fuer mich sein… und spaeter, das ist zu spaet gewesen”
Es liegt viel Wahrheit in dem Song. Paulo Coelho sagte unter anderem
den Satz: “Wir sollten uns von der Vorstellung von Tagen und Stunden
loesen und der Minute wieder mehr Aufmerksamkeit zollen.” Diese
beiden Saetze haben zwar nicht viel miteinander zu tun, sind aber
beide recht sinnvoll. Dadurch, dass ich es oft schaffe, jeden
Augenblick zu leben und nicht nur oberflaechlich wahrnehme, in dem
Wahn “ich muss dies und jenes noch schaffen” kommt mir mein Leben
sehr lang vor, so ist es fuer mich schon fast eine Ewigkeit, die ich
hier bin und auch meine Beziehung mit Micha kommt mir schon ewig
vor, obwohl wir erst seit Juni oder Juli zusammen sind. Diese
Wahrnehmung ist wohl auch darauf zurueckzufuehren, dass ich meine
Tage immer voll ausfuelle und nicht Stunden vor dem Fernseher
vergeude. Der schnelllebigen Welt ausweichen, ja ich glaub, das kann
ich ganz gut. In Kilinochchi musste ich eine Enttaeuschung
hinnehmen, im TRO Office ging das Internet nicht und im Rest der
Stadt war die Stromversorgung zusammengebrochen. Ich hatte also
keine Chance, meine Internetarbeiten zu erledigen. “Dann morgen halt
nochmal Kilinochchi” dachte ich in aller Gemuehtsruhe, das gibt mir
auch die Moeglichkeit nach Vavunija zu fahren und die restlichen
Spendengelder auf der Bank abzuheben. Also ist es letztendlich
wieder ganz recht so, Heute habe ich sowieso die Anwesenheit unseres
Gottes ganz deutlich gespuert, er hat mir die Chance fuer meine
Fotos gegeben, er hat den Strom ausfallen lassen und er hat mir
meine Ruhe zurueckgebracht. Noch rechtzeitig, dass ich nicht
zusammenbrech und dass ich hier vieles ueberdenken kann und auch all
die Sachen noch erledigen, die mir wichtig sind. Dass ich mit dem
Haus alleine fertig werde, das hab ich ja schon aufgegeben, dafuer
reicht meine Kraft nicht mehr aus, ich fuehle mich leer.
“Der Krieger weiss, dass kein Mensch
eine Insel ist. Er kann nicht allein kaempfen. Wie auch immer sein
Plan aussieht, er wird andere Menschen brauchen. Er braucht
jemanden, den er um Hilfe bitten, mit dem er seine Strategie
besprechen und dem er in ruhigen Augenblicken am Lagerfeuer
Geschichten ueber den Kampf erzaehlen kann. Doch er laesst nicht zu,
dass die Leute seine Zugaenglichkeit mit Unsicherheit verwechseln.
Er ist durchschaubar in seinen Handlungen und verschwiegen in seinen
Plaenen. Ein Krieger des Lichts tanzt mit seinen Gefaehrten, aber er
uebertraegt niemandem die Verantwortung fuer seine Schritte. HKL 67
Im letzten Jahr war “My Selwa” mein
wichtigster Gefaehrte, dieses Jahr sind es Sivanan, der Maurerboss
und mein Aja. “Er wird andere Menschen brauchen” Nun brauche ich sie
ganz dringend, meinen Aja und noch ein paar Maurer, nun schaff ich
es nicht alleine. Und ich werde sie gern fragen, ob sie mir helfen.
Da zahlt es sich fuer mich aus, dass ich versuche, jeden Menschen,
mit dem ich zu tun habe, so gut wie moeglich zu behandeln. Nie von
oben runter, moeglichst immer von unten rauf. “Erniedrigt euch und
ihr werdet erhoeht werden” so steht es in der Bibel. Montag ist also
fuer mich Kilinochchitag. Vorher (heute abend) werde ich bei den
Maurern vorbei fahren und ihnen die Anweisungen geben, die sie fuer
morgen brauchen. Aja darf nun der Chef sein, der, der erklaert. Und
er wird seine Sache gut machen, da bin ich mir sicher. Gerade
fliegen einige Voegel um mich rum, sehen aus wie Spatzen. Sie haben
ein Nest im Office. Wir haben eh ganz schoen viele Tiere hier, da
waeren erstmal die Hopsis (Froesche) dann Grillen, Voegel, 2 oder 3
Streifenhoernchen (wie Eichhoernchen), die immer wieder mal die
Baeume und die Hauswand rauf und runter flitzen und fangen spielen.
Eine Gans hatten wir eine Woche lang, wo die jetzt ist weiss ich
nicht, im Essenstopf hab ich sie nicht gesehen. Und dann muessen
hier noch ein paar nicht so angenehme Haustiere sein, Maeuse oder
Ratten, den nachdem es so viel geregnet hatte, hat es in den Zimmern
extrem nach Maeusekacke gerochen. Ah ja, und ganz viele Kaefer haben
wir auch, die fallen mir auf den Kopf, wenn ich beim
Tagebuchschreiben unter der Lampe sitz. Dann sind da noch Ameisen in
der Kueche, die klauen den Zucker aus dem Zuckereimer und natuerlich
nicht zu vergessen die Mucken und die Moskitos. Und einen
Grasshuepfer hatte ich auch schon an der Wand hinter meinem
Schlafplatz, ganze 10 cm lang und grassgruen. Also insgesamt gesehen
ein ganz schoener Tiergarten. Da mir das Mittagessen heute nicht
gerreicht hat, bin ich um 4 nach Mullaittivu Town geradelt und hab
paar Shortys (kleine Happen) und ne Fanta in nem Shop verspeisst.
Und da ich schon mal da war hab ich auch gleich mit Mama und Regina
telefoniert, da das ja am Vortag nicht ging. 17 cm Schnee haben sie
daheim, Wow, und das Anfang Maerz. Maja wird sie heute besuchen und
der Walter hatte gefragt, ob ich ihm helfe 9 kwp Photovoltaikmodule
zu montieren. Die Arbeit wartet also schon, wenn ich wieder daheim
bin.
Mullaittivu Office, 6.03.06 20.30 Uhr
Bautag 32
Aber nun muss ich erstmal hier meine
Arbeit vollenden. Am Morgen dieses Tages hab ich Aja den Schluessel
zu unserem Lager gebracht und ihm die noetigen Anweisungen gegeben.
Dann los nach Kilinochchi, Startzeit 7,15 Uhr, Office erreicht um
8.30 Uhr. War ne zuegige Fahrt und das mit nur halber Sicht. Ich hab
naemlich wieder mal ein neues Problemchen. In der Nacht fing das an.
Mein rechtes Auge schmerzte und traente. Am Morgen hab ich
nachgeschaut ob was drin ist, aber Fehlanzeige. Im Laufe des Tages
bin ich drauf gekommen, dass ich mir wahrscheinlich nen Zug beim
Motorradfahren geholt hab. Ist halt nun mal so, bin gesund
angekommen und die Schmerzen werden vergehen. Im Office hab ich
erfahren, dass gleich ein Van nach Colombo faehrt.Ein Van nach
Vavunija und zurueck waer mir ja lieber gewesen, so muss ich halt
mit dem Bus zurueckfahren, dauert halt laenger. Gesagt getan. Los
gings. In der Eile hatte ich einen grossen Fehler gemacht, ich hatte
vergessen mir einen Brief der TRO mitgeben zu lassen, damit ich
wieder nach Vanni reinkomm, aber das fiel mir erst ein, als wir
laengst unterwegs waren. Nach ueber 5 Wochen erstmals wieder Auto
fahren, ich muss sagen, ich brauch es nicht unbedingt. Der Fahrer
rasste wie ein Henker und ich konnte nichts kucken, weil mein Auge
schmerzte. Also hab ich die Augen zu gemacht und ueberlegt, wie ich
es am besten bei der Rueckfahrt an der Grenze anstell. Um 11 waren
wir an der Grenze, danach folgte eine Fahrt an vielen Checkpoints
und Stacheldraht vorbei, furchtbar. Wuerde mich ja mal
interressieren, von welchen Geldern all die Soldaten bezahlt werden,
So viel Armee kostet ne Stange Geld. In Vavunija haben wir an der
ersten Bank gehalten. Meine Kreditkarte funktionierte nicht. Man
erklaerte mir, dass sie nur auf Visa eingestellt sind, keine
Funktion fuer meine Mastercard. Aber in der Bank 3 Strassen weiter
geht es sagte man mir. Der Fahrer brachte mich dorthin und
verabschiedete sich dann. Nun war ich also auf mich alleine gestellt
in dieser Stadt voller Millitaer. 60000 Ruppee (500 Euro) konnte ich
abheben, mehr geht an einem Tag nicht erklaerte mir ein
Bankangestellter, aber ich kann es in der naechsten Bank versuchen.
Also ein Haus weiter in die naechste Bank. Auch hier keine Funktion.
3 Haeuser weiter war noch eine Bank. Dort sagte man mir, dass ich
100000 Ruppee abheben kann, aber da das Hoechstlimit in der anderen
Bank fuer den Tag schon ueberschritten war, ging auch hier nix. Es
war schon 1 Uhr, also Zeit um zurueckzufahren. Den Bus Stop
(Bushaltestelle) hatte ich schnell gefunden und 5 Minuten spaeter
ging die Rueckreise los. An der Grenze fragten sie nach dem Grund
meiner Reise. Und welcher Organisation ich angehoere, usw. Brief
hatte ich keinen, den wollten sie aber. “Gehen wir dort rueber, die
haben mich vor 2 Stunden beim rausfahren kontrolliert, die wissen,
dass ich nur kurz raus war aus Vanni.” Diese und noch ein paar
weitere Erklaerungen waren noetig, ehe ich weiter durfte. Dies war
die singalesische Seite. Auf der tamilischen Seite hatte ich gar
keine Probleme, dort kannte man mich noch durch meinen “Bag Check
Joke” bei der letzten Kilinochchifahrt, als ich mich auf den Tisch
legte und “Checking” sagte. Um 2 waren beide Grenzseiten passiert,
recht schnell. Nun folgte eine lange Fahrt nach Kilinochchi, 2
Stunden. Da ich die ganze Fahrt ueber gestanden war, konnte ich auch
nicht viel sehen, gut fuer mein Auge. Im Office gab’s keinen
Computer fuer mich, also bin ich ins Netcafe um meine 2 Stunden
E-Mail schreiben und lesen zu machen. Es gab wenig neues, die SLA
(Sri Lankan Armee) hat tamilische Fischer beschossen, Mahinda
Rajapakse, der Praesident, hatte sich ueber das Ergebnis der
Friedensgespraeche aufgeregt. Spenden sind keine mehr gekommen, auch
wenige Mails fuer mich. Bahi hatte geschrieben, dass ihm die
jugendlichen Tamilen eine Absage auf meine Frage gegeben haben, ob
sie mein Tagebuch in Englisch und vielleicht in Tamil uebersetzen
koennen. Hatte ich mir eh schon gedacht. Ich hatte ihn gefragt, ob
er nicht die jungen Tamilen in Deutschland fragen kann, ob sie mein
Tagebuch in Englisch und vielleicht auch in Tamil uebersetzen
koennen, Da sie ja viele sind (weit ueber 50 meiner Schaetzung nach)
die es lesen, sollte das ja kein Problem sein, wenn sie es aufteilen
kommen auf jeden 4 -6 Computerseiten zu, also nur ein paar Stunden.
Ihre Begruendung, warum sie es nicht machen koennen war: “Keine Zeit
wegen der Uni”. Danke, meine lieben angeblichen Freunde, wie schoene
Komentare hattet ihr mir geschrieben:
Uma: ... Ich bin echt sprachlos! Bis
jetzt habe ich nie irgendwelche Menschen eines anderen Volkes
kennengelernt, die sich für unser Volk so stark ein setzen, wie du!
Find es super klasse! Martin, ein richtiger Vorbild, also Jungs und
Mädels, auch ich, haltet euch an ihn! Danke Martin!
suji: ist wirklich klasse,
dass du um andere Menschen zu helfen, dein eigenes Leben und die
eigenen Wünsche urückstellst!Es sollten viel viel mehr Menschen wie
dich geben,die ihr Leben nicht nur den Sinn materiele Dingen und
Kapital sehen
(28.01.2006,
16:31 Uhr)
Sujitha
: echt
bemerkenswer, was du da machst! Nicht viele trauen sich, alleshier
liegen zulassen und nach Tamileelam zu gehen. Sollten sich wirklich
viele ein Beispiel an dich nehmen, selbst die Tamilen in Ausland-wo
Jugendliche ihre Heimat nur als ein Ferienort sehen
(04.02.2006,
16:10 Uhr)
Das war einfach, gell? Einer hatte
einen auf euch passenden Komentar geschrieben:
Nithya: Wow, echt
bewundernswert deine arbeit. Was du dafür opferst und investierst
würd kein anderer, auch nicht jeder Tamile, so schnell nachmachen.
(14.02.2006,
21:52 Uhr)
Wenn es drauf ankommt, dann schiebt
man doch gern die Ausrede “Keine Zeit” vor, anstatt ehrlich zu
sagen, dass man es nicht machen will. Wer wirklich keine Zeit hat,
der liesst bitte ab jetzt nicht weiter in diesem Buch, den fuer
alles, was ihr bis jetzt gelesen habt, habt ihr mehr Zeit
verbraucht, als ihr fuers Uebersetzen von ein paar Seiten gebraucht
haettet. Dies alles, was ich nun gesagt habe, ist eine Unterstellung
von mir, ohne Beweisgrundlage, entschuldigt bitte die
Veralgemeinerung, aber ihr koennt mir nicht weissmachen, dass ihr
die paar Stunden Zeit nicht aufbringen koennt. Wie viele Stunden
habt ihr die vergangene Woche vor dem Fernseher verbracht? Ich bin
euch nicht boese, nein, nur traurig, wenn ihr es nicht besser macht,
dann schreibt mir auch keine Kommentare wie: “ Super, koennen sich
viele ein Beispiel nehmen” und so, haltet einfach die Klappe und
denkt darueber nach, wie ihr denn selbst seid. Dazu haette ich bitte
auch nen Kommentar von euch naechsten Sonntag, sonst muss ich mir
doch mal ueberlegen, ob ich euch weiter meine Berichte schreib. So,
genug dazu, anderes Tehma, dieses mag ich nicht. Um halb 7 war ich
fertig mit meinen Internetarbeiten, das bedeutete eine Rueckfahrt
nach Mullaittivu im Dunkeln. Diese Fahrt war abenteuerlich. Einen
Anhalter hab ich wieder mitgenommen, das mach ich fast bei jeder
Fahrt. Uebrigens auch daheim versuch ich moeglichst viele Anhalter
mitzunehmen. Finde es wichtig. Sollte jeder tun. Die ersten
Kilometer war es noch hell, aber dann wurde es immer dunkler.
Dadurch, dass meine Augen traennten, sah ich die Strasse wie durch
eine beschlagene Scheibe, die Lichter der entgegenkommenden
Fahrzeuge waren wie Streifen. Da dies ja noch nicht genug ist,
blendeten noch viele von ihnen, so dass ich gar nix mehr erkennen
konnte und mein Licht war so hell, wie das Standlicht an meinem
Roller daheim. Es ging aber soweit gut, ich hielt mich immer ein
wenig in der Naehe von anderen Mopets auf, die leuchteten mir dann.
Zweimal stand wie aus dem nichts kommend ploetzlich ne Kuh vor mir,
mitten auf der Strasse, konnte grad noch ausweichen. Und auch 2
Radfahrer, die ohne zu kucken von einem Querweg auf die Strasse
einbogen veranlassten mich zu einem Ausweichmanoewer. Aber am Ende
bin ich doch wohlbehalten in Mullaittivu angekommen und hab versucht
so schnell es ging ins Bett zu kommen.
Mullaittivu Office, 7.03.06 19 Uhr,
Bautag 33
Der nun folgende Tag war ein richtig
kotziger Tag. Bin um 5 aufgewacht, mit einem ganz schlechten Gefuehl
im Magen. Wusste nicht, ob ich Kotzen soll oder will. Na bravo, es
bleibt mir wohl nichts erspart auf meine letzten Tage hier, mein
Koerper fordert Tribut,er holt sich nun die Ruhe, die ich ihm nicht
gegoennt hab. Als mir beim Anziehen meiner Hose auch noch der
Hosenladenreissverschluss kaputt ging war klar, Gott will, dass ich
ruhe, dies wird ein Ruhetag fuer mich. Danke lieber Gott, dass du
mir immer wieder deine Zeichen sendest. Bin um 8 auf Baustelle
gefahren, um den Maurern und vor allem Aja zu sagen, dass ich nicht
arbeiten kann. Auf dem Weg hab ich schnell die Hose zum Schneider
zum reparieren gebracht. Die Verputzarbeiten waren gut
vorangeschritten. 2 Aussenwandseiten waren fertig, sie waren am
Vortag zu zehnt am Bau gewesen. Zurueck im Office hab ich meine
Matte geschnappt mich gegenueber im Materiallaer auf eine
herumliegende Tuer gelegt und bis Mittag geruht. Die Officejungs
haben mir Tee und Fanta gebracht. Zum Mittagesen hab ich mir Reis
mit Milchpulver, Zucker und Wasser gemischt. Danach wieder liegen,
ich war sowas von leer, meine Knie wackelten beim Laufen und ich
hatte nicht mal die Energie zum Schreiben. Um 4 hab ich mich doch
mal aufgerafft und einen Brief an Alexandra angefangen zu schreiben,
den ich aber 30 Minuten spaeter wieder weglegte und mich wieder
hinlegte. Mein Auge war nun weitestgehend ok, auch meinem Magen ging
es wieder besser, nur die Energie war irgendwo, nur nicht in meiner
Naehe. Um halb 6 bin ich in die Stadt geradelt, aber es gab weder
Bananen noch Ananas, auch keinen Reis gibt’s abends mehr zu kaufen.
Letztes Jahr hatten sich die Menschen hier doch 3 mal taeglich von
Reis ernaehrt, dieses Jahr gibt’s nur zum Mittagessen Reis, frueh
meistens Puttu (gebratenes zestampftes Reismehl mit Kokosnuss glaub
ich) oder Rotty (Pfannkuchen) und abend Puttu, Nudels, String Hopper
(wie Nudeln)oder Kottu Rotty (zerhackte Pfannkuchen). Das bedeutete
wohl, dass mein Abendessen aus Fanta und Babykeksen besteht. Mit
Micha hatte ich noch telefoniert, als ich in dieser Telefonbox sass
und mit ihr redete war fuer diese Zeit meine volle Energie wieder
da, ich fuehlte mich baerig. Sie hatte gerade meinen Brief gelesen.
Aber nicht den letzten, sondern den davor. Den letzten konnte sie ja
noch gar nicht haben fiel mir ein, den hab ich ja gestern erst
weggeschickt. Es kommt mir schon wieder ewig vor. Da sehe ich mal
wieder, wie lange mir das Leben vorkommt, wenn ich jede Minute
bewusst lebe. Gerade heute hab ich das ja gemacht, meine lange
Weile, die ich im Lager lag bewusst erlebt. Es ist nicht umsonst so,
dass uns in unserer schnelllebigen Zivilisation ein Jahr so kurz
vorkommt, wenn wir jede Minute vollstopfen und in der Hetzerei
vergessen zu leben, Und wenn wir dann nix zu tun haben, dann
vergeuden wir unsere Zeit vor der Glotze, wir rauben uns also
gewissermasen selbst unser Leben. Dazu hab ich einen schoenen Spruch
dieses Jahr geschenkt bekommen
Zeit –ohne Zeit
Wir haben Welt – Theater in den
Fernsehschraenken
Und keine Stunde uebrig fuer
Gemuetlichkeit.
Wir haben alles was sich Menschenhirne
denken,
Doch eins nicht mehr – wir haben keine
Zeit.
Wir haben keine Zeit mehr fuer das
Innenleben
Und nicht mal mehr Zeit zur
Zufriedenheit!
Wir haben kaum noch Zeit die Haende
uns zu geben
Und der Refrain des Tages lautet:
Keine Zeit!
Wir haben nur – auch dies nur in
gezwungenem Masse-
Grad’ fuer das Sterben noch ein
Viertelstuendchen Zeit.
Darum: Besinn’ Dich Freund, teil deine
Stunden ein
Und goenn Dir oefter mal im Leben,
eine gute Flasche Wein
Weingut Emmerich, Iphofen/Franken
Ja, so ist das mit der Zeit ,ich
persoenlich muss zugeben, dass ich das auch noch erlernen muss,
einfach nichts zu tun, es faellt mir schwer, aber ich will dran
arbeiten. Als ich mein Telefonat beendet hatte war auch meine
Energie wieder verschwunden. Bin ins Office und hab meine Babykekse
gegessen und Fanta getrunken.
Mullaittivu Office, 8.03.06 18 Uhr
Bautag 34
Um 8 Uhr lag ich wieder im Bett und
hab auch druchgeschlafenbis frueh. Ein Zeichen, dass mein Koerper
die Ruhe braucht. Beim Aufwachen fuehlte ich mich gut, stark genug
um wieder arbeiten zu koennen. Aber vorher wollte ich noch all meine
Waesche aus der Reisetasche waschen. Die hat naemlich nach Verwesung
gestunken, weil ich die Muscheln die ersten Tage in der Tasche hatte
und in einer von denen noch verwesbare Bestandteile waren. Ich
konnte es einfach nicht mehr riechen. Kurz nach 8 war ich auf
Baustelle, die Maurer hatten am Vortag nur eine Wand geschafft, aber
sie haben ja noch Zeit. Die Ziegel an den Walmen waren behauen, aber
wie, das konnte ich unmoeglich lassen, und so hab ich die meisste
Zeit des Tages darauf verwendet, diese Arbeit zu korrigieren. Das
ging ganz schoen an die Nerven. Kurz vor der Mittagspause sass ich
auf dem Dach und wollte anfangen zu weinen. Ich sah den Sinn nicht,
eine Depi hatte mich uebermannt. Aja machte sich Sorgen, ich solle
runterkommen rief er, ich brauch ne Pause. Noch 5 Minuten sass ich
unbeweglich am Dach, dann stieg ich runter. Mein Mittagessen konnte
ich nur halb essen, aber ne halbe Stunde schlafen, das konnte ich
wenigstens. Vorher hatte ich Aja noch erklaert, das ich das manchmal
hab, dass ich dann krank im Kopf bin. Mein Papa kennt das, wenn ich
arbeite und ganz still bin. Da sag ich dann hoechstens: “Bitte
einfach in Ruhe lassen, da ich niemanden anschreien will, es kann ja
keiner was dafuer.” Am Anfang des Essens konnte ich das noch nicht
sagen, da erstickten Traenen meine Stimme, aber gegen Ende des
Essens war es wieder besser.
>Auch ein Krieger des Lichts verliert
manchmal den Glauben. Es gibt Augenblicke, in denen er an gar nichts
mehr glaubt. Und er fragt sein Herz: “Lohnt so viel Muehe
ueberhaupt?” Doch sein Herz schweigt. Und der Krieger muss selber
entscheiden. Dann sucht er ein Beispiel und erinnert sich daran,
dass Jesus Aehnliches druchlitten hat, um das menschliche Dasein in
seiner Gesamtheit zu erleben. “Lass diesen Kelch an mir
voruebergehen”, hat Jesus gesagt. Auch er verlor den Mut und gab
doch nicht auf. Der Krieger des Lichts schreitet auch ohne Glauben
voran. Er kaempft weiter, und am Ende kehrt der Glaube wieder zu ihm
zurueck. Hkl 66
“Um das menschliche Dasein in seiner
Gesamtheit zu erleben.” Das war auch schon mein Spruch, bevor ich
dieses Buch kannte. Man muss auch mal traurig sein, um die Freuden
des Lebens wieder schaetzen zu lernen. Seit ich mir das sage,
gelingt es mir auch in der tiefsten Traurigkeit ueber eben diese zu
lachen, da ich finde, dass das einfach zum Leben dazugehoert. Ich
brauch halt dann nur meine Ruhe, um diese Traurigkeit auch leben zu
koennen. “Der Krieger des Lichts schreitet auch ohne Glauben voran”.
Eigentlich wollte ich ja Schluss machen nach dem Lunch und mich im
Officelager wieder schlafen legen. Aber ich hab mich gesammelt und
weitergemacht. Haette ich aufgehoert, staende ich am naechsten Tag
vor dem selben Problem, es verschwindet nur, wenn ich es anpack. Um
5 waren alle Ziegel behauen, eine Seite von 4 ist auch schon
eingespeisst, so dass es nun zuegig gehen muesste. Es brechen immer
wieder Ziegel beim Drauftreten, ist schon ne extrem schlechte
Qualitaet teilweise. Und dabei bemueh ich mich vorsichtig zu gehen.
Die Maurer sind gemuetliche Menschen, sie haben heute zu zweit 8
Stunden fuer die Arbeit gebraucht, die ich alleine in 4 Stunden
mache. Aber das soll mir mal egal sein, am Samstagabend muss alles
fertig sein, verputzen und Fussboden. Und das ist auch zu schaffen.
Seit einer Woche blitzt und donnert es staendig, tagsueber und auch
nachts, es liegt schon ne ganz schoene Spannung in der Luft.
Mullaittivu Office, 9.03.06 19 Uhr,
Bautag 35
Meine Power wird nicht mehr viel mehr
werden, das ist sicher, aber ich bin trotzdem stolz auf meinen
Koerper, er hat eine einmalige Leistung vollbracht. Konnte erst um
12 einschlafen, war die ganze Zeit wachgelegen und hab gemuetlich
vor mich hin siniert. Frueh war ich dann natuerlich muede. Aber was
hilft’s, gschafft wird. Firstziegel einspeisen (einzementieren)
stand auf meinem Plan. Die Hitze setzte mir ganz schoen zu und nach
3 Stunden und eineinhalb Seiten brauchte ich ne Pause. Die dauerte
auch bis halb 3 an. Hab mich in nen Raum gelegt und geschlafen,
nachdem ich gegessen hatte. Die Maurer haben gemuetlich
weiterverputzt. Die sind sowas von langsam, dass ist schon nicht
mehr feierlich, aber ich kann sie ja verstehen, sie muessen viel
viel laenger durchhalten als ich, und das meisst 7 Tage die Woche.
Da sollen sie sich ruhig Zeit lassen, sonst arbeiten sie sich auf.
Ist eh schwer genug fuer sie, sie sind ja meist auf Montage hier,
wie mein Aja ja auch, er sieht seine Frau und die 4 Kinder (2,4,6
und 10 Jahre)erst im Mai wieder, bis dahin teilt er sein Lager mit
15 Maurern. Und so geht es vielen von ihnen, eine ihrer wenigen
Chancen, Geld zu verdienen, ist halt mal als Maurer hier zu
arbeiten, was oft eine sehr lange Trennung von der Familie bedeutet.
Nach meiner langen Pause war meine Energie zurueck. Ich vollendete
meine eine Seite Walm und begann die letzte. Dazu musste ich erst
das Kehlblech am Kamin einlegen, was aber keine grosse Arbeit war.
Diese Seite wollte ich auch hoechstens halb schaffen und um 5
Feierabend machen, aber da Aja zuviel Zement gemischt hat, war am
Ende alles bis auf den letzten Ziegel fertig und es war 6 Uhr. Auf
unserem Nachhauseweg trafen wir Sivanan, ganz gut, so konnte ich
noch die restlichen Bauablaeufe besprechen und auch noch ueber
allgemeine Dinge mit ihm plaudern. Er hatte doch frueher wirklich
den Mr. Martin zum Chef, der nun mit Lukas das Krankenhaus baut. Wie
klein doch die Welt ist.
Mullaittivu Office, 10.03.06 18 Uhr,
Bautag 36
Am Abend war ich noch zu Besuch bei
Franziska und Lukas. Bin um 7 hingeradelt, meine Stirnlampe
leuchtete endlich wieder schoen hell, da ich die Batterien endlich
mal gewechselt hatte. Ausserdem ist wieder Vollmond, so dass man
auch gut ohne Licht radfahren kann. Um 8 wollte ich eigentlich
wieder heim um zeitig schlafen zu gehen. Daraus wurde aber nix. Bis
kurz vor 11 Uhr haben wir uns unterhalten. Ueber die verschiedensten
Themen, von hier bis nach Deutschland. Zwischendurch haben wir was
gegessen, ich wollte zwar erst nicht, weil ich schon gegessen hatte,
hab mich aber dann doch gerne ueberreden lassen, als mir aus der
Kueche ein herrlicher Duft von Knoblauch entgegenkam. Lecker lecker.
Das haette ich bitter behreut wenn ich dieses Essen ausgeschlagen
haette. Knobibratkartoffeln mit gebratenem Fisch. Ich glaub, so
lecker hab ich nicht mehr diniert seit ich hier bin. Nach dem Essen
ham wir 2-3 Arakchen getrunken und weiter ueber Gott und die Welt
siniert. Die Bauarbeiten am Krankenhaus stocken im Moment. Lukas hat
nur 10 Arbeiter. 20 andere waren die Woche vorher nach Vavunija
gegangen, fuer 2 Tage Urlaub und wollten dann wiederkommen, sind
aber seitdem verschollen. Eigentlich wollten sie im Juni mit den
Bauarbeiten am Krankenhaus fertig sein, aber Lukas meinte, wenn das
so weitergeht brauchen sie noch ein Jahr. Dieses Problem mit dem
Nichtwiederkommen scheint hier Gang und gebe zu sein, hab ich schon
oefter gehoert. Nun hofft Lukas halt auf ein Wunder. Am Morgen
erschien ich erst um halb 9 auf Baustelle, da ich vorher noch nen
Brief an Alexandra geschrieben hab. Die anderen waren schon am
Arbeiten, aber ich hatte ja Zeit, meine Aufgaben fuer diesen Tag
hatte ich auf das Verputzen von 2 Tischen, das Einspeisen des
letzten Firstziegels und das Eindecken der letzten Ziegel
beschraenkt. Ich hab so das Gefuehl, ca ein Drittel der Ziegel hab
ich die letzten Tage zamgetreten. Auch als ich vom Dach runter war
haben wir noch einen gesehen, den ich aber von innen durch
akrobatische Kletteraktion auswechseln konnte. Die Maurer verputzten
die letzte Innenwand und begannen dann mit dem Fundamentsockel, der
aus dem Boden ragt. Bis zur Mittagspause waren meine meisten
Arbeiten erledigt, nach dem Essen hab ich nen Brief an Melli und
einen an meine Thomasen’s geschrieben und Aja hat geschlafen bis
viertel vier. Die Maurer hatten weiter verputzt. Hausreinigung war
noch angesagt, da am folgenden Tag der Estrich rein soll. Aja hat
den groben Dreck mit der Hacke rausgekratzt und ich hab ausgekehrt.
Ama kam wie jeden Tag um viertel Fuenf und brachte uns Tee und wir
besprachen meinen Plan fuer meine letzten 4 Tage hier in
Mullaittivu.
Mullaittivu Office, 11.03.06 16.30
Uhr, Bautag 37
Von denen wird nur noch einer ein
Bautag fuer mich sein, naemlich der Montag, wenn wir streichen.
Estricharbeit ist keine Arbeit fuer mich, dazu koennen es die Jungs
hier erstens zu gut und zweitens geht das zu arg auf meinen Ruecken.
Deshalb hab ich meine Jungs auch an diesem Tag alleine werkeln
lassen. Bin nur frueh um 9 kurz vorbei gefahren und hab ihnen nen
Kanister Wasser gebracht. Was heisst kurz, hab mich in den Schatten
gesetzt und ne Stunde gelesen. Ein neues Buch: “ Erste Schritte auf
dem spirituellen Weg” von Franz Binder. Ich hatte es letzten Sommer
fuer 50 Cent in der Fussgaengerzone in Nuernberg gekauft und bin
seitdem noch nicht zum Lesen gekommen. Wenn es sich weiterhin so
liesst, ist es ein gutes Buch, es bestaetigt mich in meiner
Auffassung vom Leben und kann mir ein guter weiterer Ratgeber sein.
Um halb 11 hab ich mich aufgerappelt und auf den Weg ins 1 km
entfernte Unnappillavu Camp (mein Camp) gemacht. Zuerst zum Friseur,
es war hoechste Zeit fuer ne Rasur und auch fuer nen Haarschnitt. Es
ist schon interressant, wenn man nach 6 Wochen das erste Mal wieder
bewusst in nen Spiegel schaut. Hab mich zwar zwischendurch immer
wieder mal in meiner Digicam gesehen, aber ein Spiegel ist doch was
anderes. Ich fand mich noch schoen, aber irgendwann musste ich doch
zum Friseur und das ist hier am besten, wenn man fuer einen Euro
Haar + Bartschnitt + Kopf-/Nacken- und Schultermassage bekommt.
Bevor der Friseur anfing zu schneiden hat er erstmal ein Foto von
mir gemacht, da komm ich wohl in seine Prunksammlung oder in die
Sammlung der ganz schwierigen Faelle. Er hat dann auch recht zuegig
geschnitten, nicht so ewig wie der in Kilinochchi Ende Januar. Die
nun folgende Massage hab ich richtig genossen, der Kerl hatte
richtig Kraft in seinen Haenden, er hat mich geknettet, das ich ins
Schwitzen gekommen bin, obwohl ich nur ganz relaxt dasass. Einmal
dacht ich, er bricht mir das Genick, poa, hat das geknackt. Nach dem
Haarschnitt hab ich Ama in ihrem Haus besucht, Nr. 115 im
Unnappulavu Camp. Ein paar Buben haben mir geholfen es zu finden. Es
war doch tatsaechlich eines der Haeuser, wo Gabriel letztes Jahr
beim Tuereneinbau geholfen hat. Eine kleine Kueche war seitdem
angebaut worden. Obwohl dieses Haeuschen nur 18 Quadratmeter hat war
es nicht vollgestopft mit Krempel, es war leer, einfach leer, die
Sachen, die Ama, ihr Sohn und der Enkel besitzen scheinen sich auf
einen kleinen Koffer voll Kleider und einen Sack voll
Kuechenutensilien zu beschraenken. Und dann noch 2 Plastikstuehle
und ein Fahrrad, welche sie im letzten Jahr gespendet bekommen
hatten. Da es Essenszeit war, hat mir Ama natuerlich gleich nen
Lunch angeboten, den ich gerne angenommen hab. Danach sass ich noch
ein wenig da, ehe ich mich aufmachte, um im Cooldrinkschop nen
Cooldrink zu geniessen und danach Richtung Heimat zu radeln. Aber
vorher brauchte ich noch ein paar Fotos vom Estrichlegen meiner
Maurer. Da sie gerade Mittagspause machten als ich auf Baustelle
ankam hab ich mich in den Schatten einer Palme gelegt und
geschlafen. Dann, als sie weitermachten bekam ich meine Fotos und
bin gluecklich und zufrieden nach Hause geradelt um mich im Office
Materiallager schlafen zu legen. Es ist sehr schwuel heute und seit
12 donnert es andauernd und der Himmel hat die passende graue Farbe
dazu.
Mullaittivu Office, 12.03.06 Uhr,
Bautag 39
Um 6 bin ich ins
Telecomunicationcentre geradelt um mit daheim zu telefonieren. Papa
war am Telefon, nach 4 Wochen hab ich mal wieder ihn am Telefon
gehabt. Er hat sich die Winterzeit gut vertrieben, hat einen neuen
Wassertankwagen zusammenpolizelt und fleissig unsere
Photovoltaikanlagen von Schnee befreit. 14 mal diesen Winter Schnee
runterkehren. Seit 3 Wochen hat er wiedermal Schmerzen im Arm,
erzaehlte er, weil er am Bau meiner Schwester ausgerutscht und
hingefallen ist. Aber es ist auszuhalten, meinte er. Mama geht es
nicht so gut. Konnte ich mir ja eigentlich denken, wenn ich ne Depri
hab, hat sie auch eine. Auch wenn wir nichts von einander wissen ist
das so, wohl doch echte Seelenverwandschaft. Nach dem Telefonat war
ich sichtlich niedergeschlagen. Wenn es meiner Mam nicht gut geht
macht mir das Angst, ich weiss nicht wieso, aber es ist halt mal so.
Ich sass dann im Office und stierte vor mich hin. Natuerlich fragten
die Jungs gleich, was los ist, auch mein Acounter vom Kilinochchi
House, der fuer ein paar Tage da ist. Ich erzaehlte ihm die
Geschichte. Das machte es etwas besser. Da es Samstagabend war, war
Bilderhochladeabend. Da das Hochladen von der Kamera direkt in die
Rund-E-Mail immer so lange dauert (5 Minuten je Bild) kopier ich die
Bilder die ich verschicken will am Samstagabend auf den USB-Stick,
das geht ganz fix und dann dauert das Laden auf die Mail nur eine
Minute je Bild. Nach dieser Arbeit war Bettzeit. Frueh um 6
aufstehen, Waesche und los gings um 7 aufs Mopet. Der Tankhahn stand
schon auf Reserve, also erstmal an die Tankstelle. Auf dem Weg
dorthin stockte das Mopet immerzu, es ruckelte und zuckelte. Als die
Tanke schon in Sicht war, ging es aus und ich rollte mit letztem
Schwung zur Zapfsaeule. Uh, gerade noch geschaft. Der Tankwart
schloss gerade die Tuer auf und ein Tankzug brachte neues Benzin.
Wie bestellt. Eine Fuegung Gottes? Im Laufe des Tages geschahen noch
ein paar solche “
Zufaelle”. Nach dem Tanken stockte mein Mopet weiter. “Das wird wohl
so sein, bis genug Benzin in den Vergasser nachgelaufen ist”, waren
meine Gedanken. Also auf zu Lukas. Ich hatte mich fuer halb 8 bei
ihnen zum Fruehstueck angemeldet, danach wollten wir gemeinsam nach
Kilinochchi fahren. Lukas, Franziska, Josefina und Elsa auf ihrem
Mopet und ich auf meinem. Nach einem leckeren Fruehstueck mit
Bananenpfannkuchen und Kaffee gings los. Die 4 duessten los auf
ihrem Motorrad. ich wollte hinterher, aber nix zu wollen, mehr als
Standgas war nicht drin, 40 kmh im vierten Gang. Ein Geruckel. Die
anderen waren schon laengst ueber alle Berge oder besser gesagt
Huegel. Ich gab nach 5 km auf, nachdem ich mit dem
“Schraubenzieher”, den ich mir aus dem Metallteil meines Feuerzeuges
gebaut hatte, alle Vergasereinstellungen durchprobiert hatte. Ich
war naemlich der festen Ueberzeugung, dass es daran lag, da einer
der Officejungs bei der letzten Waesche dran rumgeschraubt hatte,
Officeboys und Technik, das konnte nicht gut gehen, dacht ich.
Schliesslich bin ich die 5 km zurueckgezuckelt und meinte im Office
“Motorbike Problem.” Regan, der, der bei der Waesche dran
rumgeschraubt hatte, setzte sich hinten mit drauf und ich fuehrte
ihm das Problem vor. “Die Zuendkerze” meinte er und schraubte kurz
dran rum. Nix wars, ging nicht besser. Wir fuhren in nen
Werkstattshop und kauften ne Neue. Schon beim Abziehen des Steckers
merkte ich, dass das Zuendkabel nur lose im Stecker steckte. Das war
also unser Problem, ein Wackler, da haett ich auch alleine drauf
kommen koennen. Ich sollte nicht so vorschnell ueber Officejungs
richten. Wie wird das Gebot der Naechstenliebe u.a. ausgelegt?
Einander lieben heisst auch, im anderen nicht das boese vermuten,
man soll nicht vorschnell richten, sondern den anderen erst besser
kennen lernen. Das weiss ich von meinen “Fuenf Geschwister”
Jugendkassetten. Nun funktionierte es also wieder, mein Mopet. Ich
lieferte Regan wieder im Office ab und holte schnell meinen zweiten
Akku fuer die Kamera, hatte naemlich beim Fotographieren von Lukas
Familie auf dem Mopet festgestellt, dass der Akku leer war. Gottes
Fuegung? Nun aber schnell nach Kilinochchi, mit 80 ueber die
Strassen “fliegen”. Lukas konnte ich nicht mehr einholen,
schliesslich hatte ich fasst 45 Minuten “verloren” Dafuer Einsicht
gewonnen. Im Internetcafe das Uebliche. 100 Euro war mein
Spendenkonto noch mal gewachsen. Schoene E-Mails gab’s zu lesen, das
Wetter in Deutschland weiterhin -5 Grad. Ein Fritz aus Wien hatte
mir die Woche vorher einen Komentar auf die Tamilpress Seite
geschrieben
Fritz
: Hallo
Martin Ich war letztes Jahr insgesamt 7 Wochen in SL.im Sueden,
Beruwalla. Kenne nur die singhalesische Seite, dort laufen auch
private Hilfsaktionen, dank vieler Spender und meiner sing. Freunde.
Ich habe darueber eine kl.HP gestaltet falls es dich interessiert:
http://www.fwfalarm.at/sri_lanka/ - Fliege auch
wieder bald hin und werde ver-suchen zu helfen wo es nur geht. Freue
mich, dass es noch Menschen gibt wie dich und gratuliere zu deiner
Enstellung Liebe Gruesse Fritz (aus Wien)
(04.03.2006,
17:55 Uhr)
Hab mal auf seine Internetseite
gekuckt. Sehr interressant und eindrucksvoll. Viele Berichte ueber
das Land, (Sueden und Hillcountry, Kandy) Und auch Projekte der
Tsunamihilfe, die er unterstuetzt. Schaut mal drauf, es lohnt sich.
Wenn ich sowas lese, reut es mich ein wenig, dass ich nicht mehr
Zeit habe, um dieses Land zu erkunden. Zu spaet, es soll wohl so
sein. Klaus vom Deutschen Roten Kreuz hatte mich auf ein Bier bei
ihnen im ICRC- Blue House eingeladen, als er mich vor eineinhalb
Wochen auf Baustelle besuchte. Diese Einladung wollte ich nun
einloesen. “Das Blue House kennt in Kilinochchi jeder” meinte er
dortmals. Also fragte ich im Memorial Hospital. Sie wussten es nicht
genau, meinten ca. eineinhalb Kilometer Richtung Colombo muesste es
sein. nach 2 km fragte ich im naechsten Krankenhaus. Nen halben
Kilometer Richtung Colombo meinten sie. Nach einem Kilometer kam auf
der rechten Seite ein Rot Kreuz Office. Das Ziel? Weit gefehlt. “Das
Blue House ist in Puttukudijiruppu meinten sie. Ich wiedersprach,
lies mich aber am Ende fast ueberzeugen. Also zurueck. Am
Amfangspunkt meiner Suche angelangt zweifelte ich doch und fragte im
District Hospital. 2 km zum Bussstop Richtung Colombo dann rechts,
nach einem Kilometer kommt ICRC Canada, dort soll ich fragen, meinte
der DMO (District Medical Officer). Auf dem Weg dorthin kam ich an
einer Beerdigungszeremonie vorbei. Der Sarg wurde von 4 Maennern auf
einen Holzgestell getragen, davor 3 oder 4 Trommler, die fleissig
trommelten, ein Junge zuendete Kracher und hinterher liefen ne Menge
Menschen. Ich blieb kurz stehen, dann fuhr ich aber weiter. Am
beschriebenen Haus angekommen meinte die Canadierin dort, sie wisse
nicht genau wo das Blue House ist, aber es muesste vor dem
Wasserturm auf der rechten Seite sein, irgendwo in dieser Strasse,
Entfernung ca. 3-4 km. Ein anderer Mitarbeiter bestaetigte per Funk
ihre Aussage. Also los, zurueck zur A 9 Road. In die Strasse rechts
einbiegen und entlang fahren. Zuerst waren einige Bueros und
Schulen, dann ein Stausee, dann ein Fluss der sich durch eine
herrliche Landschaft schlaengelte und Kinder, die vergnuegt darin
badeten. Ich kannte diese Strasse, sie war ich im Vorjahr mit
Wolfgang und Michael gefahren, es war unser Ostermontagsausflug
durch die Schlaglochstrasse. Nach ca. 7 km machte ich kehrt, hier
gab es kein Office. Zurueck an der A 9 Road fragte ich schliesslich
einen Polizisten nach dem ICRC Blue House, er sollte es ja wissen,
wenn alle es wissen. “Richtung Jaffna und die naechste rechts”
meinte er. Also los. Wieder eine Seitenstrasse (Grablweg) mit vielen
Loechern. In einem Office fragte ich. “Dort rechts “ meinten sie.
Ich folgte. Dann war ich auf der Strasse, die zu dem Haus fuehrt, wo
ich in Kilinochchi gewohnt hab. Also Fehlanzeite. Fuhr ein Stueck
zurueck und testete den naechsten Weg. In einer Kurve stoppte ich.
Ein Feuer. Die Beerdigungsprozession war an ihrem Ziel angekommen,
dem Friedhof. Auf einem Scheiterhaufen wurde gerade der Leichnam
verbrannt. Wie sie hier beerdigen hatte mich schon lange
interresiert. Gottes Fuegung, dass ich gerade hier vorbeikomm auf
meinen Irrwegen? Ich beschloss, die Suche aufzugeben und mich auf
den Heimweg zu machen. Hat euch die Beschreibung gelangweilt, war es
zu langatmig geschrieben? Dann stellt euch vor, wie es fuer mich
war, von 12-3 Uhr war ich auf der Suche, unterbrochen von nem Lunch
im 1-9 Restaurant. Fuer mich war es interresant, so konnte ich diese
paradisische Gegend rechts der Strasse geniesen, einer Beerdigung
beiwohnen und mich mit ner Canadierin unterhalten, und auch
feststellen, dass Menschen einer so grossen, weltweit taetigen
Organisation, wie Rot Kreuz auch manchmal nicht mehr wissen, als der
kleine Bauersbub Martin. Ja, es war eine schoene und lustige Suche
fuer mich, nur das Wissen, dass es meiner Mama grad nicht so gut
geht versetzte mir des oefteren kleine Stiche. Ich war also wieder
auf dem Nachhauseweg, das sechste und letzte Mal, die letzten 60 von
800 Motorradkilometern ohne Helm durch die Waerme und diese schoene
Landschaft. Zeit lassen, geniesen. Ein Stop um an der Strasse ne
Ananas zu kaufen. Gemuetlich weiter mit 40-50 kmh. 10 Kilometer
weiter ein weiterer Stop, Ravi, einer der Hauptjungs von der TRO im
Unnappillavu Camp letztes Jahr rief mir zu. Er stand mit 4 anderen
an der Strasse. Wir unterhielten uns ein wenig, sein Englisch hatte
sich sehr verbessert seit letztem Jahr. Er erinnerte sich noch an
die Namen von Nicola, Thomas, Stacey und Kanan vom letzten Jahr.
Schoen, sie sind ihm alle in Erinnerung geblieben, und das sogar mit
Namen. Als uns das Gespraechsmaterial ausging setzte ich meine Fahrt
fort. 10 Kilometer ging alles gut, dann machten mich ein paar Jungs
an der Strasse auf etwas hinter mir aufmerksam. Erst wusste ich
nicht, was sie meinen, dann sah ich es, ich hatte meine Ananas
verloren, die ich auf dem Ruecksitz festgespannt hatte. Also wenden
und aufheben. Ein Motorrad hielt neben mir. “Martin”, das
warFranziskas Stimme, ich erklaerte ihnen den Grund meines
Zurueckbleibens am Morgen und auch, warum ich nun hier stand. Nun
konnten wir doch noch die von mir ersehnte gemeinsame Motorradfahrt
unternehmen. Gottes Fuegung, dass ich die Ananas gerade in einer
Ortschaft verloren hab, wo mich Jungs darauf aufmerksam machten?
Lukas fuhr recht zuegig, aber ich kam gut mit. In Puttukudijiruppu
stoppten wir an nem Supermarkt,sie brauchten noch Windeln fuer Elsa.
In dem Supermarkt gab’s Red Bull und Maggi 2 Minuten Nudeln im
Einpersonenpack. Fast wie daheim, ich konnte mir ein Lachen nicht
verkneifen. Hab dann draussen gewartet. Eine Ziege frass ein Plakat,
das an einer Plakatwand klebte. Als die anderen kamen nahmen wir die
letzten 20 Kilometer des Weges auf. Ich wollte noch ein Motorradbild
von der Lukas Familie beim Fahren. Also ueberholte ich sie auf
gerader freier Strecke. gerade, als ich abdrueckte kam ein
Streifenhoernchen zwischen unsere Motorraeder geflitzt und Franziska
schrie: “Martin, Ananas”. Wieder runtergefallen. Gottes Fuegung,
dass das gerade da passiert oder will er mir damit sagen, dass es zu
gefaehrlich ist, beim Fahren zu fotographieren? Als wir bei Lukas
Haus anlangten tranken wir zusammen Kaffee und futterten die
zerdatschte Ananas. Wir tauschten Adressen, Lukas lud sich mein
Tagebuch und meine Bilder auf seinen Laptop und wir schauten
zusammen Bilder an. Um 7 machte ich mich dann doch mal auf den
Heimweg, fuer einen kurzen Besuch auf Baustelle war es schon zu
dunkel, also gleich ins Office, essen und schreiben. ich habe in
diesem Bericht von heute oefer die Frage gestellt, ob es Gottes
Fuegung ist, fuer mich ist es dieses, diese Momente sind es, die mir
meine Ruhe bringen, ich weiss, dass ich mich nicht darauf verlassen
darf, dass es so kommt, ich muss es selbst anpacken und darf mich
immer wieder freuen und Gott danken, wenn er mir solche kleinen
Geschenke macht.
Mullaittivu Office, 13.03.06 18 Uhr,
Bautag 39
Mittwoch soll Hausueberhabe von 15
Haeusern an die Eigentuemer sein, das erklaerte mir Sivanan am
Abend. Ob ich da noch hier bin weiss ich nicht, erklaerte ich ihm.
Ich wollte ja Mittwoch morgen mit dem Traffic Bus (Bahnbus) nach
Kilinochchi fahren um meine letzten Aufgaben in Angriff zu nehmen.
Es ist gut, dass er so gut Englisch spricht, er versteht mich
wirklich super, nicht nur sprachlich, auch vom Sinn her fuehl ich
mich von ihm verstanden. Am Morgen bin ich wieder spaet auf
Baustelle, vorher war mein letzter Brief an Micha dran. Sivanan
hatte mir am Vorabend noch berichtet, dass das Haus schon gestrichen
ist, also warum eilen. Am Postoffice gab ich meinen Brief an Maya ab
und bekam 2 ausgehaendigt, einen von Luise und einen von Sabine. Von
Micha erwarte ich auch einen, der will und will nicht kommen.
Sabines Brief war der zweite, der nur mit 55 Cent Briefmarke
frankiert war und mich trotzdem erreicht hat. Normalerweise sind 1,7
Euro noetig und trotzdem werden die hoffunungslos unterfrankierten
Briefe zugestellt, gut so. Auf Baustelle schaute ich mir erstmal die
getane Streicharbeit an. sie war ganz gut gemacht. Alles schoen
weiss. Die Eingangsfront wird aussen noch farbig ueberstrichen, mit
einer Art Dispersionsfarbe. Alle anderen Waende bleiben weiss
gekalkt. Die Fenster und Tueren werden erst mit Dispersionsfarbe und
danach mit Oelfarbe gestrichen. dies war unsere heutige Arbeit. 4
Zimmerer waren auch da, sie montierten die Fensterlaeden und
Tuerblaetter. Sie waren richtig gut, alle innerhalb eines Tages
fertig, an den anderen Haeusern brauchen sie normalerweise immer 3
Tage, meinte einer. Aber was hilft’s, sie mussten fertig werden, mir
lief die Zeit davon. Ihre Arbeit war spitzenklasse, sie hatten die
langsame Arbeit beim Aufrichten wieder voll wettgemacht. Ist nicht
leicht alles einzusetzen, vorher muessen sie jedes Tuerblatt und
jeden Fensterladen an 3 Seiten zurechtsaegen und das mit der
Handfuchsschwanzsaege. Da meine Farben noch nicht gleich da waren
hab ich ihnen weng helf gesaegt. Die Hausfront war recht schnell
gestrichen, dann war mittag, langer Schlaf fuer mich, ich war wieder
sehr muede. Um 3 ging’s weiter. Fenster und Tueren mit
Dispersionsfarbe streichen. Ein Maurer half mir dabei. Aja war
irgendwie nicht fit, er schlief den halben Tag und die andere
Haelfte beschaeftigte er sich im Stillen. Um 5 puenktlich zum
Feierabend ging uns die Farbe aus. Da mein Fahrrad platt war schob
ich es nach Hause. Sivanan begegnete mir. Er erzaehlte, dass am
Mittwochmorgen zur Hausuebergabe viel LTTE Hoheit anwesend sein
soll. Da werd ich wohl doch noch dableiben. Im Office empfing mich
Silanan und erzaehlte mir auch von Mittwochmorgen und dass ich doch
da bleiben soll. Ich sagte zu und er bedankte sich freudestrahlend.
Es ist fuer sie wohl mal wieder ganz wichtig, dass ich das noch
miterlebe und sie haben sich machtig ins Zeug gelegt um alles bis
Mittwoch zu schaffen. Gestern haben sogar die Officejungs geweiselt
und das bis nachts um eins an einem Sonntag. Da waere es schon eine
Beleidigung, wenn ich einfach so gehen wuerde. K.P. Regi, der TRO
Praesident wird auch da sein, er kann mich am Mittag mit nach
Kilinochchi nehmen, so verlier ich noch nicht mal Zeit.
Mullaittivu Office, 14.03.06 17.30
Uhr, Bautag 40
Und wenn alles restliche klappt wie
geplant, dann ist meine Zeit reichlich. Auch Silanan hatte mich
eingeladen und holte mich um 7 ab. Wir fuhren zu seinem Haus in
Mullaittivu Town. Es blieb damals verschont vom Wasser, nur 60 cm
hoch reichte das Wasser am 26.12.04 in seinem Haus. Das Glueck war,
dass es auf einer Anhoehe steht. Direkt hinter dem Haus zum Meer hin
ist alles platt. Bis das Essen fertig war gab mir Silanan ein Album
seines Bruders zum anschauen. Sein Bruder (einer von 8 Geschwistern)
ist ein “Black Tiger” einer, der bei den Kaempfen vorn steht, einer
der Premiumtruppe fuer besondere Einsaetze. In dem Album waren auch
lauter Tigerbilder, also Armeebilder. In dem Haus hing ein
Quadratmeter grosses Bild in der Mitte, im Eck und an der Seitenwand
ueber dem Fernseher jeweils ein Wandtisch mit dem Bild des Bruders
in Uniform. Um alle Bilder herum zusaetzlich noch Lichterketten mit
Farbenspiel. Sie scheinen den Kerl zu vergoettern. Waehrend des
Essens, bei dem uebrigens auch meine TRO Buben da waren, schauten
wir ein Kriegsdokumentationsvideo an. Ein Armateurvideo, aufgenommen
waehrend den Kaempfen 1996-98. Ganz schoen graussig, Leichen werden
auf Tracktoranhaengern weggefahren, Armeefrauen kaempfen fleissig.
Keine Panzer, nur Maschienenpistolen und kleine Granatwerfer, ein
richtiger Gurilliakrieg im Tschungel. Das Essen hat mir trotzdem
geschmeckt, Nudels mit Huhn, Schwein und Zwiebeln, dazu kuehle Cola.
Nach dem Essen, es war inzwischen 9 Uhr, haben sich die Jungs
verabschiedet, sie mussten noch los und 4 Haeuser weisseln. Werden
ganz schoen rangenommen im Moment. Ich blieb noch ne halbe Stunde
und frischte mein Wissen ueber Tamil eelam auf. Um halb 10 war dann
auch fuer mich Zeit zum Aufbruch, Sivanan zeigte mir noch die
Baeckerei eines seiner Brueder und dann fuhr er mich ins Office.
Frueh um 6 nach einer Nacht guten Schlafes, uebrigens meine
vorletzte hier, setzte ich meinen Brief an Micha fort und vollendete
diesen auch. Natuerlich hab ich auch bei diesem letzten Brief Enrico
nicht vergessen. Normalerweise wird dieser Brief 4-5 Tage vor mir
bei ihnen ankommen. Um 7 war ich auf Baustelle, noch keiner da.
Hatte ich erwartet und so setzte ich mich an die Eingangstuere bis
Aja und mein zweiter Helfer eintrafen. 4 Tueren inclusive Rahmen
waren noch zu streichen, ausserdem die Rundeisen der Fenser und das
Fundament. Und das alles in 6 Stunden. Also los. Aja kehrte das
ganze Haus sauber, der zweite Ana strich die letzten 3 Fenster mit
Dispersion vor, ich fing mit der Oelfarbe der Fensterlaeden an. Als
der erste fast fertig war, kam der Farbmischmaler und meinte, dass
es die falsche Farbe ist, zu den rosa gestrichenen Haeusern gehoert
ne andere Fensterladenfarbe und ich muss noch mal streichen.
Abhacken, keine Zeit. Ausserdem will ich dies braun. “TRO schreibt
es so vor” sagte er, “I pay, I say;” (Ich bezahle, also schaff ich
auch an) konterte ich. Und weiter gings. Ne Stunde lang war Ruhe,
bis einer der TRO Buben kam und sagte “Wait, wrong colour” (Warte,
das ist die falsche Farbe) “No problem” (Kein Problem) sagte ich,
ich will es so. “Wir bekommen Probleme mit den anderen
Hauseigentuemern, wenn es hier anders ist” “Dann sagt ihr ihnen
halt, dass Martin es so will und dass bei diesem Haus vieles etwas
anders ist” sagte ich ganz ruhig, waehrend ich weitermalerte.
Besorgt machte er sich davon. Spaeter kamen noch paar Menschen, die
sich in tamil ueber dieses “Problem” unterhielten, ich nahm keine
Notiz von ihnen und malerte weiter. Ana strich die Rundeisen und Aja
das Fundament. Unsere Teepause liessen wir uns natuerlich nicht
nehmen, heute an unserem letzten Tag an diesem Haus. Um halb eins
war mein letzter Tuerrahmen fertig, Ana hatte noch 2 Fensterlaeden
in Oelfarbe vor sich und Aja beschaeftigte sich anderweitig. Unser
Trinkwasser war leer. “Ich hol neues” meinte ich. “Dann bring mir
doch bitte ein gutes Hemd fuer die Bilder spaeter mit” gab mir Aja
mit auf den Weg. (Ich hatte geplant am Nachmittag das Couverfoto
fuer dieses Buch hier zu machen) Ich wollte ihm eh noch ein Hemd
schenken, warum nicht jetzt. Also noch schnell im Office vorbei und
meine letzten beiden Posthemden, die mir Klaus vor einigen Jahren
geschenkt hatte einpacken. Nach meiner Rueckkehr war Essenszeit. Ama
hatte sich nochmal richtig ins Zeug gelegt. Neben dem gewoehnlichen
Fisch, Gemuese und Ei waren diesmal noch Haenchen und
Schweinefleisch bei meinem Reis dabei. Und in der Sosse waren auch
extra viele Heringli. Das halbe TRO Office Kilinochchi stand
ploetzlich waehrend des Essens in der Tuer, unter ihnen auch Mr.
Lawrence. Sie waren auf Kontrolltour in Mullaittivu, besichtigten
alle Bauten, informierten sich ueber die Fortschritte.Deshalb sind
sie auch nur kurz geblieben und wir konnten unser Essen ungestoert
fortsetzen. Danach strich Ana seine letzten Laeden, Aja raeumte auf
und ich machte Bilder vom Haus und bereitete die Szene fuers
Tagebuchcoverbild vor. Um 3, mit einer Stunde Verspaetung, erschien
Ama mit Gefolge. Sohn mit Frau + 3 Kinder und die Schwester von Ama.
Am Morgen hatte der Bub, der auch irgendwie bei Ama wohnt schon
einen kleinen Mangobaum gebracht. Den pflanzten wir zuerst. Dann war
das Bild dran. Fuer dieses benoetigten wir mehr als ne halbe Stunde,
weil ich verschiedene Qualitaeten mit verschiedener Kleidung wollte.
Zwischendurch war natuerlich auch noch die Batterie meiner Kamera
leer. Aber schliesslich haben wir es doch geschaft. Nun noch die
Schluesseluebergabezeremonie und dann setzten wir uns in die
Stuehle, die zufaellig gerade gebracht wurden, Spende von Forut
(grosse Organisation, die fuer die Wasserversorgung in den
Temperisheltern (Camps) verantwortlich ist.) Die Kinder und auch die
Erwachsenen betrachteten mein Album und Tagebuch, Aja uebersetzte
mir fleissig und die Kleinen waren ganz begeistert von meiner Kamera
und wollten gar nicht mehr runter von meinem Schoss. “Mama, Mama”
(Das erste “a” wird ganz lang gesprochen) sagten sie staendig zu
mir. Das ist tamil und heisst Onkel, Onkel. Es war soo schoen, diese
Familienatmosphaere um mich rum, daran koennt ich mich gewoehnen.
Unbeschreiblich. Nach einiger Zeit loeste sich die Runde auf, Ama
und ihre Schwester schuetteten fleissig Wasser in alle Raeme des
Hauses und kehrten es wieder raus, einfache Reinigung. Ich uebergab
meine Werkzeuge an Aja mit dem Auftrag, dass sie sie auf den anderen
Baustellen nutzen sollen. Dann verabschiedete ich mich, sagte, dass
ich am Folgetag noch zu der TRO Feier komme und radelte zuerst zum
Krankenhaus, um noch ein Foto von Lukas Baustelle zu machen und dann
heim.
Mullaittivu Office, 15.03.06 6 Uhr
Aber nicht lang, die Zeit, die ich
dort verweilte reichte gerade mal zum Duschen und Tagebuchschreiben.
Um viertel vor 7 war schon wieder Zeit zum Aufbrechen. Hab mein
Abschiedsgeschenk fuer Lukas und Franziska eingepackt (ein ganz
besonderer Brief) und auch meinen letzten halben Liter
Zwetschgenschnaps von Oma. In der Stadt erstand ich noch 2 Flaschen
kuehle Cola zum Mischen. Auf zu Lukas. Mit Micha konnt ich nicht
mehr telefonieren wie eigentlich geplant, dazu war die Zeit einfach
zu knapp. Franziska und Lukas hatten noch mehr Besuch, Ralph aus
Deutschland. Er ist Journalist fuer die deutsche Welt-Hunger-Hilfe
und bereist gerade all ihre Projekte hier in Sri Lanka.
Normalerweise ist er in Indonesien um dort zu recherchieren. Die
tamilischen Bekannten von Lukas, eine Frau mit 2 Toechtern und einer
Nichte, alle 3 um die 18 Jahre, hatten mich zu diesem Abschiedsessen
eingeladen. Nach einer guten Unterhaltung bei ein paar
Zwetschgercola fuer uns Deutsche, Tamilen trinken in Anwesenheit
anderer keinen Alkohol, sie trinken ueberhaupt ganz wenig davon. Man
soll es nicht, das ist entweder staatlich oder religioes so
geregelt, ich weiss es nicht, gab’s Essen. Das zweite superleckere
Essen an diesem Tag. Nudels mit gebratenem Fisch und Haenchen. Hmm.
Wie gewohnt war ich der letzte beim Essen, als die anderen schon
fertig waren holte ich mir nen dritten Teller. Jemand meinte:
“Martin sehr langsam beim Essen.” Ich antwortete: “Ich ess, wie ich
arbeite, langsam aber ausdauernd.” Aber irgendwann nach ner Stunde
futtern war auch ich satt. Nun folgte ein sehr gemuetlicher Abend.
Wir unterhielten uns, die tamilischen Bekannten verstehen auch gut
Englisch. Eine der Maedels sagte als Witz nach dem Essen zu mir:
“War’s gut, dann kostet dass 200 Rupee.” Tja, Maedel, verloren, mit
solchen Witzen biste bei mir am Richtigen. “Ich geb dir ne Massage
fuer 200 Rupee” waehrend dieser Worte ging ich langsam auf sie zu.
Und schon war sie still, geschockt. Jungs duerfen Maedchen hier halt
mal nicht bewusst anfassen und schon gar nicht massieren. Ich und
andere mussten lachen. Mein Album anschauen, das war auch fuer sie
wieder wichtig. Die Freche fragte, ob sie das Bild von Regina haben
darf. “Wenn nichts wichtiges hinten drauf ist”, weil ich oft die
Adressen meiner Arbeiter hinten drauf hab. Die 3 Maedels fingen laut
an zu kichern. Als ich die Rueckseite sah, wusste ich warum. Die
Rueckseite war das Coverbild meines Tagebuches ( Ich hatte
alleBilder dieses Albums auf Abfallpapier gedruckt, u. a. auf
welches, wo halt dieses Bild drauf war). Deshalb wollte sie also das
Bild meiner kleinen Schwester. Schlau. Natuerlich durfte sie es
haben. Und auch meine Adresse schrieb ich bereitwillig auf. Lukas
scherzte: “Jetzt noch Geburtstag, Koerper- und Schuhgroesse.”
“Schuhgroesse weiss ich nicht, trag keine” konterte ich lachend. Es
war eine richtig geloeste Stimmung an diesem Abend. Wir Deutschen
tranken nen Schnaps, die Tamilen rochen dran, die Wirkung war
ziemlich gleich. Um 10 verabschiedeten sich die Tamilinen. Ralph,
Franziska, Lukas und ich sassen noch lange beisammen. Ralph hatte
11000 Bilder auf seinem Laptop. Einige davon schauen wir an. Bilder
von der Zerstoerung in Banda Ache (Indonesien) vom letzen Februar.
Poa, da war so viel kaputt. Ein 5000 Tonnen schweres Schiff, das 2,4
km ins Landesinnere gespuelt worden war und das von einer 35 Meter
hohen Welle. Ganze Straende, die weggespuelt worden waren.
Flaechendeckende Quadratkilometergrosse Zerstoerungen einer Stadt,
bis zu 7 Kilometer ins Landesinnere. Ralph erklaerte uns die Bilder.
Hilfsprojekte, Machienen, Wasserbueffel als Zughilfen, aber auch
gespendete Unimogs, Saegen und andere Werkzeuge, alles ist im
Einsatz. Improvisation ist ueberall gefragt. Dann Themawechsel. Wir
sahen Bilder vom Tauchen, die schoensten Fische und auch Bilder von
Kindern, von Tieren und paradisischer Natur. Nach diesem “Dia
Vortrag” diskutierten wir noch ueber Hilfsorganisationen, guter
sowie schlechter NJO Arbeit (NJO=Nicht Regierungs Organisation),
ueber meine Arbeit und Vor- und Nachteile des Ganzen. Auch unser
Deutschland war mit am Tages- oder besser Nachtgespraechstisch.
Lukas nannte es eines der Hauptentwicklungslaender, nur, dass er
auch findet, dass die Entwicklung nicht die beste war und ist. Meine
Meinung. Ralph hatte eine recht nuechterne Meinung von meiner Arbeit
hier. Ich bin froh, ihn getroffen zu haben. Das es nicht nur gut
ist, dass ich hier baue und bin, weiss ich ja auch. Waer ich nicht
da, dann haett ich 790 Euro mehr spenden koennen und waer auch nicht
aermer, das sind die Kosten des Flugs, den mir ja meine Eltern
geschenkt haben, dieses Geld aber auch haetten spenden koennen. Auch
weiss ich, dass dies Geld im Moment in Pakistan besser angelegt
waere und da haette Menschenleben retten koennen. Hier kann es “nur”
das Leben von Menschen verbessern. (Ist aber so glaub ich auch nicht
ganz richtig, denn auch wenn fuer Pakistan mehr gespendet wird, so
ist die Schlagkraft dort auch nicht groesser, es wuerde auch nur auf
“Lager” liegen, das sag ich jetzt mal so, um mich zu rechtfertigen).
Ich hatte es ja versucht, nach Pakistan zu gehen, aber halt einfach
keinen Kontakt bekommen. Und einfach an eine Organisation spenden
konnte ich das Geld nicht, ich hatte meinen Spendern versprochen,
jeden Cent auch anzubringen. Da ich nach bestem Wissen und Gewissen
innerhalb der von mir gesteckten Grenzen gehandelt habe, mache ich
mir auch kein schlechtes Gewissen, dass ich es no;ch besser haette
machen koennen, denn man kann es immer besser machen, egal, wie gut
man ist. Trotzdem gebe ich Ralph auch recht. Viele Organisationen
haben wohl das Problem von Spenden, die sie nur fuer die
Trunamifolgen nutzen duerfen, weil sie eben dafuer gespendet wurden.
Dazu kommt noch, dass ein Druck da ist, die Spender wollen was sehen
fuer ihr Geld, dass es dauert, bis z.B. mit dem Hausbauen begonnen
werden kann (Planung, Grundstueckvermessung, Materialbeschaffung,
Bau) bedenken viele nicht. Da entsteht dann schnell das Geruecht,
das sich da wieder einige bereichert haben und die Armen nichts
kriegen. Und dass ein gewisser Anteil an Verwaltung drauf geht, das
ist auch klar. Ich konnte nur jeden Cent an die Armen geben, weil
die TRO andere Spenden fuer die Verwaltung hernimmt. Auch fuer das
Haus das Wir gespendet haben, musste vermessen werden, LKW’s und
Traktoren bringen Material, Maurer und Zimmerer brauchen ihren Lohn.
Es geht halt mal nicht anders. Gerade der Zeitdruck ist fuer die
Organisationen ein Problem, wer sich davon einnehmen laesst macht
schnell den Fehler, Gelder falsch, sinnlos zu vergeuden, weil das
Geld weg muss. Lassen wir ihnen also Zeit. Dieses, das das Geld weg
muss, das haben wir ja oft auch bei uns in Deutschland, Gemeinden
muessen am Ende des Jahres ihren Etar verbraucht haben, sonst gibts
im naechsten Jahr entsprechend weniger, bei sozialen Einrichtungen
das selbe. Ich habe schon oefer gesehen, wie Gelder sinnlos
vergeudet werden, ganz schlimm, was man da alles mit Gutes tun
koennte. Zurueck zu den Spenden, ich schweif schon wieder andauernd
aus und komm vom Thema ab. Ja, also wenn man spendet, dann sollte
man versuchen, den Verwendungszweck allgemein zu halten, wenn nicht
die eigenen Gelder fuer Verwaltung genutzt werden, dann die von
anderen Spendern, es geht halt nicht anders, und wenn man keinen
Verwendungszweck angibt, dann ist die Verwaltung einfacher, Personal
kann eingespart werden, mehr Geld kommt den Betroffenen armen
Teufeln zu, und das wollen wir doch, oder? Ja, wir, auch ich,
muessen immer wieder neues lernen. Ich hab gelernt. Die naechsten
Spenden werde ich sammeln, ich kann nicht versprechen, dass sie 100
Prozentig an die armen gehen, da ich sie weitergeben werde, an
speziell ausgesuchte Menschen, ich kenn ja mittlerweile genug. Ich
werde mein bestes tun, das kann ich versprechen. Dieser Abend wollte
nicht enden. Nachts um 2 hab ich mich dann doch mal auf den Heimweg
gemacht, aber nur bis zur Bruecke in der Naehe des Offices.
Vollmondbilder, die musst ich noch haben. Mit 15 Sekunden
Belichtungsdauer denkt man, es waere Tag. Um 3 lag ich dan doch mal
auf meiner Matte, um die letzten 2,5 Stunden Schlaf hier an meinem
Eingangseck zu beginnen. Es waren so viele Jungs im Office, das 4
auch auf der Veranda schliefen. Um halb 6 war die Nacht schon wieder
um. Eindruecke niederschreiben, ganz wichtig fuer mich, um den Kopf
frei zu bekommen.
Kilinochchi House, 15.03.06 19 Uhr
7 Uhr aufstehen, Sachen packen,
Fruehstueck. Es gab Rotty mit Linsen. Lecker, ess ich gern, zum
Glueck kein Puttu. Um 8 hab ich mich zu Fuss auf den Weg gemacht. Im
Postoffice war der Brief von Micha immer noch nicht da. Piragalathan
fuhr mir ueber den Weg. Wir verabschiedeten uns und er versprach
mir, die Briefe, die noch kommen nachzuschicken. In der Stadt kaufte
ich mir noch einen Kokosnusshandbesen und eine “Sunlite” Seife, dass
ist die beste hier. Dann ging ich am Strand entlang Richtung Ama
Haus. Mich in aller Ruhe vom Meer verabschieden, das war ganz
wichtig fuer mich. Ein paar schoene Muscheln sammelte ich auch noch.
Eine hatte ein Loch am “Hals”. Ein schoenes Stueck Schnur fand ich
auch. Super, gibt ne super Kette, die darf mir Ama spaeter umlegen,
eine schoene Erinnerung fuer mich. Um 9 erreichte ich das Haus. Es
war schon eine fleissige Geschaeftigkeit dort, eine
Blechueberdachung mit Stuehlen drunter war aufgebaut, ein Altar
aufgestellt. Im Haus werkelte Ama rum. Die Zimmerer richteten in dem
Zimmer, wo der Gottestisch ist eine Feuerstelle her. Sie schuetteten
einen Eimer Sand auf den Boden, stellten 3 Steine drauf und einen
Topf auf dieselben. Im Eck wurde ein kleiner Altar aufgebaut. Ein
Topf mit ner Kokosnuss drauf, ein Strang Bananen und auch ein
Haeufchen Kuhkacke mit Grass drin. Reis mit Kokosnuss wurde gekocht,
eine Strohpuppe angezuendet und dann durchs Haus hinaus gezogen und
unter einer Palme verbrannt, dazu wurde eine komisch aussehende
Frucht zerhackt. Dies soll die boesen Geister aus dem Haus treiben.
Dann versammelten wir uns wieder im Gebetszimmer, wir Arbeiter
bekamen ein kleines Trinkgeld, das soll Glueck fuers Haus bringen.
Ich bekam noch nen Saram und einen Stoff fuer ein Hemd dazu. Nun war
die Zeremonie draussen dran, die Hauseigentuemer der anderen Hauser,
die uebergeben werden sollen waren da, 3 Fernsehteams und viel TRO
und LTTE Hoheit. Zuerst wurde die Tigerflagge gehisst, dann die TRO
Flagge. Eine Rede folgte. Dann waren ich und Ama an der Reihe. Quer
ueber die Haustuere war ein Band gespannt worden, ich sollte es
durchschneiden und dann Ama symbolisch den Schluessel uebergeben.
Nun hat sie ihn schon 2 mal von mir bekommen. Es war uebrigens das
allererste Haus in Mullaittivu, das uebergeben wurde. Die Hoheiten
und die anderen Hauseigentuemer gingen nun nach einander zu den
anderen Haeusern und wiederholten die Zeremonie. Ama bekam ihr
Gottesbild und die heilige Oellampe gebracht und ueberreicht und
somit war das Haus nun entgueltig geweiht. Es sind schon sehr
komplizierte Riten, die die Hinduisten durchfuehren. Um halb 12
waren wieder alle unter dem Blechdach versammelt. Ich musste mich
mit in die Rednerreihe setzen. Von der Unicef waren auch 2 Frauen
da, da ja die Brunnen und Toiletten von der Unicef gesponsert
wurden. Da sassen wir nun zu acht oder neunt auf der “Buehne” und
einer nach dem anderen hielt seine Rede, die Fernsehkameras waren
fleissig auf uns gerichtet. Da ich in der Nacht vorher nur 2 Stunden
geschlafen hatte, und ich diese langen langweiligen Tamilischen
Reden eh nicht verstehen konnte, ich hab nur ab und zu Martin und
Deutschland verstanden, uebermannte mich der Schlaf, immer wieder
fielen mir kurz die Augen zu. 3 TRO Maedels verteilten Essensteller
mit Keksen, Bananen und Chips waehrend den Reden und auch kuehle
Fanta. Irgendwann hoerte der Redeschwall doch auf, die neuen
Hauseigentuemer bekamen jeder eine Urkunde und einen Mangobaum
ueberreicht und alle gingen nach Hause. Mit 2 anderen von der TRO
wartete ich auf den Van nach Kilinochchi, waehrend ich mit den
Enkeln von Ama spielt, die mich auch heute wieder andauernd Mama
riefen. Aja war nicht aufgetaucht, nicht gut, gerade von ihm wollte
ich mich doch verabschieden. Nicht schoen. Dann war er da unser Van.
Abschiedszeit also. Ein letztes Mal “peudowaren” (tschues) sagen,
ein letztes Bild, ein letztes Mal Amas ruhige aber betonte Stimme
hoeren, Ein letztes Winken, ein letztes Mal in die lieben Gesichter
schauen. Dann war sie vorbei, meine Zeit in dem Dorf Kallapaddu in
Mullaittivu Distrikt. Vorbei die Baustelle, das Schwitzen, der
Zeitdruck, Die Lust- und Kraftlosigkeit zwischendurch, vorbei die
Zeit mit Aja und Ana, vorbei die vielen “Martin” Zurufe der
vorbeifahrenden Menschen mit strahlenden Gesichtern.
Wenn der Befehl kommt, woandershin zu
ziehen, sucht der Krieger alle Freunde auf, die er auf seinem Weg
gemacht hat. Einigen hat beigebracht, die Glocken einer versunkenen
Kirche zu hoeren, anderen hat er am Lagerfeuer Geschichten erzaehlt.
Sein Herz ist traurig, aber er weiss, dass sein Schwert geweiht ist
und er den Befehlen dessen gehorchen muss, dem er seinen Kampf
geschenkt hat. Dann dankt der Krieger des Lichts seinen
Weggefaehrten, amet tief durch und schreitet aus, und ihn begleiten
die Erinnerungen einer unvergesslichen Wanderung. Hkl 149
Im Mullaittivu Office hatten wir noch
ein wenig Wartezeit. Auch hier wieder Verabschiedung von
liebgewonnenen Freunden. Andauern die Frage, wann ich wiederkomm,
die ich immer nur mit “ich weiss es nicht, vielleicht in 2-4 Jahren
und dann nur auf Besuch, aber nicht sicher” beantworten kann. Ein
letztes mal Ronalds Kinderlachen hoeren, den Jungs und Maedels noch
mal freundschaftlich tief in die Augen schauen. Auch hier vorbei die
Zeit meiner morgentlichen Sonneaufgaenge, das allabendliche
Tagebuchschreiben neben Hopsi, der Krach vom Fernseher, die Dusche
am Brunnen, das Zaehneputzen unter Gottes grossem Sternenzelt,
waehrend ich an den Baum pinkel. Vorbei das Geraesch des
Meerrauschens und der Mittagsschlaf im Materialstore. Das wird wohl
mein letztes langes Abenteuer gewesen sein. Jeden Tag hab ich mich
nach Hause gesehnt, mal viel, mal wenig, aber jetzt, wo es rum ist,
ist es doch nicht einfach zu gehen. Irgendwann will ich auf einen
Besuch zurueckkehren in ein paar Jahren und sehen, was aus dieser
einer meiner vielen Heimaten geworden ist, ob mich dann immer noch
der ganze Ort mit “Hello Martin” begruessen wird. Die Fahrt nach
Kilinochchi war ruhig, der Fahrer fuhr langsam und ich schlief die
meisste Zeit. Im Office erzaehlte mir Ravi, dass ich das Kinderheim
in Batticola nicht besuchen kann, weil die Situation dort sehr
angespannt ist und wohl auch schon Auswaertige gekidnapt wurden. Die
TRO Mitglieder, die am 29ten Januar gekidnapt wurden sind immer noch
verschwunden, nur 8 von 15 waren 2 Wochen nach dem Attentat
freigelassen worden. Von den anderen fehlt jede Spur. Und Bilder
koennen sie auch nicht von dem Kinderheim mailen, weil sie dazu in
die von der SLA kontrollierte Stadt muessen und sich das nicht
trauen. Ganz schlimm. Da muss Gabriel wohl noch weng warten, Mr.
Ravi hatte mir aber gesagt, dass die Arbeiten fertig sind. Und warum
sollte ich mich wegen ein paar Bildern in Gefahr begeben, waer ja
Unsinn. 2 Stunden hab ich noch am Computer getippt, dann bin ich ins
House.
Kilinochchi, 1.03.06 20.45 Uhr
Nach einem Dinner und Tagebucheintrag
dann wieder auf Achse, der Telekomunikation Centre war mein Ziel.
Musste ne halbe Stunde warten. Hab mich also in Stuhl gesetzt und
bin auch gleich eingenickt. Als ich dann dran war , wurde ich wieder
wach. Diesmal war das Telefonat mit Micha irgendwie anders,
leichter, mit dem Wissen im Hintergrund, dass wir uns nun bald
wieder in den Armen halten koennen, wenn wir miteinander reden, lies
uns wohl beide froehlich sein. Die Nacht hab ich unter einer
Bananenpalme im Garten des Hauses verbracht. Ich wollte nicht
drinnen schlafen. Allein die Vorstellung von einem richtigen Zimmer
grausste mir. Geschlafen hab ich gut, nur am morgen weckten mich
Tautropfen, die mir genau auf die Backe tropften. 7.15 Uhr startete
ich, mein Ziel: Vavunija, Geld abheben. TRO Van wollte ich keinen
extra fuer mich, Bus war mir zu langsam. Also trampen. Duerfte ja
fuer mich kein Problem sein. War aber doch nicht so leicht. Die
Landrover der grossen Organisationen liessen mich alle stehen, also
kam ich nur etappenweise vorwaerts. Motorrad, Traktor, Motorrad und
dann ein LKW, der mich bis zur Grenze mitnahm. Der Fahrer wartete
sogar, bis ich durch die tamilische Passkontrolle war und nahm mich
mit zur anderen Seite. (Ausschweif: Sitz gerade draussen im Garten
des Hausses und schreib und ratet mal, wer da grad vorbei kommt. Ein
Hopsi, es ist nun auch hier einer, wie schoen) Weiter im Text. Nach
der singalesischen Kontrolle, die auch kein Problem darstellte gings
mit dem Bus weiter die kurze Strecke nach Vavunija. Um 10 war ich
dort. In der Commercial Bank hob ich 20000 Rupee ab. Dann in die HNB
Bank, dort hatte man mir ja 2 Wochen vorher erklaert, dass ich hier
100000 Rupee bekomm. Aber Pustekuchen, gar nix ging. Also in die
naechste. Dort 40000 Rupee. Wieder in die Commercial Bank. Ich
dachte ja schon, dass nichts mehr geht, und so war es dann auch.
Over Limit. Also machte ich mich mit 60000 in der Tasche (120000
Haett ich gebraucht) auf den Heimweg. Zuerst mit dem Bus, meine
Stimmung war geloest, ich hatte Zeit und eine schoene Heimreise vor
mir. An der Grenze war mit einem Schlag oder besser gesagt Wort
diese geloeste Stimmung weg. An der Sri Lankan Armee Seite. “We
don’t allow you to go today” (Wir erlauben ihnen heute nicht zu
gehen) sagte mir der Grenzer. Wie immer, wenn ich Zeit zum
Nachdenken brauche liess ich es ihn nochmal wiederholen. Ein drittes
Mal liess er sich nicht drauf ein und fragte, ob ich kein Englisch
sprech. Heute gings also nicht mit “auf dumm” stellen. Sie hatten
sich also in den Kopf gesetzt mich zu aergern. Hab mich ins
Bossoffice bringen lassen. Der selbe wie vor 2 Wochen schon und er
fragte und fragte wieder. Warum ich nicht den Singalesen helfe, was
ich mache, ob ich ein residant Visum habe. Ich versuchte moeglichst
knappe ausweichende Antworten zu geben. Er meinte, ich brauch einen
Brief vom Department of irgendwas, hab den Namen vergessen, in
Colombo. Er kopierte meinen Pass und sagte: “ Wenn sie am Flughafen
sehen, dass ich in Vanni war, werden sie mich einsperren” Na und, da
kann ich auch nix dran aendern, damit kann er mich nicht aus der
Reserve locken. Der wollte mich doch nur einschuechtern. Ich
versuchte es auf die Reporterschiene, erklaerte, das ich Berichte
schreibe, dass ich auch mit Rot Kreuz, Unicef und Wourld Vision
arbeite. Es stimmt ja auch ein kleines bisschen. ich zeigte ihm auch
die Karte von Klaus mit dem Rot Kreuz Logo. Mit der Auflage, dass
ich Vanni bis Samstag wieder verlasse, durfte ich doch weiter. Die
Schreibmaedels wollten zwar nochmal nen Aufstand bauen, sich wichtig
machen, mussten mich aber dann doch passieren lassen. (Spaeter
erfuhr ich im TRO Office, dass sie mich gehen lassen muessen, sie
haben kein Recht mich am verlassen ihres Landes zu hindern, wenn ich
in dieses andere Land Vanni gehen will) und ausserdem, wenn ich erst
drin bin, koennen sie mich eh nicht rausholen, auch wenn ich 4
Wochen bleibe. Zur tamilischen Grenzseite bin ich mit ein paar
Tamilinen gelaufen. Rot Kreuz war am Weg postiert. Nachdem ich dem
Officer meine erlebten Probleme geschildert hatte, meinte er, dass
man da nix machen kann. Auf der tamilischen Seite wie gewohnt keine
Probleme, ein Grenzer empfing mich schon lachend. Als ich gecheckt
war fuhr grad ein Auto los, ich fragte, ob ich mitfahren darf, es
war wieder ein NJO Auto. Nein, ist nicht erlaubt. Danke und
Tschuess. “Soll ich vielleicht doch den Bus nehmen?” Nein, trampen,
wieder auf die Teerstrasse, deren Teer von der Sonne weich war.
Wieder brennende Solen. Mein Vorhaben vom Januar kam mir wieder in
den Sinn. Barfuss mit Gepaeck von Jaffna nach Galle. Ein Laufen fuer
den Frieden. Zum Glueck war es damals nicht so weit gekommen, das
haetten meine Fuesse nicht derpackt. Ein Motorrad nahm mich ein
Stueck mit, dann wieder laufen. Ein Pater kam in nem Van. “Der nimmt
mich bestimmt mit.” Als ich auf der sich entfernenden Rueckscheibe
seines Vans die Aufschrift: “Jesus schuetzt uns” lesen konnte,
wusste ich, das meine Gedanken falsch waren. “Ob er euch auch
schuetzt, wenn ihr Anhalter stehen lasst” fragte ich mich. Ein
Motorrad nahm mich wieder ein Stueck mit und danach ein LKW. Wir
fuhren und fuhren. “Jesus schuetzt uns” konnte ich nach einer halben
Stunde wieder lesen. Unser Pater hatte einen Platten und stand am
Wegrand waehrend ein hilfsbereiter LKW Fahrer den Reifen wechselte.
Ich musste lachen, es ging nicht anders, aber ich bat Gott gleich
wieder um Verzeihung fuer meine schlechten Gedanken. Kurz vor
Kilinochchi zischte es, nun hatten wir nen Plattfuss. War das die
Quittung fuer mein Lachen ueber den Pater? Natuerlich der Innere der
Zwillingsreifen, ein Metallstueck steckte drin. Nach kurzer
Ueberlegung beschloss der Fahrer weiterzufahren. Einer war ja noch
heil, da geht das. Um 3 waren wir in Kilinochchi, ich bedankte mich
herzlich, holte meine Buerosachen und den Hemdstoff von Ama im
House, gab das Hemd beim Schneider in Auftrag, mit der dringenden
Bitte, es bis zum Abend des folgenden Tages fertig zu haben. Nun war
mein naechster Weg ins SLIMM Office (Srilankan Monotoring Mission)
das sind die Norweger, die die Einhaltung der Regeln des
Waffenstillstandsabkommens beaufsichtigen. Das Office hatte ich
waehrend meiner Irrwege am Sonntag entdeckt. In aller Ruhe und mit
allen Einzelheiten erklaerte ich dem Officer die Geschichte am
Checkpoint. Auch erzaehlte ich, dass ich eigentlich am Samstag mit
dem Zug von Vavunija aus nach Colombo fahren wollte. Davon riet er
mir ab und wenn ich in Colombo bin, soll ich in die deutsche
Botschaft um Probleme am Flughafen, wie es mir der Grenzer angedroht
hatte, zu vermeiden. Ich dankte ihm und bat noch um seine
Visitenkarte, damit ich sie an der Grenze zeigen kann, wenn es
Probeme geben sollte, vielleicht schreckt das die Halunken ja ein
wenig ab. Um halb 4 erreichte ich das TRO Office. dort ass ich
erstmal in der Kantine zu Mittag. Archinan war da und er faehrt
wahrscheinlich am Samstag zurueck nach Colombo, super, wie fuer mich
gemacht. 3 Stunden sass ich dann am Computer, tippen. Zwischendurch
stuertzte der Kasten ab und ich verlor die Daten einer halben Stunde
tippen, also nochmal. Zwischendurch kam auch Mrs. Judicia. Sie hatte
mir meine Bilder von der Camera auf CD gebrannt und sie erklaerte
mir, dass ich morgen die Projekte anschauen kann, wo sie finanzielle
Unterstuetzung braucht. Um 8 war ich endlich im House. Mein
Acounter, der auch dort wohnt war wieder mal platt, agsuffn. Er
plaperte und plaperte. Mir bot er auch nen Arak an. Schmeckt
fuerchterlich das Zeug, Marke billig. Um 9 ging er schlafen, ich
begann zu schreiben, nun ist es zehn, er sitzt auf der Terrasse und
fantasiert, er schlafwandelt wohl gerade, es ist Vollmond. Ich
glaube nicht, dass er wach ist. Vollmond ist hier eh so ne Sache, da
haben alle Beamten Urlaub und es ist schulfrei. Beamte, die trotzdem
arbeiten bekommen den doppelten Lohn.
Kilinochchi House, 17.03. 21 Uhr
Nach einer weiteren Nacht unter Palmen
war ich frueh um 8 im Office. Ich hatte mir extra eine Liste mit
allem geschrieben, was ich noch zu erledigen hatte. Bilder vom
Houseopening auf meinen Stick laden, ein Zeugnis ueber meine Zeit
hier geben lassen, Geld wechseln, Mutter-Kind Heim besuchen, Geld
uebergeben, Tagebuch tippen. Mrs. Judicia vermittelte mich an Mr.
Turayratscha und mit ihm fuhr ich ins Mutter-Kind Heim. Auf dem Weg
hab ich schnell meine letzten baren 200 Euro gewechselt, die ich
dabei hatte. Das Heim lag weit abgelegen im Tschungel. Eine
dreiviertel Stunde Fahrt. Schoene Fahrt ueber Grablpiste. Einige
kleine Seen mit hunderten Seerosen, es soll auch Krokodile und
Elefanten hier geben. Kleine Doerfer und neben Traktoren auch ein
paar Ochsenkarren auf der Strasse. An einer Stelle wurde Grabl
abgebaut, mit nem Bagger, die Baeume, die sie zwischendrin stehen
gelassen hatten stehen auf 1 Meter hohen Erdpodesten. In dem
Mutter-Kind Heim sind 4 Frauen und 11 Kinder untergebracht, eine der
Frauen war schwanger. Die Frauen wurden von ihren Maennern verlassen
oder sind Witwen, es soll hier oefters vorkommen, das Paare heiraten
und dann nach ein paar Monaten der Mann einfach verschwindet. Oft
sind die Frauen zu diesem Zeitpunkt schon schwanger. Dies ist eine
eindeutig negative Folge dieses Staats/Religionssystems hier in
Vanni, behaupte ich jetzt mal. Paare haben nicht die Moeglichkeit
sich vor der Ehe richtig kennen zu lernen, es sei den sie lernen
sich bei der Armee kennen und leisten jahrelang gemeinsam
Armeedienst ab, da wissen sie dann, wie der andere in verschiedenen
Situationen reagiert, wie er sein alltaegliches Leben gestaltet. In
dem Buch “Nicht ohne Gottes Fuehrung” hab ich gelesen, das sich in
Israel viele Paare waehrend des gemeinsamen Armeedienstes
kennenlernen und so nicht nur die Sonntagsseite des anderen kennen.
Die Menschen hier muessen ihren Partner sozusagen als “Katze im
Sack” kaufen, Liebseligkeiten vor der Ehe sind ja verboten. Merken
die Vermaelten nach der Ehe, dass der jeweils andere ueberhaupt
nicht so ist wie man dachte, sei es in Bezug auf die Sexualitaet
oder rein menschlich von der Art her, dann koennen sie sich entweder
ein Leben lang bekriegen, sich fuereinander aendern also Liebe leben
oder den einfachen Weg der Scheidung waehlen oder der Mann haut
einfach ab. Ist ein Kind unterwegs oder schon da, hat die Frau ein
Problem, Unterhaltszahlungen gibt es nicht und mit Kind hat sie
keine Chance auf einen neuen Partner, wie hab ich mir schon oft
sagen lassen, als ich erzaehlte, das Micha ein Kind von einem
anderen Mann hat: “Sowas ist nicht gewoehnlich hier, man heiratet
keine Frau, die schon ein Kind hat.” Diese Frauen hier koennen von
Glueck reden, dass sie in diesem Heim untergekommen sind. In dem
Album, dass sie mir zeigten sah ich eine Australierin, die ich im
Vorjahr im Kilinochchi Office kennengelernt hatte. Sie hat hier wohl
die Hauptorganisationsarbeit beim Bauen gemacht. Die Frauen, die
hier wohnen verdienen sich ein Geld als Schneiderin im
heimzugehoerigen Schneiderladen oder auf den Reisfeldern. Eine Kuh
gehoert auch zu dem Heim, sie sorgt fuer frische Milch. Auf dem Dach
ist ein Solarmodul fuer Lichtstrom. Sie versorgen sich also so gut
es geht selbst. Fuer mich ein bespielhaftes Heim. Unser naechstes
Ziel war nun noch mal das Altersheim in dem ich schon die
Blutzuckermessgeraete gespendet hab. Ich wollte noch die Adresse
haben, da ich die Messsticks in Colombo nicht bekommen hab, muss ich
sie nun von Deutschland aus schicken, Ist wohl auch ganz gut so, da
Medikamente hier sehr teuer sein sollen, ich versuch’s noch genau zu
erkunden. Ich wollte noch ein paar Bilder von den Bewohnern machen.
Diese freuten sich riessig mich zu sehen, ein fremder in ihrer
Mitte, in ihrer Landestracht. Ich musste an meine Behinderten aus
dem Wohnheim denken, Wie diese, so waren die Menschen hier auch so
herzlich, am liebsten waer ich gleich ne ganze Woche hier
geblieben,. Aber ich musste weiter, der Van war uns eigentlich nur 2
Stunden zur Verfuegung gestellt worden und wir waren schon 3 Stunden
unterwegs. Im Office dann erstmal Lunch, dann weitere Kleinigkeiten
erledigen. Im House mein Tagebuch holen, das hatte ich am Morgen
vergessen. Beim Schneider mein Hemd abholen, er schloss gerade
wieder seinen Laden auf, er erzaehlte mir, dass am Freitag von 3 bis
halb sechs immer LTTE Uebung ist, da sind alle Geschaefte
geschlossen und die Besitzer werden im Kaempfen trainiert. Er gab
mir mein Hemd und zusammen fuhren wir zum Fotoshop, dort konnte ich
ihm endlich die versprochenen Bilder geben, hab sie downloaden
lassen und bezahlt, morgen kann er die fertigen Bilder abholen.
Zurueck im Office gab’s wieder Tipparbeit, 2,5 Stunden, um halb 9
war ich dann endlich daheim, Das letzte mal im Dunkeln den kleinen
Weg zum Haus gehen, wo man immer aufpassen muss, dass man nicht
ueber die Kuehe stolpert, die am Wegrand liegen.
Colombo House, 18.03.06 20 Uhr
Das letzte mal im Garten unter Palmen
schlafen und am Morgen von Tautropfen geweckt werden. Das letzte mal
die 3 km ins Office laufen, diesmal mit all meinem Gepaeck. Davor
hab ich mich noch mit einem unterhalten, der im Moment auch im House
wohnt. Er ist Tamile, von ihm erfuhr ich, das der Strassenbau hier
in Vanni gar nicht von der Regierung direkt finanziert wird, die
Regierung braucht ihr ganzes Geld fuers Verteitigungsministerium
sagte er lachend. Entwicklungsprojekte wie der Strassenbau werden
von grossen Firmen wie z.B. der Weltbank finanziert. Um 8 sollte es
losgehen, der Trip nach Colombo. Archinan kam um kurz nach acht, nur
unser Fahrer war nicht da. Um halb 10 sollte Archinan ploetzlich mit
einem anderen Van fahren als ich, so ein Bloedsinn. Er war also auf
der Reise und ich wartete weiter. Wollten sie sicher gehen, dass er
nicht auch noch Probleme am Checkpoint bekommt, wenn ich schon
Probleme kriegen koennte. Ich hatte extra eine Hose angezogen, weil
sie mich am Checkpoint ja nur mit Saram kennen. Vielleicht wird es
dann etwas leichter. Um 10 ging auch meine Reise los, mit noch 2
anderen Frauen im Landcruzer (Jeep) Eine von ihnen trug eine
Halskrause, sie sollte in Colombo ins Krankenhaus gebracht werden.
Waehrend der Fahrt mahlte ich mir in meinem Hirn aus, wie ich auf
verschiedene Situationen, die am Checkpoint eintreten koennten,
reagieren koennte, das ging soweit, das ich gefangengenommen werden
koennte und an die Waffe eines Soldaten komm, diesen dann als Geisel
nehm und ein Auto stop. Das muss mich dann in die deutsche Botschaft
in Colombo fahren. Dann war er da, der Moment, an dem Checkpoint der
Sri Lankan Armee. Wir hielten an, der Fahrer redete mit einem
Grenzer, ich trug mein Gepaeck zum Checken. “Hallo, woher sind sie”
fragte ein ganz freundlicher Grenzer. “Aus Deutschland” “Was ist in
dem Gepaeck?” “Mene privaten Sachen” Sie werden nicht kontrolliert,
Helfern machen wir keine Probleme” Wenn der wuesste, was ich noch 2
Tage vorher mit seinen Kollegen fuer Stress hatte. Es haette mich ja
gereizt ihm das zu sagen, aber ich unterliess es doch lieber. Die
Passdaten schrieb er auch nur halbherzig auf und auf seine Frage,
welcher Organisation ich helfe und was meine Arbeit ist, antwortete
ich: “Keine spezielle Organisation, ich hab Unicef, Rot Kreuz,
Wourld Vision und TRO geholfen, trainierte Maurer und schreib
Berichte, erst diese Woche hatte ich ein Treffen mit der SLIMM.” Wir
hatten gerade alles Gepack wieder im Van vestaut, da kam der Grenzer
zu mir. “Ein Missgeschick mit ihrer Adresse” Es hatte mich also doch
einer von ihnen erkannt. Nun wurden alle Daten akribisch
niedergeschrieben. Und der Van wurde druchsucht, nur meine Sachen
ruehrten sie nicht an. Dann durften wir passieren. Unser Fahrer
meinte, das ist ganz unnormal, dass sie so genau sind. Wahrend wir
weiterfuhren erzaehlte ich ihm die Geschichte vom Donnerstag, dann
verstand er besser. Ich fuehlte mich leichter, aber die Gefahr war
noch nicht vorbei, wir hatten noch zig Armeeposten zu passieren. Und
bei jedem dachte ich, sie schauen genau mich an und wollen mich nur
noch zappeln lassen. Aber nichts geschah, die Fahrt ging wie gewohnt
durch diese herliche gruene Landschaft, je naeher wir Colombo kamen,
desto praechtiger wurden die Haeuser, die Autos vermehrten sich,
Fahrraeder gab’s fast keine mehr. Zwischendurch mal nen
Ochsenkarren, ein Mopetfahrer, mit nem Schwein am Gepaecktraeger,
noch lebend, die Fuesse zusammengebunden. Tausende Kokosnusspalmen,
kleine Laedele am Wegrand, die Aepfel, Orangen, Ananas, Bananen, usw
verkauften. Zwischendurch auch welche, die gebratene Maiskolben
verkauften. Die anderen 3 im Auto wollten keine, aber ich, 3 Stueck.
2 mal haben wir ne kleine Ruhepause fuer den Fahrer eingelegt, er
hatte in der Nacht zuvor nur eine Stunde geschlafen erzaehlte er. Um
6 Uhr errreichten wir Colombo, der Fahrer brachte uns zu Archinans
Haus und verabschiedete sich. Nun war als erstes ne Dusche dran,
dann Essen gehen und paar Bier holen. Der Ober im Essensshop fragte
mich, wo ich her komm. “Aus tamil eelam” war meine Antwort, er
schaute mich mit grossen Augen an, “nein, aus Deutschland”
verbesserte ich lachend und ging.
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